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Marcel Hülsbeck "In Familienunternehmen ist sozialer Einsatz oft Chefsache"

Werteorientierung, sozialer Druck und familiäre Kontrolle: Warum Familienunternehmen oft mehr Gutes für die Allgemeinheit tun als Großkonzerne.

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Marcel Hülsbeck ist Professor am Wittener Institut für Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke Quelle: Presse

Herr Hülsbeck, zum Thema Gemeinwohl hört man wenig von Familienunternehmen. Spendenaktionen oder Hilfsinitiativen werden mit großen Konzernen verbunden. Engagieren sich so wenige Familienunternehmen?

Marcel Hülsbeck: Nein, ganz im Gegenteil, die Öffentlichkeit erfährt es nur nicht. Diese Wahrnehmung liegt daran, dass sich Familienunternehmen fast immer lokal beziehungsweise regional dort engagieren, wo sie seit Generationen verwurzelt sind. Nämlich vor allem dort, wo ihre Mitarbeiter leben. Selbst Weltmarktführer im Mittelstand sind bundesweit oft so unbekannt, dass landesweites Engagement wenig Sinn macht.

Heißt dass, bei Aktionen fürs Allgemeinwohl geht es diesen Unternehmen genau wie vielen Großkonzernen vor allem um den positiven öffentlichen Auftritt, sprich gute PR?

Gegen gute PR spricht auch bei Familienunternehmen nichts, aber deren Einsatz liegen meist noch ganz andere Motive zugrunde. Neben einer grundsätzlich stärkeren Orientierung am Gemeinwohl gehört dazu zum Beispiel auch sozialer Druck von außen und innen.

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Was meinen Sie?

In großen Konzernen stehen oft Manager an der Spitze, die heute hier und morgen dort arbeiten. Weder werden sie von den Anwohnern mit dem Unternehmen identifiziert, noch verknüpfen diese Manager ihr Leben mit dem Betrieb. Für Eigentümerfamilien sieht das ganz anders aus. Da steht der Familienname womöglich seit Generationen für den größten Arbeitgeber vor Ort. Kein Unternehmer möchte dasjenige Familienmitglied sein, das beispielsweise für einen schlechten Ruf als Arbeitgeber, als Umweltverschmutzer oder womöglich als Standort-Schließer verantwortlich ist. Der soziale Druck, anständige Arbeit zu leisten, ist schon in der nächsten Umgebung hoch: Familie, Freunde, Mitarbeiter, Lieferanten – alle schauen auf ihre Reputation und beurteilen sie danach. Da sind schon vermeintliche Kleinigkeiten sozial wichtig.

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Zum Beispiel?

Stellen sie Behinderte ein? Produzieren sie so, dass die direkte Umwelt geschützt wird? Wie nachhaltig ist ihr Treiben? Oder aktuell: Bieten sie Flüchtlingen im Ort Arbeit? Und wenn der Unternehmer nicht von draußen auf all das gestoßen wird, dann setzen ihn zunehmend die eigenen Kinder unter Druck.

Immerhin seine potentiellen Nachfolger.

Das ist der Punkt. Heute funktioniert das nicht mehr wie vor 30 Jahren: Der Vater ordnet es an und der Sohn übernimmt. Junge Töchter und Söhne haben andere Ansprüche als ihre Vorgänger. Sie hinterfragen stärker den Sinn ihrer potenziellen Arbeit im elterlichen Betrieb und Einkommen steht dabei oft nicht an der ersten Stelle.

Quelle: Hochschule St. Gallen

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Sondern?

Eben auch die Frage: Was tut der Betrieb meiner Eltern für das Gemeinwohl? Wie ökologisch arbeitet er schon jetzt? Liefern wir Rüstungsfirmen zu? Möchte ich mit dem Betrieb mein Leben lang identifiziert werden und kann ich mich mit ihm identifizieren? In Summe: Was motiviert mich, die nächsten 40 Jahre zum Beispiel Unterlegscheiben zu produzieren? Wenn es eben nicht das Produkt ist, dann doch vielleicht die gesellschaftliche Rolle und der Nutzen, den man für die Gemeinschaft stiften kann.

Und außerdem sollte der Betrieb womöglich auch noch für die Enkel in ferner Zukunft als Arbeitsplatz in Frage kommen. Ein starkes gesellschaftliches Engagement kann dabei helfen, diese Sinnstiftung auch über mehrere Generationen zu transportieren.

Jetzt könnte man auf die Idee kommen: Da spricht die Generation „im Himmel ist Jahrmarkt“.

Warum? Die Sinnfrage ist ja nichts Negatives. Die Eltern heute haben das Problem, dass ihrem sehr international ausgebildeten Nachwuchs mehr als je zuvor die ganze Welt als potenzieller Arbeitgeber offen steht. Oder sie es zumindest glauben. Heute muss das elterliche Unternehmen mehr als früher bieten. Aber es bietet gerade beim Gemeinwohl auch Vorteile.

Nämlich?

In Familienunternehmen ist sozialer Einsatz oft Chefsache. Als Nachfolger(in) haben sie die Chance, nicht nur im Unternehmen Dinge zu bewegen, sondern eben auch in die Region hineinzuwirken.

In Konzernen auch, schon damit es sich überzeugend im Geschäftsbericht macht.

Das ist aber oft Augenwischerei. Da arbeiten sich hoch engagierte Mitarbeiter auf unteren Ebenen an Gemeinwohl-Projekten ab und werden dann von der Konzernspitze ausgebremst.

So viele Gutmenschen wollen die dann doch nicht?

Manchmal eben nur so viel, dass es sich gut im Geschäftsbericht macht. Wenn ein Eigentümer von einem Projekt überzeugt ist, wird das auch gegen möglichen internen Widerstand realisiert. Der regiert durch.

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