Herr Winkler, die Sachertorte ist wie Schwarzwälder Kirschtorte oder New York Cheesecake eine eigene Gattung in der Konditorei. Im Gegensatz zu den beiden anderen, steht hinter dem Namen dank des Erfinders Franz Sacher, ein Unternehmen, das Hotel Sacher. Eine Bürde oder ein Segen?
Ich denke, dass es ein Segen ist. Die Geschichte der Sachertorte hat wohl bei uns ihren Anfang genommen mit dem jungen Lehrling Sacher. Und seitdem sind viele Varianten dieser Torte entstanden, die mit dazu beigetragen haben, die Popularität der originalen Sachertorte zu fördern. Sie haben dazu beigetragen, dass Sacher inzwischen ein Gattungsbegriff ist. Und viele Menschen wissen, dass es ein Original und viele andere – sicher auch gute – Torten gibt.
Was zeichnet die Sachertorte aus, dass sie so beliebt ist? Bei Licht betrachtet ist es Kuchenteig mit Marmelade dazwischen und Schokoüberguss.
Dagegen wehre ich mich! Es ist natürlich nicht nur Kuchenteig mit Marmelade und Schoko drüber. Es gibt wenige Mehlspeisen, die in dieser Originalität bald 200 Jahre die Menschen begeistern. Sie wird immer noch nach dem gleichen Prinzip und dem gleichen Rezept gemacht. Das Flair, das die Torte umgibt, die Qualität natürlich und drittens das Geschmackserlebnis tragen dazu bei, dass sie so beliebt ist. Fehlt eines davon, wäre der Erfolg nicht so, wie er ist.
Sachers Story
Eröffnet 1876 von Eduard Sacher, dem Sohn des Erfinders der Torte Franz Sacher, erlebte das von Beginn an allein wegen seiner Lage im 1. Bezirk renommierte Hotel unter seiner Witwe Anna Sacher seine erste Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts. 1892 übernahm die 33-jährige Zigarrenraucherin die Leitung. Dazu trugen auch die Separées bei. Der Anwalt Hans Gürtler, seine Frau Poldi und das Ehepaar Siller erwarben das 1934 in Konkurs geratene Hotel und sanierten es. 1962 ging das Haus nach dem Tod von Anna Siller vollständig in den Besitz der Familie Gürtler über, zu der auch Matthias Winkler gehört.
Hotelgründer Eduard Sacher verstarb und seine Frau Anna Sacher führte das Hotel bis zu ihrem Tod 1930. Der gemeinsame Sohne Eduard wechselte nach dem Konkurs des Hotels 1934 zum Konditor Demel und überließ der Konditorei das alleinige Recht für die sogenannte "Eduard-Sacher-Torte". Die neuen Eigentümer des Hotel Sachers begannen 1938 mit dem Straßenverkauf der "Original Sacher-Torte" und ließen das Markenzeichen registrieren. 1954 kam es dann zum Prozess, in dem die Hoteleigner darauf pochten als einzige diesen Namen zu verwenden. 1963 einigten sich beide Parteien außergerichtlich und heute gibt es in Wien bei Demel mit einem dreieckigen Schokosiegel die "Eduard-Sacher-Torte" oder auch "Demel's Sachertorte" und im Hotel Sacher die "Original-Sacher-Torte".
Die Sachertorte in ihrer heutigen Form geht zurück auf die Erfindung des Konditorlehrling Franz Sacher im Jahre 1932. Der damalige Fürst Metternich beauftragte seine Hofküche ein besonderes Dessert zuzubereiten. Sacher sprang für den erkrankten Chefkoch ein und lehnte sich an Rezepte an, die bereits Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Jahrzehntelang blieb das Rezept weitgehend unbeachet, bevor Franz Sachers Sohn Eduard beim Hofzuckerbäcker Demel lernte und das Rezept weiter verfeinerte. 1876 gründete Eduard Sacher das Hotel und bot dort die Torte an.
Die Wiener Anbieter, das Hotel Sacher und der Hofzuckerbäcker Demel fertigen die Torte leicht unterschiedlich: Während das Hotel Sacher seine "Original Sachertorte" sowohl unter der Kuvertüre und in der Mitte des Teigs eine Schicht aus Marillenmarmelade einarbeitet, besitzt "Demels Sachertorte" lediglich eine Marmeladenschicht. Das Hotel Sacher produziert in einer neu gebauten Produktionsstätte, die sie Manufaktur nennt, 360.000 Torten im Jahr und etwas eine Million der Sacherwürfel. Dafür werden 1,2 Millionen Eier, 80 Tonnen Zucker, 70 Tonnen Schokolade, 37 Tonnen Marillenmarmelade, 25 Tonnen Butter und 30 Tonnen Mehl verarbeitet.
So berühmt die Torte des Hauses Sacher auch sein möge - die Konditorei beherrscht auch andere Backwaren. Eine Übersicht über die Strudel, Kuchen und Torten des Hause Sacher sind nun im "Original Backbuch" nachzlesen. Erschienen im Verlag Gräfe und Unzer sind dort neben der Historie des Hauses auch Anleitungen für Strudel, Schnitten, Knödel, Schmalzgebäck oder Gebäck aus Germteig verzeichnet.
Das erklärt aber immer noch nicht, warum ihr Geschmack so einzigartig ist.
Es gibt nicht dieses eine Kriterium, das sie zu dem Erfolgsprodukt macht. Es ist die Summe aus den Faktoren, wie dem Nimbus, den man mitisst und der Stärke der Marke. Sie ist Botschafter Österreichs. Sie ist auf allen Kontinenten bekannt und steht in allen Reiseführern.
So wie das Wiener Schnitzel und die Mozartkugel?
Ja, und wer nach Wien kommt, wird sicher versuchen, ein Stück der Sacherwelt zu erleben, sei es als Gast des Hotels oder eben mit der Original Sachertorte.
In dem nun veröffentlichten Buch, steht, dass das Rezept nur eine Annäherung sei, weil es ein Geheimnis bleiben solle. Ist das ein Geheimnis der Zutaten oder der Zubereitung?
Ich würde sagen, sowohl als auch. Natürlich die Qualität der Zutaten und ihre Komposition. Aber das hart erlernte Handwerk unserer Mitarbeiter, dass sie sich erwerben, ist ebenso Teil des Geheimnisses. Jeder, der in unserer Manufaktur versucht, selber eine Torte zu glasieren, wird vor den vermutlich sehr lustig aussehenden Stücken des eigenen Scheiterns stehen.
Sie sagen stets „Original Sachertorte“. Die Welt ist jedoch voll mit Sachertorten. In Wien darf die Konditorei Demel ebenfalls Sachertorte verkaufen, nur unter dem Namen „Demels Sachertorte. Die meisten Menschen, die eine Sachertorte gegessen haben, werden eben eine Interpretation Ihres Vorbilds gegessen haben. Ist das ein Problem für die Marke „Original Sachertorte“?
Nein, ein Problem ist es nur, wenn man glaubt, man hätte das Original. Sonst nicht. Es gibt konkrete Beispiele. Wenn sie am Flughafen Wien abfliegen, können Sie eine Original Sachertorte kaufen und nicht unweit die Schokoladentorte eines Mitbewerbers, die auch in einer Holzkiste verpackt ist, erwerben. Und es passiert nicht selten, dass Menschen die „falsche“ kaufen und sich dann eventuell über etwas beschweren. Das ist für uns ein unglücklicher Moment. Wenn sie sich melden, ist es noch gut, denn dann haben wir die Möglichkeit das aufzuklären, was die Unterschiede sind.