Maschinenbau "Cowboy" Mo räumt auf

Mo Meidar legt sich gern mit allen an. Trotzdem hat der Amerikaner aus traditionsreichen deutschen Unternehmen einen der führenden Werkzeugmaschinenbauer weltweit geschmiedet.

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MAG-Gründer Meidar liebt die harte Tour. Vor allem bei den Banken eckt er damit an. Quelle: Pressebild

Cowboy, so nennen Manager des baden-württembergischen Werkzeugmaschinenbauers MAG Europe ihren Eigentümer Mo Meidar. Denn der US-Amerikaner mit israelischen Wurzeln fackelt nicht lange, wenn er seinen Willen durchsetzt. Wer das Wirken des breitschultrigen Hünen im Unternehmen überlebte, spricht mit einer Mischung aus Angst und Ehrfurcht über ihn.

„Widerstand spornt ihn an“, sagt der Unternehmensberater Dietrich Hein und ehemalige Chef des einstigen süddeutschen Maschinenbauers IWKA, aus dem die heutige Kuka hervorging. Anfang des Monats fürchteten Branchenkenner gar, Meidars ganzes Unternehmen bräche zusammen. Meidar hatte nicht nur auf einen Schlag die dreiköpfige Geschäftsführung gefeuert. Er musste zugleich auch – in schöne Klauseln verpackt – einräumen, dass MAG vorübergehend klamm gewesen war.

Doch derlei macht Meidar nur härter – und erfolgreicher. Mit seiner Hau-drauf-Mentalität hat der 68-Jährige seit 2005 um einstige deutsche Branchenperlen herum einen Konzern für Werkzeugmaschinenbau geformt, der sich sehen lassen kann. Das kleine Firmenimperium mit Sitz in Göppingen östlich von Stuttgart setzt in diesem Jahr 526 Millionen Euro um.

Zusammen mit den amerikanischen Schwesterfirmen kommt Meidars Gruppe voraussichtlich auf umgerechnet rund 900 Millionen Euro. Die MAG Europe rangiert auf Platz sechs der hiesigen Werkzeugmaschinenbauer.

Deutschlands größte Werkzeug-Maschinenbauer
Platz 10: Niles-Simmons Quelle: dpa.
9. IndexDie Index-Gruppe gehört gemeinsam mit dem Tochterunternehmen Traub zu den führenden Herstellern von CNC-Drehmaschinen. Firmensitz ist Esslingen in Baden-Württemberg. Das Unternehmen blickt wie viele schwäbische Maschinenbauer auf eine lange Tradition zurück. Hermann Hahn legte 1914 den Grundstein und begann mit der Produktion von Revolverdrehautomaten. Heute zählen zu den Hauptabnehmern von Index-Drehmaschinen die Automobil- und Automobilzulieferindustrie, der Maschinenbau, die Elektrotechnik und Elektronikindustrie sowie Hersteller in der Fluidtechnik und dem Armaturenbau. Die Index-Gruppe setzte im Jahr 2012 432 Millionen Euro um (Vorjahr: 450 Millionen) und beschäftigte 2.100 Mitarbeiter. Quelle: Pressebild
Platz 9: Emag Quelle: pr
Platz 7: Körber - Schleifring-GruppeSchleifring gehört zum weltweit tätigen Körber-Konzern, der 30 internationale Technologieunternehmen unter seinem Dach vereint. Die Abnehmer der Schleifmaschinen stammen aus den Branchen Automobilindustrie und Zulieferer, Werkzeugindustrie, Kraftwerkturbinenbau, Werkzeug- und Formenbau, Medizintechnik, Maschinenbau, Uhrenhersteller sowie der Turbinenindustrie. Zu den größten Abnehmermärkten gehören, nebst Westeuropa, Asien (inklusive China) sowie Amerika. 2012 setzte die Schleifring-Gruppe 530 Millionen Euro (Vorjahr: 470 Millionen Euro) und beschäftigte 2200 Mitarbeiter. Quelle: Presse
Platz 5: Heller Quelle: Pressebild
Platz 5: GrobDas Unternehmen Grob mit Stammwerk in bayerischen Mindelheim produziert in Sao Paulo, Brasilien, im amerikanischen Bluffton/Ohio und im neugebauten Werk in Dalian in China. Eigene Service- und Vertriebsniederlassungen unterhalten die Mindelheimer unter anderem in Beijing, Shanghai und Mexiko. Seit Firmengründung im Jahr 1926 ist Grob im Familienbesitz und wird heute in dritter Generation geführt. Weltweit beschäftigt der Maschinenbauer rund 4.000 Mitarbeiter. 2012/2013 erwirtschaftete das Unternehmen 650 Millionen Euro (Vorjahr: 600 Millionen Euro). Quelle: Pressebild
Platz 6: MAG Europe Quelle: pr

50 Unternehmen saniert

Meidar ist ein typischer US-Investor, der sich heruntergewirtschaftete Unternehmen unter den Nagel reißt. Seit den Siebzigerjahren restrukturierte er über 50 Unternehmen. In Deutschland kann er sich als Retter so mancher einst berühmter deutscher Werkzeugmaschinenbauer fühlen, die jahrzehntelang für teutonische Tüftel- und Ingenieurkunst standen.

Seine Chance bot sich dem promovierten Ingenieur als sich ThyssenKrupp 2005 von seinem Werkzeugmaschinenbau trennte. Damals, im Oktober 2005, kaufte er aus dem ThyssenKrupp-Bestand den schwäbischen Maschinenbauer Cross Hüller, den Drehmaschinenbauer Hessapp aus dem hessischen Taunusstein, die badischen Unternehmen Hüller Hille und Witzig & Frank sowie die amerikanischen Werkzeugmaschinenbauer Giddings & Lewis sowie Fadal. Wenige Monate zuvor hatte Meidar den US-Hersteller Cincinnati Lamb erworben.

In den beiden Jahren darauf bediente sich der Investor bei dem Mischkonzern IWKA, dem einstigen Mutterkonzern des Roboterbauers Kuka. Aus dem IWKA-Reich kaufte Meidar die württembergischen Werkzeugmaschinenbauer Ex-Cell-O und Boehringer. Anschließend ergänzte Meidar sein Reich um Fertigungs- und Servicewerke in Ungarn, Indien und China. Viele der Werke waren todkrank. Etliche mussten geschlossen oder zusammengelegt werden.

Interner Konflikt

Perlen wie der einst selbstständige Maschinenbauer Hüller Hille sind heute Bestandteile der MAG. Quelle: Pressebild

Dass Meidar bei der Sanierung der übernommenen Unternehmen forsch vorgeht, zeigt der jüngste Fall. Die MAG hatte im Mai den französischen Maschinenbauer Forest-Liné erworben. Rund 20 Millionen Euro soll der Kauf gekostet haben. Doch damit hatte sich Meidar finanziell übernommen.

„Ich freue mich, dass wir in einer sehr schwierigen Phase an den Finanzmärkten das Vertrauen unserer Finanzdienstleister erhalten haben“, erklärte der Investor noch vor zwei Wochen, nachdem es ihm offenbar erst im letzten Augenblick geglückt war, die Banken auf seine Seite zu bekommen. Einer seiner Manager sieht dies anders: „Wir haben den Abgrund gesehen.“

Meidar ist einer, der auch und gerade mit den Banken keinen Konflikt scheut. „Er neigt dazu, die Finanzierungen auf Kante zu nähen“, sagt einer der gefeuerten MAG-Europe-Geschäftsführer. „Das führte, gepaart mit seiner brachialen Art, schon immer zu Spannungen.“ So hatte Meidar die Akquisition in Frankreich gestemmt, ohne zuvor die Hausbanken zu unterrichten. Die Finanzhäuser, darunter Deutsche Bank und Commerzbank, waren entsprechend vergrätzt. „Die haben sich nicht gerade beeilt, als es darum ging, nachzuschießen“, sagt ein Banker aus Baden-Württemberg.

In dieser Situation war der interne Konflikt programmiert. Der damalige MAG-Europe-Chef Markus Grob, Finanzchef Ralph Berndt und Geschäftsführungsmitglied Gerhard Hagenau warfen dem Boss die wagemutige Finanzierung vor. Meidar grub daraufhin die hohen Verluste aus, die Aufträge aus Zeiten der Finanzkrise dem Unternehmen bescherten und an der Firmenkasse nagten. Zugleich warf er den dreien mangelnden Überblick bei den Gesprächen mit den Banken vor. Von da an war es bis zum Abschied der Manager nicht mehr weit.

Auftragsflut seit Ende 2012

Dabei resultiert der jüngste Showdown Meidars mit seinen Leuten aus dem Erfolg des Unternehmens. Der Amerikaner, der im Umgang mit Geschäftsfreunden einen paternalistischen Charme entfalten kann, hatte große Kunden wie Daimler oder VW wieder gewonnen. Das Geschäft brummte seit Ende 2010 nur so. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres stieg der Auftragseingang der MAG Europe um 125 Prozent.

Dazu brauchte MAG aber die Hilfe der Banken. Denn das Werkzeugmaschinengeschäft ist heute ein Projektgeschäft. Ein Auftrag umfasst oft 40 Millionen Euro oder mehr; bis er abgearbeitet ist, vergehen bis zu 18 Monate. Die Kunden, überwiegend Autobauer und Zulieferer, leisten zwar in der Regel Anzahlungen von 10 bis 30 Prozent des Auftragswerts. Doch dafür wollen sie Bürgschaften von MAG für den Fall, dass die Lieferung ausbleibt.

Strapazierte Finanzen

Aus dem Mischkonzern IWKA kaufte Meidar die württembergischenen Werkzeugmaschinenbauer Ex-Cell-O und Boehringer. Quelle: dpa/dpaweb

Solche sogenannten Avale gewähren die Banken nur innerhalb der üblichen Kreditlinien, mit denen auch Materialien und Löhne finanziert werden. Vor allem seit der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009, als sich die Umsätze im hochzyklischen Werkzeugmaschinenbau halbierten, sind jedoch gutwillige Banker, die zudem das Geschäftsmodell der Branche verstehen, selten.

Das bekam auch Meidars MAG zu spüren. Meidar hatte sich zwar auf eine Erholung vorbereitet und im Januar als Erster in der Branche eine Anleihe von 50 Millionen erfolgreich platziert. Doch die Wucht des Ordereingangs überraschte auch ihn. Hinzu kam: Meidar hatte im vergangenen Herbst das Chemnitzer Werk des italienischen Werkzeugmaschinenbauers Samputensili erworben und damit seine Finanzen bereits strapaziert.

Damit wurde die Konfrontation mit den Banken unausweichlich. Erst als eine Finanzierungslücke von 100 Millionen Euro an Bürgschaften und Krediten drohte, suchte Meidar das Gespräch mit den Banken. Der Firmenjäger, der als junger Hauptmann im Sechstagekrieg 1967 bei der Erstürmung der Golanhöhen mitkämpfte, mag es nicht, so erzählen Weggefährten, die Banken um Geld anzubetteln. „Er will Herr im Hause sein und stimmt sich ungern ab“, sagt ein Gewerkschafter. Die Banken rückten schließlich die Finanzierung heraus, wollen den eigenwilligen Meidar aber künftig mittels eines erweiterten Aufsichtsrats zähmen, in dem sie selbst mitreden, aber auch die Arbeitnehmer stärker repräsentiert sind.

Zwei neue Chefs

Rolf Rickmeyer, zuletzt Berater und Geschäftsführer beim Frankfurter Unternehmensberater Aurel Vest, und Jan Siebert, Finanzmanager beim schwäbischen Anlagenbauer Eisenmann, sollen nun als Vorsitzender der Geschäftsführung beziehungsweise kaufmännischer Geschäftsführer MAG auf Rendite ausrichten. Leicht wird die Sache für die beiden Neuen nicht. Zwar ist die Finanzklemme erst einmal vorüber. Auch strategisch ist die MAG gut aufgestellt, zumal sie mit Forest Liné einen der wenigen Spezialisten für die Bearbeitung von Karbon- und Kompositwerkstoffen erworben hat. Und als Spätzykliker dürfte MAG noch etliche Monate Aufträge hereinholen.

Dagegen steht die noch mangelnde Ertragskraft der vor Kurzem verschmolzenen Unternehmenseinheiten. Im ersten Halbjahr machte die deutsche Tochter MAG IAS bei 105 Millionen Euro Umsatz einen Verlust von 23,5 Millionen Euro. Meidar muss schnellstens sein Reich mit über 40 Einheiten noch stärker integrieren und für mehr Transparenz sorgen. Und vor allem muss der sechsfache Großvater lernen, Bankern, Managern und Arbeitnehmervertretern zuzuhören. Sonst könnte sich sein Lebenswerk schneller verflüchtigen, als er es zusammengeführt hat.

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