Maschinenbauer Körber Gekommen, um zu gehen: Diese Firma entwickelt Ideen mit der Lizenz, „uns selbst abzuschaffen“

Büroräume von Körber Digital in Berlin. Quelle: Körber

Beim Maschinenbauer Körber entwickeln Ingenieure und Programmierer Geschäftsmodelle, die als Firma ausgegründet werden – wenn es gut läuft. Klammheimlich gelang ihnen bereits der zweite Coup.

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Company Builder galten für Mittelständler lange als das Zukunftsprojekt schlechthin. Die Idee kommt aus der Start-up-Welt: Company Builder akquirieren Geld und Mitarbeiter und stecken ihr gesammeltes Know-how und die Finanzkraft dann in den Aufbau eines neuen Produkts. Am Ende steht ein Geschäftsmodell, eine Mannschaft - und eine neue erfolgreiche Firma. So die Theorie. 

In der Praxis haben viele Mittelständler ihre Projekte inzwischen beerdigt. Das Unternehmen Körber dagegen blieb standhaft. Der deutsche Maschinenbauer hat innerhalb von wenigen Jahren den nach eigenen Angaben größten Company Builder in Deutschland aufgebaut. Die Firma wächst kräftig und hat nach einer ersten Erfolgsausgründung klammheimlich eine zweite Firma an den Start gebracht. Die Managementphilosophie ist selten wie skurril: Das Team um Leiter Daniel Szabo setzt darauf, sich gewissermaßen selbst abzuschaffen – mit dem Segen des Körber-Vorstands. 

Körber ist eine Art Mischkonzern mit rund 10.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von fast zwei Milliarden Euro, der sich auf unterschiedliche Bereiche konzentriert. Im Geschäftsfeld Tissue bietet das Unternehmen unter anderem Verpackungs- und Verarbeitungsmaschinen für Hygienepapier an, also für  Küchenrollen oder Papierhandtücher. Die Körber-Maschinen aus dem Bereich Tabak sind nach eigenen Angaben für zwei Drittel aller weltweiten Filterzigaretten und Tabakprodukte verantwortlich. Die Ingenieure im Feld Pharma entwickeln Werkzeuge für die Verpackung und Inspektion von Medikamenten, und in der Sparte „Supply Chain“ bietet Körber unter anderem Software für Lieferketten an. 

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Der Bereich Digital ist das jüngste Geschäftsfeld - und an sich weit entfernt vom Alltag eines klassischen Maschinenbauers. Die Hoffnungen in der Digitaleinheit sind groß. Dabei lief es zunächst nicht so, wie man sich das vorgestellt hatte. Vermutlich auch deshalb stieß Szabo zur Firma und krempelte die Digitaleinheit nur zwei Jahre nach der Gründung grundlegend um. Anfangs verfolgte Körber Digital noch 50 Projekte, die sich teils doppelten und wie in der Startphase üblich ohnehin keinen Gewinn abwarfen. Szabo kürzte radikal und konzentrierte seine Teams in Karlsruhe, Berlin, Porto und seit neuestem auch in den USA auf wenige vielversprechende Projekte.

Im Fokus steht nun ein Trend, in den Investoren seit Jahren viel Geld stecken: Software-as-a-Service. Körber Digital will jedes Jahr zwei bis drei Firmen aufbauen, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und den Daten der Kunden die Produktionsprozesse effizienter machen. Das Ziel für jede Ausgründung beim Start: rund 50 Millionen Euro Umsatz - und so wertvoll wie ein Einhorn. So heißen in der Start-up-Szene Firmen, die mehr als eine Milliarde Euro oder US-Dollar wert sind. 

Doch von Start-ups will Szabo gar nicht sprechen: „Wir wollen keine Firma mit hoher Bewertung, die Verluste macht, sondern ein nachhaltiges Geschäftsmodell“, sagt er und spricht immer von Firmen, nie von Start-ups, wenn er von den Ausgründungen des Hamburger Konzerns spricht. Die Firmen sollen entsprechend eigenständig agieren und die anderen Konzernsparten wie Pharma oder Tissue seien lediglich Türöffner für große Kunden. 

Über offizielle Zahlen wie den Umsatz oder die Gewinne der Digitaleinheit schweigt Körber. Der erste Spin-off mit dem Namen FactoryPal soll aber bereits ein Erfolg sein, zumindest nach dem Wachstum der Mitarbeiterzahl zu urteilen. Bis Ende des Jahres sollen es 100 sein, kommendes Jahr dann schon 200. FactoryPal verspricht seinen Businesskunden, die Prozesse in der Fabrik zu optimieren, in dem es Maschinendaten live zusammenführt. 

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Dabei lief es auch bei FactoryPal anfangs nicht so gut. Für jedes neue Unternehmen aus der Digitaleinheit sucht sich Körber eigentlich einen Partner, mit dem es die Idee zusammen entwickelt und zugleich der erste große Kunde wird. Bei FactoryPal ist der ursprüngliche Partner aber abgesprungen, weil man sich auf kommerzieller Ebene nicht einig werden konnte. Die Digitaleinheit von Körber nimmt einen Grundbetrag vom Kunden und erhält einen Bonus bei zusätzlichen Effizienzgewinnen. „Wir werden also nach Leistung bezahlt“, sagt Szabo. „Wenn wir richtig gut sind, kann das für Unternehmen auch teuer werden. Jedoch ist dies immer noch hoch profitabel für die Kunden“, sagt Szabo.

Mittlerweile hat FactoryPal, das mithilfe von KI berechnen will, wie Anlagen am besten zu fahren sind, mit Wepa einen neuen Partner gefunden, bei dem die Lösung läuft. Der Spezialist für Hygieneartikel soll aber nur der Anfang sein, wie Szabo erzählt: „Wir sind mit 50 Prozent der Herstellerkapazitäten im Bereich Tissue im Gespräch und auch andere Industrien wie beispielsweise Pharma, Feinpapier, Kartonage und Tabak haben schon Interesse gezeigt“, sagt er. 

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Klammheimlich haben Szabo und sein Team in den vergangenen Tagen mit InspectifAI bereits das zweite Unternehmen ausgegründet. Die junge Firma ist im Bereich Pharma angesiedelt, wo sie die visuelle Inspektion von Medikamenten unterstützen soll. Dabei wird jedes Präparat von einer Kameratechnik untersucht, die zum Beispiel nach Partikeln sucht, die eigentlich in dem Medikament nichts zu suchen haben.

Ist sich das Computersystem unsicher, wird das Produkt prinzipiell als „schlecht“ deklariert und ein Mensch muss den Zweitabgleich machen. InspectifAI will das mithilfe von KI in den Griff bekommen, den Algorithmus lernen lassen, was gut und was schlecht ist. Eines der „Top-5-Pharmaunternehmen in Europa“ sei als Entwicklungspartner dabei, sagt Szabo, der sich bei der Namensnennung noch zurückhält. 

Langfristig hofft der Manager, dass er mehrere Pharmahersteller dazu bringen kann, ihre Daten in einen Topf zu werfen, um den Algorithmus schneller und besser trainieren zu können. Er wolle „immer das Beste für unseren Kunden“, sagt Szabo. Dazu zählt auch, dass die Algorithmen der Ausgründungen nicht nur auf den Körber-Maschinen, sondern auch auf solchen der Konkurrenz laufen. Das könnte in der Theorie dann dazu führen, dass der eigene Algorithmus auf fremden Anlagen besser laufen könnte als auf denen von Körber. „Das Projekt würden wir trotzdem machen, weil wir glauben, dass die Zukunft digital ist. Wir sind bereit, uns selbst abzuschaffen“, sagt Szabo. Die Rückendeckung vom Konzernvorstand hat er offenbar dafür. „Wenn wir Technologieführer der Zukunft sein wollen, bedeutet das, dass wir in Zukunft führend in der Nutzung von digitalen Technologien in der Produktion sein müssen. Nur auf Maschinen können wir uns nicht verlassen.“

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