Mit Vollgas ins deutsche Herz Warren Buffett investiert in Mittelständler

Der legendäre US-Investor Warren Buffett will sich an deutschen Mittelständlern beteiligen. Die Sparkassen sollen ihn dabei unterstützen.

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US-Investor Warren Buffett. Quelle: Bloomberg

Nach dem Tod von Detlev Louis stand die Ehefrau und Alleinerbin des gleichnamigen Motorradausrüsters aus Hamburg vor einer großen Herausforderung.
Ein bereits auserkorener Nachfolger für den Chefposten war überraschend kurz vor ihrem Ehemann gestorben. Die Verantwortung für das Unternehmen mit 1600 Mitarbeitern lastete nun auf ihren Schultern. Da tauchte Warren Buffett auf. Zum Glück.

Die Investorenlegende aus den USA nahm ihr den auf Helme, Schutzkleidung und sonstiges Zubehör rund ums Motorrad spezialisierten Händler mit einem Jahresumsatz von 270 Millionen Euro ab – zum Preis von etwa 400 Millionen Euro, wie es in Unternehmenskreisen heißt. Über seine börsennotierte Beteiligungsholding Berkshire Hathaway investiert Buffett eigentlich in Aktien von Weltkonzernen wie IBM, Coca-Cola und Apple. Direkt gehören Berkshire zudem auch noch 62 Unternehmen, darunter der Batteriehersteller Duracell und der Modekonzern Fruit of the Loom, beide mit Sitz in den USA.

Apple und andere Stars im Portfolio

Doch neuerdings will der 85-Jährige auch groß in den deutschen Mittelstand einsteigen. Ende Juni schickte er dafür eigens seinen Co-Investmentchef nach Deutschland. Ted Weschler gilt nach Buffett als wichtigster Mann bei Berkshire.

Berkshire konzentriert sich bei seiner Einkaufstour in Deutschland auf Unternehmen ab etwa 300 Millionen Euro Jahresumsatz und 50 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Bei den Kaufkandidaten ist Weschler nicht auf bestimmte Branchen oder Renditen festgelegt. Er will das Geschäft verstehen, es muss langfristig gute Aussichten bieten, die Schulden sollen niedrig sein. Zudem muss Weschler von den Managern des Unternehmens überzeugt sein. In das Tagesgeschäft ihrer Beteiligungen wollen sich die Amerikaner nämlich möglichst nicht einmischen.

Hilfe durch Unternehmerkontakte der Sparkassen

Als Türöffner, um weitere Ziele aufzuspüren, sollen die deutschen Sparkassen mit ihren Kontakten zu hiesigen Unternehmern helfen. Weschler präsentierte das Berkshire-Konzept beim jährlichen Treffen der Vorstände deutscher Großsparkassen in Heidelberg. Da Sparkassen bei großen Mittelständlern nicht unbedingt die führende Hausbank sind, baut Buffett zusätzlich auf die Erfahrung der Kölner Transaktionsberaterin Zypora Kupferberg. Sie hat den Louis-Deal eingefädelt und wurde so quasi zur Statthalterin der Holding in Deutschland.

Das Angebot ist zu groß

Mittelständler, die einen Verkauf an eine Beteiligungsgesellschaft erwägen, sollten sich allerdings nicht der Illusion hingeben, dass Investoren wie Berkshire viel Geld für ihre Unternehmen hinblättern. Die Profianleger wollten derzeit oft nur das Fünf- bis Achtfache des Jahresgewinns bezahlen, sagt Michael Klumpp, Geschäftsführer der KP TECH Beratungsgesellschaft in Frankfurt. Das führe dazu, dass sie oft nicht gleich zum Ziel kämen. Unternehmer erwarteten regelmäßig das Zehnfache des Gewinns. Doch die Investoren seien vorsichtig, meint Klumpp. Sie hätten das Jahr 2008 noch vor Augen und erinnerten sich daran, dass derjenige, der zu viel zahlt, Probleme bekommt, wenn die Wirtschaft ins Schlingern gerät. Hinzu kommt: Das Angebot ist so groß, dass sie gar nicht jeden Preis zahlen müssen.

Viele Betriebe müssen verkauft werden

Die Förderbank KfW hat ermittelt, dass bis 2018 jeder sechste Mittelständler in Deutschland einen Nachfolger finden muss. Dabei geht es laut KfW um 620.000 Unternehmen mit etwa vier Millionen Beschäftigten. Vielen wird das nicht gelingen. Das wurde auch beim Tag des deutschen Familienunternehmens in Berlin deutlich. Selten wurden die mehrheitlich älteren Unternehmer von bereits auserwählten Nachfolgern begleitet. Häufig tauschten sich die Besucher darüber aus, dass sie nicht wüssten, wie es weitergehen solle. Finden sie keinen neuen Chef, müssen sie ihren Betrieb verkaufen.

Dadurch kommen viele Unternehmen auf den Markt, auch wenn die Gründer es eigentlich nicht wollen. Das nutzt nicht nur Buffett. Der russische Milliardär Viktor Wekselberg etwa hat über seinen Schweizer Maschinenbauer Sulzer jüngst das mittelfränkische Unternehmen Geka übernommen, das Wimperntusche-Bürsten und Kosmetikpackungen herstellt. Milliardär Michael Pieper, Eigentümer der Schweizer Franke-Gruppe (Küchen- und Badausstattungen), hat Beteiligungen in Deutschland im Visier, und auch Felix Happel, Sohn von Gea-Gründer Otto Happel (Maschinenbau), will mit seiner Beteiligungsgesellschaft Porterhouse hierzulande investieren.

Beteiligt an jeder dritten Milchkanne

Auch börsennotierte Beteiligungsgesellschaften wie Indus, MBB und Gesco suchen gerade nach Mittelständlern, die sie übernehmen können. Ähnlich wie Berkshire interessieren sie sich vor allem für Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 100 und 500 Millionen Euro. MBB fokussiert sich dabei vor allem auf die Region Ostwestfalen und Münsterland, wo sechs von sieben MBB-Beteiligungen beheimatet sind. „An jeder dritten Milchkanne finden Sie dort ein MBB-Unternehmen“, scherzte MBB-Vorstand Christof Nesemeier 2015 schon mal.

Privatanleger können über die Aktien der Beteiligungsfirmen auch selbst in den deutschen Mittelstand investieren. Das war in der Vergangenheit durchaus lukrativ. Der Aktienkurs von MBB etwa ist seit dem Börsengang vor zehn Jahren von 10 auf 38 Euro gestiegen, die Dividendenrendite ist mit 1,6 Prozent attraktiv. Noch größer ist Indus aus Bergisch Gladbach mit seinen 44 Unternehmen, 1,4 Milliarden Euro Umsatz und 2,7 Prozent Dividendenrendite. 125 Millionen Euro sollen die Indus-Beteiligungen in diesem Jahr für Forschung und Entwicklungsausgaben erhalten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Im Portfolio von Gesco stecken 17 Mittelständler (Gesamtumsatz 2015: 494 Millionen Euro, Dividendenrendite 2,8 Prozent). Das Unternehmen aus Wuppertal kämpfte mit einer schwachen Rentabilität. Ein neuer Vorstandschef soll es nun richten.

Sparkassen kennen ihre Unternehmer

Unternehmenstransaktionen sind ein Riesengeschäft, in dem sich bundesweit bei Investmentbanken, Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und spezialisierten Beteiligungsmaklern um die 2000 Experten tummeln. Wer mitmischen will, muss Kontakte pflegen und sensibel im Umgang mit Unternehmern sein. Kaum einer eignet sich dafür besser als die Mitarbeiter der rund 400 deutschen Sparkassen, die ihre Unternehmer vor Ort oft schon seit Jahrzehnten kennen. „Sparkassen sind mit ihren Kontakten in jede Ecke der deutschen Wirtschaft sehr mächtig“, sagt Berkshire-Manager Weschler. Er hofft darauf, dass die Sparkassen-Vorstände künftig an die Amerikaner denken, wenn Unternehmen aus ihrem Kundenkreis zum Verkauf stehen. Das soll nicht zu ihrem Schaden sein. Sparkassen könnten bei Berkshire-Unternehmen die Hausbank bleiben und das Vermögen des Verkäufers verwalten.

Überwindung der Vorbehalte

Die Unternehmer müssen allerdings regelmäßig erst ihre Vorbehalte gegenüber Investoren überwinden.
Es gehe schon damit los, dass private Unternehmen üblicherweise keine Beiräte oder Aufsichtsräte haben, denen der Unternehmer regelmäßig berichte, sagt Berater Klumpp. Seine Bücher für Fremde zu öffnen, das ist für einen Firmenpatriarchen, der gewöhnt ist, operativ die Dinge nur mit sich selbst auszumachen, ein gewaltiger Schritt. „Da führt man viele Gespräche, bis man an dem Punkt angekommen ist“, sagt Kupferberg. Bei Kaufinteressenten aus den USA sei zudem die Sorge häufig groß, „dass sie das Unternehmen umkrempeln wollen“, sagt der Frankfurter Berater Klumpp.

Diese Vorurteile kennt auch Kupferberg: „Da sind viele emotionale Kriterien wichtig, und den Zuschlag bekommt nicht einfach derjenige, der den höchsten Preis zahlt.“ Berkshire-Manager Weschler stellt sich darauf ein. Bei den Kaufverhandlungen halte er sich etwa mit Kritik meist zurück. „Ein Unternehmen ist für den Eigentümer sein Baby und der Verkaufsprozess für ihn eine harte Zeit, das respektieren wir“, sagt er.

Letzten Endes zählt häufig die Reputation des Käufers mehr als sein Kapital. „Die meisten wollen ihr Lebenswerk und das Umfeld aus Mitarbeitern und Kunden in guten Händen sehen“, sagt Gerrit Karalus, Investmentchef bei der Berliner Beteiligungsgesellschaft MBB. Beim Kauf der Claas Fertigungstechnik, die heute unter MBB Fertigungstechnik firmiert, habe der damalige Unternehmenschef gesagt, er wolle den Menschen im Dorf beim sonntäglichen Kirchgang noch in die Augen schauen können. MBB sollte also sorgsam mit dem Unternehmen umgehen. Wenn Firmenpatriarchen Erkundigungen über die Zuverlässigkeit der MBB-Vorstände und -Gründer einholen, wenden sie sich schon mal an hohe kirchliche Würdenträger. „Ideal ist es, wenn ein Unternehmer anruft, der etwa beim Jagdausflug gehört hat, dass wir ein anständiger Investor sind“, sagt Karalus. Die Unternehmer wollten nicht irgendwann damit konfrontiert werden, dass der Investor, an den sie verkauft haben, ihr Unternehmen geplündert habe.

Karalus und auch Berkshire-Manager Weschler gehen auf diese Bedürfnisse ein. So erfüllte Weschler der Erbin des Motorradausrüsters Louis auch ihren sehnlichsten Wunsch: Er garantierte ihr, dass der Hauptsitz des Unternehmens in Hamburg bleibt.

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