Mittelständler Mifa Maschmeyers Fahrradunfall

Der mittelständische Fahrradhersteller Mifa war jahrelang ein erfolgsverwöhntes Unternehmen. Nun finden sich in der Bilanz Millionenverluste – doch Miteigentümer Carsten Maschmeyer glaubt weiterhin an sein Investment.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Erfolgsgeschichte aus dem Osten der Republik: der Fahrradhersteller Mifa.

Leipzig Eigentlich war der ostdeutsche Fahrradhersteller Mifa positive Nachrichten gewohnt. Das änderte sich in einer Nacht Mitte März vor zwei Jahren. Die Mitarbeiter der Nachtschicht legten kurzentschlossen Schraubenzieher und Inbussschlüssel beiseite.

Die Fahrradproduktion bei Mifa musste gestoppt werden. In einem wilden Streik kämpften die Angestellten für mehr Geld. Mit Erfolg: Sie erhielten noch in derselben Nacht eine Zusage für ein Lohnplus von 150 Euro pro Monat.

Ein höheres Bruttogehalt für Saisonkräfte aus Polen hatte zuvor zum Unmut der Stammbelegschaft geführt. Der Streik war ein erstes Zeichen dafür, dass beim traditionsreichen Zweiradproduzenten doch nicht alles rund läuft.

Bis zu jener Nacht vor zwei Jahren ging es für das mittelständische Fahrradwerk Mifa im sachsen-anhaltischen Sangerhausen fast immer nur bergauf. Zwei Unternehmer erwarben die 1907 gegründete Firma 1996 von der Treuhand und führten es acht Jahre später an die Börse. Der Umsatz überstieg die 100-Millionen-Euro-Marke, mehr als 600.000 Fahrräder verkaufte das Unternehmen im Jahr – deutschlandweit spitze.

750 Angestellte machten Mifa zu einem Vorzeigebetrieb im Landkreis Mannsfeld-Südharz, in dem gute Nachrichten aus der Wirtschaft Seltenheitswert haben. Eine Erfolgsgeschichte. Zu den besten Zeiten im Jahr 2004 kostete eine Aktie des Fahrradherstellers 9,50 Euro.

2011 stieg auch Carsten Maschmeyer ein. Der einstige AWD-Eigentümer und Milliardär verlieh dem Unternehmen als größter Einzelaktionär gar einen gewissen Glamour. Mehr als 20 Millionen Euro soll sein Aktienpaket wert gewesen sein.


Die Belegschaft ist verunsichert und schweigt

Nun hat der Verlobte von Schauspielerin Veronica Ferres jedoch einige Gründe, sein Investment zu bereuen. Mifa musste im März ein Finanzloch gestehen, auch wenn die Bilanz für 2013 frühestens im Juni vorgelegt werden kann. 15 Millionen Euro habe der Verlust im vergangenen Jahr betragen. Fehler in der Buchhaltung, gestiegene Kosten sowie nicht eingetretene Umsatzerwartungen werden als Gründe genannt.

Laut den aktuellsten Zahlen verkaufte Mifa im ersten Halbjahr 2013 nur noch 395.000 Fahrräder, elf Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Dank hochpreisiger E-Bikes stieg zwar trotzdem der Umsatz. Dennoch: Die Lage ist angespannt.

In kürzester Zeit musste der alleinige Vorstand Peter Wicht seinen Stuhl „aus gesundheitlichen Gründen“ räumen. Neben Hans-Peter Barth kümmert sich nun Stefan Weniger um die Geschäfte. Der eine soll das operative Geschäft lenken, der andere die Firma sanieren.

Wie es mit dem Mittelständler weitergeht, ist unklar. Denn wie schlimm es wirklich um das Unternehmen steht, wissen noch nicht einmal die neuen Geschäftsführer. Mithilfe der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY wollen die zwei sich bis Ende Juni erst einmal einen Überblick verschaffen und ein Sanierungsgutachten erstellen, wie Weniger Handelsblatt Online mitteilt.

Erst dann könnten Aussagen zum zukünftigen Geschäft der Zweiradschmiede getroffen werden. Schon jetzt könne er jedoch sagen, dass die Prozesse bei der Herstellung in Zukunft effizienter werden müssen. Das klingt nicht wie ein gutes Signal an die Mitarbeiter. Effizienz wird oft damit erreicht, indem Arbeiter entlassen und Löhne gekürzt werden.

Öffentlich reden möchten die Mifa-Angestellten nicht. Es solle erst einmal wieder Ruhe einkehren, ist zu vernehmen. Es dürfe kein weiteres Öl ins Feuer gegossen werden und es gebe die Erwartung an das Management, dass es mit dem Betrieb weitergeht.

Eine gewisse Unsicherheit sei natürlich in der Belegschaft vorhanden. „Diese gibt es allerdings bereits seit der nächtlichen Streikaktion“, sagt die Chefin des zuständigen IG-Metall-Bezirkes, Almut Kapper-Leibe, im Gespräch mit Handelsblatt Online.


Maschmeyer will Aktien halten

Die Arbeitsniederlegung war so etwas wie die Initialzündung zur Gründung eines Betriebsrates. Den gab es bis dahin gar nicht. Ein Jahr später formierte sich dann das 13-köpfige Gremium. Er befinde sich noch immer im Aufbau und werde in der jetzigen Situation von der IG Metall unterstützt, sagt die Gewerkschafterin.

Kurzfristig hilft dem taumelnden Unternehmen erstmal die öffentliche Hand mit einer seltenen Aktion. Denn 750 weitere Arbeitslose hätten der Region nicht gut zu Gesicht gestanden. Der Kreistag suchte nach einer Lösung. Ein kruder Vorschlag, der dabei diskutiert worden sein soll: Der Landkreis könnte doch jede Menge Fahrräder kaufen.

Schlussendlich einigten sich die Parlamentarier am 12. April, einem Samstag, auf einen seltenen Deal. Der Kreis kauft dem Unternehmen eine Zeit lang Betriebsgrundstücke für einmalig 5,7 Millionen Euro ab und kassiert im Gegenzug eine Miete dafür.

Das Kuriose dabei: Es habe beim Kauf keine weiteren Bedingungen an das Unternehmen gegeben, sagt Landkreis-Sprecher Uwe Gajowski Handelsblatt Online. Mit der Maßnahme sollten Arbeitsplätze gesichert werden. Ob das klappt, ist indes noch ungewiss.

Carsten Maschmeyer glaubt indes weiter an das Unternehmen. Dabei pendelte die Aktie in diesem Jahr nur noch um 6,50 Euro und verlor nach den negativen Finanzbotschaften im März mehr als die Hälfte ihres Wertes. Der Investor steht weiterhin zum Unternehmen. „Wir glauben an das Unternehmen, werden uns vollumfänglich für die Gesellschaft einsetzen, und werden keine Aktien verkaufen“, sagt Maschmeyer zu Handelsblatt Online. „Wir glauben langfristig an steigende Kurse.“

Außerdem begrüßt er eine strategische Partnerschaft, die Mifa nun mit dem indischen Weltmarktführer Hero Cycles bekommt. „Hero Cycles hat ganz aktuell eine bindende Vereinbarung über ein neues Investment von 15 Millionen Euro unterzeichnet“, sagt der Investor. Damit wäre das Finanzloch, sollte es sich nicht vergrößern, vorerst gestopft.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%