Mittelstand Ein Kies-Unternehmer mit grüner Agenda

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Eine grüne Agenda

Natürlich hat das Unternehmen nahe der niedersächsischen Grenze nicht nur seine Energiekosten besser im Griff. Gleichzeitig hat es ein Top-Argument für Umwelt- und Klima-Debatten gewonnen: 495 Tonnen Kohlendioxid soll der Solarpark in Petershagen einsparen.

Dabei will es der Juniorchef nicht belassen. Sein Fernziel klingt politisch aktuell und anspruchsvoll: „Der CO2-Fußabdruck unseres Unternehmen soll künftig so gering wie möglich sein.“

Nach und nach wird so aus teilweise schon älteren Einzelmaßnahmen ein Konzept, eine grüne Agenda für den Mittelständler. Weitere kleinere Photovoltaik-Anlagen versorgen bereits die Unternehmenszentrale und eine Kiesgrube mit Betonwerk im Petershäger Ortsteil Büchenberg mit Strom. Das Saugschiff auf dem See von Petershagen-Ilse arbeitet emissionsfrei dank seines Elektromotors. Es sucht den Grund unter Wasser autonom über solarbetriebene Sonarsensoren und GPS nach gutem Material ab und sorgt für eine effizientere Ausbeute als es Menschen vor Bildschirmen könnten, die gewöhnlich die Abbaugeräte steuern. 200 Tonnen pro Stunde schlürft der Hightech-Koloss aus dem See.

Die Lkw des Unternehmens bestückt Meyer mit Reifen, die aufgrund geringeren Rollwiderstands weniger Diesel verbrauchen. Auf die ganze Flotte gerechnet sind das rund 2500 Liter weniger Diesel pro Jahr. Verbrauchsenkend wirken sich auch die Windleitkörper aus, die das Gewicht der 40-Tonner verringern. Überhaupt achtet Meyer bei den Fahrzeugen auf Leichtbau – etwa durch Alu-Chassis, Alu-Felgen, Alu-Kipper und hochfeste Stähle mit geringerer Materialstärke. Und einmal im Jahr werden die Fahrer in einem Eco-Training durch einen externen Coach in sparsamer Fahrtechnik geschult. Der Trucker mit dem geringsten Jahresverbrauch pro Kilometer erhält 500 Euro Eco-Prämie.

Immerhin bekommt der Jungunternehmer für seine Haltung und Initiative vorsichtige Anerkennung aus dem Lager der Kritiker. Der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Stadtrat von Petershagen, Wolfgang Riesner, meint: „Der Solarpark in der Kiesgrube ist eine gute Idee“. Auch wenn lange Reihen von Solarpaneelen in der hügeligen Landschaft eigentlich nicht erwünscht sind. Mit Blick auf selten gewordene Rebhühner, Wachteln und Lerchen will der Architekt den Kiesabbau auch keinesfalls sanktionieren: „Was verloren geht durch den Abbau, ist nicht durch Baggerseen zu ersetzen. Die Lerche kann ja nicht auf Ente umschulen.“

Aber Kies und Sand brauchen die Industrie und der dringend benötigte Wohnungsbau. Dem Grünen ist es dabei lieber, wenn ein lokales Unternehmen wie Meyer den Rohstoff abbaut und an Abnehmer im Umland liefert. „So bleibt wenigstens die Wertschöpfung in unserer Region“, erklärt Riesner. Andere Unternehmen wie HeidelbergCement hingegen beuteten den Boden quasi „im Kolonialstil“ aus und lieferten Sand und Kies aus dem Wesertal an Zementwerke bundesweit.

Dass sich der begehrte Bodenschatz entlang der Weser in bis zu zwölf Meter mächtigen Schichten findet, ist dem Klimawandel der vergangenen zweieinhalb Millionen Jahre zu verdanken. Während der Eiszeitperioden überzogen Gletscher das heutige Norddeutschland, und über Jahrtausende riss das Flusswasser riesige Mengen verwitternden Gesteins mit sich, schliff es zu Kieseln und zerbröselte es zu Sand.

Die Logik der Greta-Ära fordert von Konsumenten und Wirtschafts-Akteuren, zwar nicht Jahrmillionen, aber wenigstens Jahrzehnte vorauszudenken. Meyer jr. entzieht sich nicht diesem Zeitgeist. Er weiß, dass – trotz aller Bemühungen – auch der nächste Kiesabbauplan seines Unternehmens die Gemüter erregen wird. Aber er will „der Umwelt, die wir wirtschaftlich nutzen, etwas zurückgeben – zumal es sich rechnet“.

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