Mittelstand Fünf Wege der Finanzierung für Firmen

Mittelständler: Fünf Wege der Finanzierung für Firmen Quelle: iStock

Mittelständler benötigen regelmäßig neue Kredite. Einfach ist das aber nur für Firmen bester Bonität mit guter Beziehung zur Hausbank. Fünf Wege, wie alle anderen an Geld für Geschäftsbetrieb und Investitionen kommen können.

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Die Erträge der Commerzbank sanken im Firmenkundensegment im ersten Quartal um zehn Prozent, die operativen Gewinne sogar um 46 Prozent. Dabei gilt die Finanzierung des Mittelstands als große Stärke der seit der Finanzkrise teilverstaatlichten Bank. Und der deutsche Mittelstand ist in der Regel treuer Kunde einer einzigen Hausbank.

72 Prozent der mittelständischen Unternehmen unterhalten lediglich ein bis zwei gewerbliche Bankverbindungen, hat die Finanzierungsplattform Compeon in einer Umfrage unter 300 Unternehmen verschiedenster Größenordnungen ermittelt.

Den Grund für den Rückgang im Geschäft mit der Unternehmensfinanzierung hatte der Commerzbank-Vorstand schnell ausgemacht: Zwar seien rund 1000 neue Firmenkunden gewonnen und das Kreditvolumen im deutschen Mittelstand sowie bei Großkunden gegenüber dem Vorjahr gesteigert worden. Durch den wachsenden Konkurrenzdruck hatte die Bank aber weniger daran verdient. „Das erste Quartal war geprägt vom Preiswettbewerb auf dem deutschen Markt und einer verhaltenen Nachfrage nach Kapitalmarktprodukten“, ließ der Vorstand verlauten. Im Klartext: Neue und alte Wettbewerber versuchen der Commerzbank mit günstigeren Kreditkonditionen Kunden abzujagen – und drücken so auf die Margen.

Wachstumsfeld Mittelstand
Es kommt Bewegung in das Geschäft mit der Finanzierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Banken unterliegen zum einen heute strengeren Vorschriften beim Risikomanagement im Kreditgeschäft als noch vor zehn Jahren. Niemals mehr sollen Banken vom Staat gerettet werden müssen, weil sie zu stark ins Risiko gehen. Zum anderen entdecken neue, auf Online-Plattformen basierende Finanzdienstleister das Kreditgeschäft im Mittelstand als aussichtsreichen Wachstumsmarkt – beispielsweise durch Anbietervergleiche oder Crowdfunding. Dabei profitieren sie von den niedrigen Refinanzierungskosten durch die historisch niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank.

Die neuen Mittelstandsfinanzierer kämpfen vor allem gegen die gewachsenen und dauerhaften Geschäftsbeziehungen mit der jeweiligen Hausbank der Unternehmen. Während die eine Hälfte der klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) die Finanzierung aus eigenen Mitteln schafft – im Jahr 2016 immerhin im Volumen von über 100 Milliarden Euro –, ist die andere Hälfte von externen Geldgebern wie Banken, Investoren oder alternativen Finanzierungsplattformen sowie Fördermittel und Beteiligungskapital abhängig. Die Mehrheit dieser Unternehmen versucht es zunächst bei der Hausbank. Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), kennt den Bedarf: „Gut eine halbe Million Mittelständler in Deutschland beantragen dort einen Kredit oder lassen sich dazu beraten. Ungefähr die Hälfte davon benötigt dabei Kredite bis zu einer Höhe von 60.000 Euro.“

In der Praxis fehlen Kreditvergleiche

Der Compeon-Studie zufolge vergleicht nur eins von vier klein- und mittelständischen Unternehmen umfangreich verschiedene Finanzierungsangebote. Drei Viertel machen dies gar nicht oder höchstens vereinzelt. „Das Festhalten am traditionellen Hausbank-Prinzip ist weit verbreitet – damit sind Unternehmer aber keinesfalls gut beraten“, sagt Nico Peters, Mitbegründer und Geschäftsführer von Compeon. „Der durchschnittliche Zinssatz für einen Kontokorrentkredit bei Unternehmen, die ein oder zwei Banken benutzen, lag in unserer Befragung bei sieben Prozent. Wer über drei und mehr Bankverbindungen verfügt, zahlt nur durchschnittlich 5,6 Prozent Zinsen.“ Mit schwächerer Bonität, so Peters, stiegen die Konditionen überproportional.

Allerdings ist die Bandbreite der Finanzierungskonditionen sehr groß. Jeder elfte Mittelständler zahlt weniger als 2,5 Prozent Zinsen, knapp zwei Drittel mehr als fünf Prozent, nahezu jedes siebte Unternehmen sogar mehr als zehn Prozent.

„Die Finanzierungssituation bei klein- und mittelständischen Unternehmen ist insgesamt gut. Vor allem Unternehmen guter und sehr guter Bonität sind heiß umworben“, sagt Carl-Dietrich Sander, Leiter der Fachgruppe Finanzierung-Rating im Bundesverband Die KMU-Berater. „Aber bei jungen und kleineren Unternehmen hakt es oft, weil ihre Bonität schlechter ist oder die Banken ganze Branchen wie etwa die Gastronomie komplett meiden.“ Ein Hauptproblem sind ihm zufolge fehlende Sicherheiten, also ein zu geringes Eigenkapital der Kreditnehmer.

Kreditantrag abgelehnt – ohne Angabe von Gründen

Sander kritisiert zudem die häufig anzutreffende Praxis, dass Banken Firmenkredite ablehnen, ohne dies zu begründen. Er schätzt, dass bei kleineren Unternehmen bis zu 20 Prozent der Kreditanfragen abgelehnt werden – und die meisten Unternehmen würden nicht einmal eine Begründung fordern. „Wenn ich Unternehmer auf Seminaren frage, wer denn das Bonitäts-Rating seiner Bank kennt, melden sich höchstens 20 Prozent der Anwesenden“, berichtet Sander.

Wer aber seine Bonitätseinstufung und auch die Ablehnungsgründe der Bank kennt, könne laut Sander oft schon mit relativ einfachen Maßnahmen seine Bonität und damit die Chance auf einen Bankkredit dauerhaft erhöhen. Zum Beispiel indem er sein Eigenkapital aufstockt oder seine hinterlegten Sicherheiten ausbaut.

Da die Risikoklassifikation bei den Banken zunehmend automatisiert auf der Betrachtung von Jahresabschlüssen und einem zu beantwortenden Fragenkatalog besteht, lohne es sich für Unternehmer genauso wie für die Banken, abgelehnte Kreditanträge zu begründen, um auch Missverständnissen vorzubeugen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Klappt es trotzdem nicht mit dem Kredit von der Hausbank, bieten sich alternative Finanzierungswege an. Sander hat dafür gleich mehrere Tipps parat.

Tipps zur Finanzierung für Mittelständler

1. Leasing

Statt hoher Anschaffungskosten für Fuhrpark oder Maschinen, zahlt der Unternehmer nur für Nutzung beziehungsweise Überlassung ein monatliches Entgelt an den Leasinggeber. Die Eigenkapitalquote des Unternehmens ändert sich nicht. Leasing ist somit bilanzneutral und schafft eine klare Kalkulationsgrundlage mit überschaubaren Raten. Dabei sind die Raten in Deutschland als Betriebsausgaben voll von der Steuer absetzbar. So schont Leasing die Liquidität der Unternehmer und auch das Eigenkapital.

Nachteil sind die teils ungewissen Restwerte und Kosten bei Rückgabe der geleasten Geräte. Auf die Vertragsgestaltung ist dabei genau zu achten, da zum Beispiel auch Nebenabreden zum Leasingvertrag zulässig sind, etwa die Rückgabe an einen fernen Ort.

2. Factoring

Factoring bietet sich vor allem für die Finanzierung des Umlaufvermögens an, also beispielsweise für die offenen Rechnungen des Händlers beim Lieferanten. Dabei werden die offenen Forderungen des Lieferanten (Kreditor) gegen den Schuldner (Debitor) an ein drittes Unternehmen (Factor) abgetreten. Der bezahlt den Kreditor sofort teilweise oder ganz – üblich sind 80 bis 90 Prozent der offenen Summe – und holt sich anschließend das Geld vom Debitor wieder. Dafür bekommt er Gebühren und Zinsen.

Der Vorteil: Die Bilanz verkürzt sich um Forderungen und Verbindlichkeiten und verbessert so Eigenkapitalquote und Liquiditätssituation. Das Ausfallrisiko der offenen Forderung geht dabei auf den Factor über. Insgesamt verbessert sich durch Factoring auch die Bonität des Unternehmens.

3. Online-Finanzierungsportale

„Das gute an den neuen Finanzierungsplattformen im Internet ist, dass sie bei Summen unterhalb von 100.000 Euro oft keine oder nur geringe Sicherheiten verlangen“, sagt KMU-Berater Sander. Kreditvermittler Peters bestätigt das: „Die Sicherheitenanforderungen unterschieden sich je nach Anbieter sehr stark – während klassische Universalbanken immer noch hohen Wert auf Sicherheiten legen, zeigen sich alternative Finanzierer aus unserer Sicht an dieser Stelle deutlich flexibler.
Die alternativen Finanzierer verzeichnen dabei ebenso niedrige Kreditausfallrisiken wie etablierte Banken. „Allerdings haben diese Anbieter in der Regel noch keine Erfahrungen mit Konjunkturdellen, weil sie noch keine zehn Jahre alt sind“, warnt Sander. Dann könnten die Online-Finanzierer Probleme bekommen.

Grundsätzlich seien diese Angebote aber für kleinere Kreditsummen sehr attraktiv, weshalb sie häufiger berücksichtigt werden sollten. Ein großer Vorteil ist dabei die bequeme Vergleichbarkeit der Konditionen online. Anbieter sind beispielsweise Kreditvermittler wie Fintura und Compeon oder Crowdlending-Plattformen wie Funding Circle oder Kapilendo. Das Angebot ist breit und meist auf Bedarf und Unternehmensgröße zugeschnitten.

4. Fördermittel

Fördermittel von Bund und Land können vielfältig helfen, die Finanzierungssituation von KMU zu entspannen. Unternehmen können in Deutschland dabei auf rund 1700 Förderprogramme zugreifen. Die Förderbanken sind die EiB auf EU-Ebene, die KfW und die landwirtschaftliche Rentenbank auf Bundesebene und 17 Förderbanken der Bundesländer sowie spezielle Bürgschaftsbanken. Die größten Fördertöpfe verwaltet die KfW.

Die Vorteile: Besonders zinsgünstige Kredite bis zu 25 Millionen Euro für Unternehmen mit bis zu 500 Millionen Euro Umsatz. Durch tilgungsfreie Jahre sind sie zudem besonders flexibel.

Der Nachteil: Die KfW-Förderkredite werden über die Hausbanken vermittelt, die ihrerseits in der Regel das Kreditrisiko tragen müssen. Daher verbessern die Förderkredite nicht die Bonität, sondern nur die Kreditkonditionen. Je größer der Kredit, umso eher lohnt sich das für den Kreditnehmer und die Hausbank.

5. Zweite Hausbank

Wer mehr als eine gewerbliche Bankverbindung unterhält, reduziert die Abhängigkeit. Voraussetzung ist allerdings, dass vorhandene Sicherheiten auf weitere Banken verteilt werden. Wer alle Sicherheiten bei seiner bisherigen Hausbank hat, sollte diese bitten, Sicherheiten im eigenen Interesse freizugeben, damit sich das Risiko auf mehrere Kreditgeber verteilen lässt. Traditionelle Hausbanken vor Ort wollen das jedoch oft nicht. Kreditnehmer sollten da aber durchaus selbstbewusst die Freigabe von Sicherheiten fordern.

Neben den genannten Alternativen gibt es auch Mischformen aus Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung (Mezzanine), zahlreiche Crowdfunding-Angebote und endlose, speziell auf bestimmte Bedürfnisse zugeschnitten Finanzierungsangebote.

Gründer weiter mit Finanzierungssorgen

Junge Unternehmensgründer und Start-ups haben es oft besonders schwer, Kredite zu bekommen, da sie normalerweise kaum Eigenkapital vorweisen können. Deshalb sind sie vor allem auf der Suche nach Investoren, deren Geld die Eigenkapitalbasis stärkt. Ausnahme: Beim ERP-Gründerkredit der KfW ist kein Eigenkapital erforderlich, die Förderbank unterstützt die Besicherung des Darlehens.

Das Vertragsverhältnis zu den Investoren ist dabei frei gestaltbar - und entsprechend voller Tücken. „Der BVMW fordert deshalb seit langem ein Wagniskapitalgesetz, das insbesondere die Finanzierung von Start-ups und innovativen Mittelständlern rechtssicher macht“, sagt BVMW-Präsident Mario Ohoven und empfiehlt: „Alternative Finanzierungswege etwa über Crowdfunding oder digitale Finanzdienstleistungen über die neuen Fintech-Plattformen sollten im Mittelstand viel stärkere Beachtung finden.“

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