Mittelstand Industriekonzern Zollern: Adel verpflichtet

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Auch im edlen Porsche stecken Quelle: dpa

Mag der Fürst bei Zollern allgegenwärtig wirken, regiert er doch nicht allein. Die Königsdisziplinen der Antriebs- und Fördertechnik werden mit bürgerlicher Hilfe nach vorn getrieben, wenn auch entschieden großbürgerlicher. Der Multi-Unternehmer Adolf Merckle (unter anderem Ratiopharm, Arzneigroßhandel Phoenix) ist seit 1989 mit 50 Prozent an der Zollern-Holding beteiligt. Dem offiziell einflusslosen – tatsächlich strategisch dominierenden – Zollern-Beirat, dem der Erbprinz vorsitzt, gehört Merckles ältester Sohn Ludwig an; es ist ein offenes Geheimnis, dass Merckle Zollern gern vollständig übernehmen möchte – allein, beim Erbprinzen stößt er auf Granit. Stattdessen sinnt der wohl selbst darüber nach, den Merckle-Anteil zurückzukaufen. So treiben sie die Gruppe gemeinsam voran – das im vergangenen Jahr verabschiedete Investitionsprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro wäre ohne Kapitalkraft von Merckle kaum zu stemmen gewesen.

Die Idee, den umtriebigen Unternehmer an Bord zu holen, hatte noch Karl Friedrichs Vater Friedrich Wilhelm. Die Gruppe brauchte einen kapitalstarken Partner. Die Banken pochten darauf. Vorher waren die Geschäfte des Hauses eher märchenhaft von einer „Fürstlich-Hohenzollerschen Hüttenverwaltung“ besorgt worden und von eher wechselhaftem Erfolg gekrönt. Über allen Aktivitäten – inklusive der Verwaltung des riesigen, 15.000 Hektar umfassenden Waldbesitzes – wachte damals noch ein leibhaftiger „Hofkammerpräsident“. Den schaffte der Erbprinz ab. Der mittlerweile 56-jährige Diplomkaufmann – der eigentlich Ingenieur werden wollte, dann aber in Fribourg auf Wirtschaft studierte und sein Zahlengedächtnis bei Banken, auch drei Jahre in New York, schärfte – übernahm 1987 das Erbe seines Vaters, krempelte das archaische Unternehmen um und begann, zusammen mit den Merckles ein profitables Unternehmen zu schmieden.

Unternehmen "gut in die nächsten Jahrhunderte führen"

Kann es Schöneres geben, als nach dem Kaffee im Burgsalon von hohen Zinnen hinabzusteigen, sich einen Wagen aus dem Fuhrpark zu schnappen – einen BMW oder einen Porsche 911, Baujahr 1973 – und ins Werk Laucherthal zu preschen, um nach dem Rechten zu sehen?

Wenn es im BMW durch das sonnige Sigmaringen geht, hin zum Stammwerk – entlang der Donau, vorbei an Siedlungen der Zollern-Beschäftigten und der früheren Residenz der Bergwerkdirektoren —, dann legt der Fürst eine DVD von „Charly and the Jivemates“ ein. Dort singt eine rauchige Stimme Balladen, begleitet von einem Saxophonisten: Es ist der Erbprinz selbst, der einst die Jazzhochschule in Bern besuchte und heute noch gern zum Sax greift. Wenn er nicht gerade im Maschinenbaugeschäft mitmischt, tritt er mit seiner Band auf, im von vulgären Ausschweifungen weitgehend freien Nachtleben von Stuttgart. Gelegentlich tutet er bei Stadtfesten von Sigmaringen mit, das ist dann eine Sensation für die Einheimischen, die sich immer wieder ungläubig fragen: Wohnt er tatsächlich da oben auf der Burg? Ja, lautet die Antwort, und das eigentlich schon immer. Schon seine Mutter hat ihn von droben als kleinen Jungen mittags zum Essen gerufen.

Mittlerweile lebt Karl Friedrich mutterseelenallein auf Burg Sigmaringen, von Frau und Kindern getrennt – um ihn herum neben alten Gemälden nur alte Saxophone, Charts der Firma und die Zugluft des Schlosses. Wenn der norddeutsche Butler mit dem aufgewärmten Abendessen über den roten Teppich der Fürstenwohnung eilt, blickt der Prinz zufrieden auf das Erreichte und prophezeit: „Die Hohenzollern wachsen.“ Soll keiner glauben, dass das Fürstengeschlecht und seine Firma zum alten Eisen gehören.

Und wenn Seine Durchlaucht einen Blick in die Zukunft richtet, dann nicht wie ein als Heuschrecke geschmähter Finanzinvestor auf das nächste oder übernächste Nahziel, ein Quartal vielleicht oder zwei, sondern weit darüber hinaus: „Wir achten darauf, dass wir dieses Unternehmen gut in die nächsten Jahrhunderte führen.“ Darunter macht es ein Hohenzollern nicht.

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