
„Mittelstand beklagt fehlende Bildung der Azubis“, „Nachwuchswerbung: Mittelstand hat es schwer“ oder „Jeder vierte Mittelständler hat Probleme mit einer geeigneten Nachfolge“. Schlagzeilen wie diese zeichnen ein klares Bild: Egal ob Auszubildender, Fachkraft oder künftiger Chef, Deutschlands Mittelständler sorgen sich ums Personal.
Zwei Entwicklungen machen Unternehmen zu schaffen: die Digitalisierung und der Fachkräftemangel. Dabei beißt sich die Katze in den Schwanz: Denn nicht nur, dass der Programmierer in Rente geht und einfach niemand nachrückt – es entstehen auch im Minutentakt neue Anforderungen. Universitäten und Fachhochschulen kommen mit dem Ausbilden kaum noch hinterher.
Die zehn besten deutschen Mittelständler
Um die Wachstumsstärke der mittelständischen deutschen Weltmarktführer zu vergleichen, bedient sich die WirtschaftsWoche eines Indexes des Ökonomen David L. Birch vom Massachusetts Institut of Technology in der Nähe von Boston. Dieser nach ihm benannte Index multipliziert den absoluten Umsatzzuwachs mit dem prozentualen. Das relativiert sowohl das prozentuale Wachstum junger Betriebe als auch das absolute Wachstum bereits großer Unternehmen.
Basis des Indexes waren im Ranking die Jahre 2002 bis 2012.
Branche: Maschinenbau
Mitarbeiter 2012: 1676
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 225,20/682,40
Durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 11,72 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1385,4
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Dentalindustrie
Mitarbeiter 2012: 2979
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 284,00/814,56
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 11,11 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1521,7
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: IT/ Software
Mitarbeiter 2012: 689
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 3,35/73,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 36,22 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1547,7
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Logistik
Mitarbeiter 2012: 2000
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 335,24/934,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 10,8 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1671,4
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Automatisierungstechnik
Mitarbeiter 2012: 2200
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 78,00/408,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 17,95 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1712,0
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Maschinenbau
Mitarbeiter 2012: 3700
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 104,04511,70
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 17,27 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 1996,3
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Agrartechnik
Mitarbeiter 2012: 2432
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 250,00/858,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 13,12 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2083,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Sicherheitskameras
Mitarbeiter 2012: 336
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 3,00/81,60
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 39,14 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2137,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Schiffbau
Mitarbeiter 2012: 1400
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 300,00/984,90
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 12,6 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2248,5
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Branche: Automobilzulieferer
Mitarbeiter 2012: 4000
Umsatz im Geschäftsjahr 2002/2012 (in Mio. Euro): 179,90/780,00
durchschnittliches jährliches Wachstum über zehn Jahre: 15,80 Prozent
Birch-Index² (prozentuales mal absolutes Wachstum): 2601,9
Quellen: Bundesanzeiger, eigene Schätzungen, Datenbank Weltmarktführer
Während große Unternehmen mit attraktiven Karrieremöglichkeiten und großen Werbeetats im Rennen um die besten Köpfe bessere Chancen haben, bekommt der Mittelstand den Mangel besonders zu spüren. Das zeigt das aktuelle Mittelstandsbarometer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY.
Freiberufler wenig verbreitet
Mehr als die Hälfte sieht die Entwicklung des eigenen Betriebs bedroht, weil zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Laut EY entstehen dadurch Umsatzeinbußen von 36,5 Milliarden Euro pro Jahr, weil Aufträge nicht fristgerecht erledigt oder erst gar nicht angenommen werden können.
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Eine Möglichkeit, Fachkräfteengpässe und Planungsunsicherheiten zu umgehen, kann der Einsatz von Freiberuflern sein. Doch viele Unternehmen zieren sich: Laut einer Umfrage des Personaldienstleister Hays und dem Marktanalyseunternehmen PAC unter 225 Fachbereichsleitern in mittleren und großen deutschen Unternehmen setzen nur zehn Prozent externe Mitarbeiter ein, die sie bei sich verändernden Bedingungen ganz einfach wieder loswerden könnten. 16 Prozent sagen sogar, dass der Einsatz von Freelancern ihnen zwar helfen könnte, ihre Probleme zu lösen - beauftragt habe man aber trotzdem keine.





Michael Moser kennt die Gründe für die Zurückhaltung. „Der Mittelstand kennt die Beschäftigungsform des Freiberuflers weniger“, sagt der Geschäftsführer der auf IT- und Engineering-Freelancer spezialisierten Personalagentur Gulp. „Große Unternehmen arbeiten hingegen seit Jahren mit Freelancern zusammen.“ Laut Moser arbeitet nur rund jeder fünfte Freiberufler für kleine Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern. „Dieser Wert schwankt immer ein wenig, die Tendenz ist aber steigend.“ Zum Vergleich: Die Hälfte der Freelancer arbeitet bei größeren Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern. Die Kleinen haben Nachholbedarf.
Je größer ein Unternehmen ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es Freelancer einsetzt. „Wir beschäftigen Freiberufler, wenn interne Kapazitäten so ausgelastet sind, dass wir Aufträge oder Zuarbeiten extern vergeben“, sagt Frank Jordan aus der Personalabteilung von Phoenix Contact aus Blomberg. „Teilweise holen wir uns damit auch Experten-Know-how an Bord.“ Zudem sei in der Weiterbildung die Besetzung der Referentenplätze mit Externen eine gewohnte Praxis.
Wo der Mittelstand sein Geld anlegt
Immerhin 86 Prozent aller Mittelständler lassen ihr Geld auf dem eigenen Konto liegen. Allerdings ihr Anteil deutlich gesunken. Im Vorjahr waren es noch 97 Prozent.
Quelle: Studie zum Finanzanlageverhalten und Finanzanlagebedürfnis mittelständischer Unternehmen von der Fachhochschule des Mittelstands
Auch beim Festgeld sind heutzutage keine hohen Zinsen mehr zu erwarten. Entsprechend sinkt die Nachfrage. Nur noch 82 Prozent legen ihr Geld mit Festgeldkonten oder Termineinlagen an, im Vorjahr waren es 87 Prozent.
Diese Anlageform hat im vergangenen Jahr rasant an Beliebtheit gewonnen. Mit 42 Prozent investierte fast jeder Zweite Mittelständler in Rentenfonds, im Vorjahr waren es gerade einmal 17 Prozent.
Wenn das Risiko steigt, hilft oft nur eine Differenzierung des Portfolios. Gemischte Fonds sind für 31 Prozent eine geeignete Anlageform (Vorjahr: 10 Prozent).
Während die Zinsen stagnieren, erreichen einige Aktienindizes neue Rekordhöhen. Darum wagen sich nun auch die Mittelständler an die Beteiligungen - 23 Prozent investieren in derartige Anlagen.
Auch die Geldmarktfonds sind wieder etwas stärker gefragt als im Vorjahr. Hier investieren 18 Prozent aller befragten Mittelständler.
Die stagnierenden Wechselkurse sorgen für Verunsicherung. Keine Anlageform hat darum beim Mittelstand mehr Vertrauen eingebüßt. Nur noch 10 Prozent legen hier ihr Geld an, im Vorjahr waren es noch 31 Prozent.
Die Immobilienkrise hat ihre Spuren hinterlassen. Nicht umsonst fragte kein einziger Mittelständler im Vorjahr nach Immobilienfonds. Dieses Jahr sind es immerhin rund zehn Prozent. Beruhigt sich die Lage?
Die Nachhaltigkeit bleibt auch bei der Geldanlage ein Trend - und wird damit auch interessant für den Mittelstand. Nach 5 Prozent im Vorjahr investiert mittlerweile jeder Zehnte Mittelständler in nachhaltige Geldanlageformen.
Gleiches gilt für die alternativen Anlagen, die vor allem in Niedrigzinsphasen an Attraktivität gewinnen. Sieben Prozent legen hier ihr Geld an, im Vorjahr waren es vier Prozent.
Auch die Garantiefonds sind zurück. Noch im Vorjahr hatte kein befragter Mittelständler in derartige Produkte investiert. Dieses Jahr sind es immerhin 7 Prozent.
Mit seinen weltweit 14.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 1,8 Milliarden Euro gehört der Automatisierungsspezialist zu den größeren mittelständischen Unternehmen. Die Zusammenarbeit mit Freelancern ist hier keine Seltenheit – aber nicht in jedem Bereich. „Wir beschäftigen Freiberufler im IT- und Web-Umfeld, im Bereich Werbung und Gestaltung sowie im Bereich Recht“, sagt Personaler Jordan. „Finanzen, Entwicklung und Vertrieb sind Bereiche mit hoher Vertraulichkeit, deswegen werden hier keine Freelancer eingesetzt.“