Mittelstand Mittelstand: Mit exotischen Produkten zum Erfolg

Schnupftabak, Superseile, Flüssigkeitslogistik: Deutschlands Mittelständler lassen sich von der Krise nicht schrecken. Sie sind kreativ und erobern mit extravaganten Ideen den Weltmarkt.

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Wolfgang Funk

Edelstahlnetze, die vor Schneeleoparden schützen, der Transport flüssigen Heliums über Land, Schnupftabak mit Aprikosenduft: Was aus dem Kuriositätenkabinett des Briten Ben Schott zu stammen scheint, ist in Wirklichkeit ein Schlüssel zu unternehmerischem Erfolg.

Im vorigen Heft präsentierte die WirtschaftsWoche exklusiv die 100 wachstumsstärksten deutschen Unternehmen von 2001 bis 2010 (Hier kaufen!) mit einem Umsatz von 50 Millionen bis eine Milliarde Euro, die weltweit eine führende Rolle spielen. Zu ihnen zählen nicht nur Maschinenbauer, Elektrotechniker oder Autozulieferer. Eine Reihe der Champions verdankt ihre Umsatzsprünge auch ausgesprochener Exotik für die es weltweit nur wenig Konkurrenz gibt.

Mit einem uralten Produkt zum Global Player

Süßen im Kreis Göppingen, zwischen Stuttgart und Ulm, besitzt mit seinen etwas mehr als 10 000 Einwohnern fast alles, was ein Ort in dieser Region so braucht: fleißige Einwohner, viele Kinder, schmucke Fachwerkhäuser, eine Burg und einen Weltmarktführer. Der heißt Carl Stahl und ist mit einem uralten Produkt ein Global Player geworden – mit Seilen.

WirtschaftsWoche Die besten Mittelständler 2013

Das Unternehmen, seit zwei Generationen im Besitz der Familie Schwenger, gehört zu jenen 100 wachstumsstärksten Mittelständlern Deutschlands, die auf dem Weltmarkt eine führende Rolle spielen. Die Schwaben steigerten von 2001 bis 2010 den Umsatz um 85 Prozent. Als ihr angestammtes Geschäft wegbrach, gelang ihnen ein Technologiesprung, der sie bei High-Tech-Seilen binnen weniger Jahre an die Weltspitze katapultierte.

1880 als Seilerei gegründet, entwickelte sich der Handwerksbetrieb bis in die Siebzigerjahre zu einem feinen, aber kleinen Unternehmen mit 25 Mitarbeitern, das sich auf Seil- und Hebetechnik spezialisierte. Den meisten Umsatz brachte die Bauindustrie mit ihren damaligen Seilbaggern. Der Verschleiß an Stahlseilen war enorm und die Einnahmequelle sicher.

Doch die versiegte Anfang der Achtzigerjahre plötzlich. Aus den Seilbaggern wurden Hydraulikbagger, und für die Carl Stahl GmbH brach der wichtigste Markt weg. Was für manche Unternehmen das Ende war, war für den Familienbetrieb der Start eines kometenhaften Aufstiegs. Aus den 25 Mitarbeitern sind 1475 geworden, die im vergangenen Jahr weltweit einen Umsatz von 268 Millionen Euro erwirtschafteten.

Feinseile brachten den Durchbruch

"Wir haben uns damals vorgenommen, möglichst viel von dem anzubieten, was in der Seil- und Hebetechnik möglich ist", sagt Geschäftsführer Wolfgang Funk. Also entwickelten die Ingenieure so ziemlich alles, was zum Heben, Ziehen, Verbinden und Verknüpfen notwendig ist: von Drahtseilen über Textilschlingen bis zu Kransystemen und Schutzausrüstungen für Höhenarbeiter sowie Industriekletterer.

Ein technischer Quantensprung, die sogenannte Feinseiltechnologie, auf die sich das Unternehmen seit 1985 verlegte, brachte schließlich den großen Durchbruch. Die neue Sparte produziert heute technische Seile unter anderem für die Medizintechnik, die Elektronik-, Unterhaltungs- und die Automobilindustrie. Das dünnste Seil hat einen Durchmesser von 0,18 Millimeter, besteht aus 49 Einzeldrähten, die dünner sind als das menschliche Haar, und wird vor allem in der Medizintechnik eingesetzt. "Bei den Feinseilen", sagt Geschäftsführer Funk, "sind wir Weltmarktführer." Allein 15 Millionen Euro Umsatz macht das Unternehmen damit.

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