




Leicht steigende Zinsen haben die deutschen Großkonzerne bei der Vorsorge für die Betriebsrenten im vergangenen Jahr entlastet. Die Pensionsverpflichtungen der börsennotierten Unternehmen im Leitindex Dax seien um 2,4 Prozent auf 364 Milliarden Euro zurückgegangen, berichtete die Unternehmensberatung Willis Towers Watson am Dienstag in Frankfurt aus ihrer jährlichen Studie.
Der Effekt könnte sich in den ersten Monaten des Jahres allerdings schon wieder umgekehrt haben, sagte Thomas Jasper, einer der Autoren der Studie. Je niedriger die Zinsen, desto mehr müssen viele Unternehmen für die Betriebsrenten ihrer Mitarbeiter zurücklegen.
Der Zeitwert der Pensionslasten in den Bilanzen schwankt abhängig von der Verzinsung erstrangiger Unternehmensanleihen. 2015 war die Kennziffer auf 2,4 von 2,15 Prozent gestiegen. Ein Jahr zuvor waren die Pensionsverpflichtungen wegen der Dauer-Niedrigzinsen so stark nach oben gegangen wie nie - doch führte der Boom an den Börsen gleichzeitig dazu, dass die angelegten Pensionsvermögen 2014 zwölf Prozent Rendite abwarfen und entsprechend stiegen.
Im vergangenen Jahr erzielten die Dax-Unternehmen nur noch eine Rendite von 1,3 Prozent. Dabei legen sie der Studie zufolge 22 Prozent des Vermögens in Unterstützungskassen, Pensionskassen und Pensionsfonds in Aktien an - deutlich mehr als etwa Lebensversicherer.
Die in der Studie betrachteten Unternehmen schossen 2015 zusammen 9,9 (2014: 10,6) Milliarden Euro zusätzlich in die Pensionsvermögen ein. Am meisten legte Daimler zurück: 1,9 Milliarden Euro. Für viele Konzerne hat das steuerliche Vorteile.
Anders als im Ausland müssen deutsche Unternehmen das Geld für die Betriebsrenten aber nicht in Pensionskassen oder Pensionsfonds parken und anlegen. Sie können die Verpflichtungen alternativ auch mit Rückstellungen in der Bilanz absichern. 2015 waren 65 (2014: 61) Prozent der Pensionsrückstellungen der Dax-Unternehmen ausfinanziert, international liegt die Quote mit 82 Prozent weit höher. Allerdings schwanken die Quoten zwischen 101 (Deutsche Bank ) und vier Prozent (Vonovia ). "Der Ausfinanzierungsgrad ist kein Qualitätsmerkmal", erläuterte Jasper. Die deutschen Großkonzerne seien bei der Betriebsrente "sehr, sehr gut aufgestellt".
Anspannung im Mittelstand
Bei mittelständischen Unternehmen bleibt die Lage dagegen angespannt. Grund sind andere Vorschriften für die Rechnungslegung, denn sie stellen ihre Bilanzen meist nach den Regeln des deutschen Handelsrechts (HBG) auf. Der Rechnungszins laut HGB richtet sich nach dem Durchschnitt der jeweils sieben zurückliegenden Jahre und reagiert daher zeitlich verzögert auf die Marktsituation.
Rentenprognosen für 2040
Die vorliegenden Berechnungen stammen aus der Studie "Rentenperspektiven 2040" von Prognos. Die Prognosen beziehen sich jeweils auf zwei Kreise im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Berechnet wurden jeweils die durchschnittliche Bruttorente für sechs typisierte Erwerbsbiografien. Erwerbslücken aufgrund von Kindererziehungszeiten weisen in diesem Beispiel zwei Erwerbsbiografien auf. Gerechnet wurden die Prognosewerte ohne Inflationsanpassung, das heißt nach dem Preisniveau in Euro aus dem Jahr 2015 um die Zahlen mit heutigen Werten vergleichbar zu machen. Nominal dürften die zukünftigen Renten und Einkommenshöhen 2040 entsprechend höher liegen. Der Kaufkraftvergleich steht im Zentrum der Betrachtung.
Stand: 12.11.2015
Bruttorente (€) | Bruttorentenniveau |
1678 | 38,90 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hamburg | 2726 | 2383 | 33,5 % |
Schwerin | 2291 | 2343 | 33,6 % |
Bund | 2597 | 34,0 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Halle | 2045 | 2158 | 35,8 % |
Saalekreis | 2191 | 2463 | 34,4 % |
Bund | 2324 | 36,9 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Berlin | 1451 | 1369 | 35,3 % |
München | 1452 | 1113 | 34,4 % |
Bund | 1456 | 35,4 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hildesheim LK | 1083 | 1174 | 52,0 % |
Konstanz LK | 1086 | 1026 | 50,9 % |
Bund | 1095 | 50,8 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hohenlohekreis | 2579 | 2658 | 34,1 % |
Merzig-Wadern | 2391 | 2439 | 35,5 % |
Bund | 2366 | 33,6 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Bonn | 1611 | 1506 | 42,1 % |
Köln | 1620 | 1473 | 41,8 % |
Bund | 1612 | 39,7 % |
Der HGB-affine Mittelstand leidet besonders unter den niedrigen Zinsen, weil diese die Finanzierungskosten für Betriebsrenten und betriebliche Altersvorsorge stark steigen lassen. Thomas Jasper und Alfred Gohdes von Willis Towers Watson sehen die jüngsten HGB-Reformen zur Entlastung des Mittelstands zwar als Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem müsse mehr getan werden, denn das strukturelle Problem sei nicht gelöst.
So leidet etwa der CD-Hersteller EDC aus Hannover nicht nur unter sinkender Nachfrage nach seinen Produkten, sondern auch unter höheren Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen. Der CD-Pionier hat gerade angekündigt, seine wirtschaftlichen Probleme durch eine Sanierung in Eigenregie lösen zu wollen, um einer drohenden Insolvenz vorzubeugen.