Mittelstand Wie Mittelständler Geld richtig investieren

Trotz Bankenkrise und Konkjunkturschwäche sitzen viele Mittelständler auf Millionen, die sie an den Finanzmärkten investieren – nicht immer optimal.

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Delticom Finanzchef Schuhardt legt das Geld ausschließlich in Geldmarktanlagen an

"Aktien würde ich heute nicht mehr machen", sagt Peter Magowsky, der seit 25 Jahren ein Warenhandelsgeschäft führt. Der Unternehmer aus Lemgo, der sein Geld mit einem Rest- und Sonderpostenhandel, der alles vom Becher Joghurt bis zur Badelatsche als Wiederverkäufer im Sortiment hat, verdient, ist ein gebranntes Kind: In der Börseneuphorie des Jahres 2000 war er das Risiko eingegangen und hatte sich Aktien ins Depot gelegt, die danach deutlich an Wert verloren. „Jetzt muss ich das aussitzen“, sagt Magowsky, der rund 100 Mitarbeiter in seinem Zentrallager in Lemgo, zwölf Filialen im Umkreis und dem eigenen Fuhrpark beschäftigt.

Statt auf die Börse und ihre Gewinnchancen zu setzen, ist Magowsky heute ein garantierter Zinssatz wichtiger – auch wenn die Rendite in der Regel bescheidener ist. Er setzt vor allem auf kurzfristige Geldanlagen mit Laufzeiten von vier bis zwölf Wochen, legt aber auch Teilbeträge für ein Jahr an: „Ich brauche immer die Option, Geld abrufen zu können, um eine neue Filiale zu eröffnen oder Fahrzeuge zu kaufen.“

So wie Magowsky geht es zahlreichen Unternehmern: Laut einer Studie der Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld und der Commerzbank ist jeder zweite deutsche Mittelständler im Finanzmarkt engagiert. „Im Rahmen des Aufschwungs haben viele Unternehmen einen guten Cash-Flow erzielt und investieren nicht nur in Maschinen und Anlagen, sondern legen Geld auch vorübergehend in Finanzanlagen an“, sagt Reinhard Kudiß, Konjunkturexperte des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

Anlagemöglichkeiten für die Überschüsse

Da die Betriebe die anstehenden Investitionen während der guten Jahre bereits getätigt haben, suchen sie nun nach Anlagemöglichkeiten für ihre Überschüsse. „Viele Unternehmen verfügen jetzt über eine sehr gute Liquiditätsposition“, sagt auch Wilhelm von Haller, Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland bei der Deutschen Bank.

Tatsächlich sind die Summen, die Mittelständler anlegen, beachtlich. Der Durchschnittswert der Anlagen von Mittelständlern beträgt laut Commerzbank-Studie immerhin 1,8 Millionen Euro. Anlagen und liquide Mittel addiert, ergibt sich sogar ein Durchschnittbestand von 2,75 Millionen Euro. Immerhin investieren elf Prozent der Befragten über fünf Millionen Euro in den Finanzmarkt.

Auch die zeitliche Bindung der Anlagen überrascht. Zwar will der größte Teil der Mittelständler über sein Geld nach drei Monaten wieder verfügen, doch jeder Vierte legt sein Geld über mehr als zwölf Monate an, jeder Zehnte parkt seine Liquidität sogar länger als fünf Jahre.

Der Mittelstand als Krösus, der sich fragt, wie er das viele Geld anlegen soll – die Commerzbank-Studie eröffnet eine völlig neue Perspektive. Bislang bestimmten die Klagen des Mittelstandes über die Knausrigkeit der Banken bei der Kreditvergabe und die Folgen der aktuellen Finanzkrise für die Kreditfinanzierung das öffentliche Bild. „Der Mittelstand gilt allgemein als liquiditätsschwach, doch damit wird man ihm nicht gerecht“, sagt Volker Wittberg, Professor an der Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld, der die Studie wissenschaftlich betreute. Die Tatsache, dass die Durchschnittgröße der einzelnen Transaktionen 324.000 Euro betrage, spreche für sich.

Warenhändler Magowsky hat sein Geld kurzfristig angelegt Quelle: Stefan Kröger für WirtschaftsWoche

Bereiten nun Konjunkturabschwung und Finanzkrise der Investitionslust der Mittelständler ein Ende? Bislang noch nicht. Wittberg geht davon aus, dass die Mittelständler in der ersten Phase ihre Investments sogar aufstocken. „Viele arbeiten zu Beginn des Konjunkturabschwungs noch alte Aufträge aus dem Hoch ab, bekommen dadurch Liquidität, die sie dann aber wegen der lauen Konjunktur nicht mehr in Maschinen, Material oder Gebäude investieren.“ Doch schon im kommenden Jahr, wenn mangels Aufträgen die Einnahmen ausblieben, könne es zu einem Abschmelzen des Anlagevolumens kommen.

Veränderungen spüren die Banker bereits beim Anlageverhalten. Die Finanzkrise hat die Mittelständler verunsichert – auch wenn die Orderbücher noch voll und die Margen noch stabil sind. „Die wollen es jetzt noch genauer wissen“, sagt ein Frankfurter Banker, „und alles, was zu kompliziert ist, löst mehr Misstrauen aus als früher.“

Doch wenige Mittelständler wollen radikal umschichten. Termineinlagen und Festgeld sowie Sichteinlagen bleiben die Renner. Halten bis jetzt acht Prozent der befragten Mittelständler Aktien, so wollen künftig nur noch sechs Prozent in Aktien investieren. Die Zahl der Anhänger von Garantiefonds vervierfachte sich auf acht Prozent, in Zertifikate wollen elf Prozent der Befragten gehen – etwa doppelt so viel wie bisher. „Das Risiko wird breiter gestreut“, sagt Wittberg.

Mittelständler sind als Anleger eine eigene Klasse: weniger professionell als die Assetmanager der Konzerne, weniger spekulativ als Kleinanleger. Kleine und mittlere Unternehmer

wollen vor allem Sicherheit und verzichten lieber auf Rendite, als dass sie ihr Kapital gefährden, wollen jederzeit Zugriff auf ihre Anlage behalten, lieben unkomplizierte Deals und Pro-dukte, sehen ihre Anlagen häufig nur als lästiges Beiwerk, das vom Kerngeschäft ablenkt, und finden sich aber nur schwer damit ab, dass sie mit ihrer Geldanlage nicht die gleiche, oftmals dicke Rendite erzielen wie im eigenen Unternehmen.

Sicherheit. Franz Schuhardt, Finanzvorstand des Online-Reifenhändlers Delticom aus Hannover, will sich mit vielversprechenden, komplizierten Geldanlagen erst gar nicht abgeben. „Wir legen unser Geld ausschließlich in Geldmarktanlagen an, weil wir der Überzeugung sind, dass unsere Hauptaufgabe der Vertrieb von Reifen und nicht das Anlagegeschäft ist“, sagt Schuhardt.

Dabei hat das Unternehmen, das 2002 auf der Grundlage von Risikokapital entstand, immer wieder durchaus größere Geldmengen anzulegen. So flossen dem Pneuverkäufer Ende 2006 auf einen Schlag 30 Millionen Euro zu. Schuhardt bleibt trotz der großen Summen vorsichtig: „Wir gehen keine Risiken ein, die wir nicht handhaben können.“ Um stets gut bei Kasse zu bleiben, investiert der Reifenverkäufer das Geld nie länger als zwölf Monate. Die mittlere Laufzeit liegt bei sechs Monaten.

Wie Schuhardt halten es viele kleine und mittlere Unternehmen. Festgeld und Termineinlagen sind der Anlagehit für Mittelständler. 75 Prozent der mittelständischen Anleger entscheiden sich wegen der geringen Risiken und schnelleren Verfügbarkeit des investierten Geldes für diese Anlageform.

Damit fahren sie derzeit vergleichsweise gut. Unternehmer, die 10.000 Euro übrig haben, können aktuell immerhin mit knapp fünf Prozent pro Jahr rechnen, wenn sie ihr Geld für drei Monate auf einem Festgeldkonto parken.

Nicht alle Mittelständler sind damit zufrieden. Im Durchschnitt erwarten die Befragten der Commerzbank-Studie eine Rendite von rund sechs Prozent. Doch die sind mit den sicheren Klassikern wie Tagesgeld, Festgeld oder Geldmarktfonds nicht zu haben, auch wenn die kurzfristigen Zinsen mit bis zu fünf Prozent in diesen Wochen recht hoch liegen.

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„Wer mehr Rendite erreichen will, kommt mit Standardlösungen nicht zum Ziel“, sagt Frank-Oliver Wolf, Leiter des Zins-, Anlage- und Währungsmanagements im Firmenkundengeschäft der Commerzbank. „Da muss die Bank schon den Cash-Flow des Unternehmens über einen gewissen Zeitraum kennen und eine langfristige strategische Finanzplanung aufstellen.“

Zugriff auf das Geld. Doch zu so viel Planung sind viele Mittelständler nicht bereit: Fast jeder Firmenkundenberater bei Banken oder Sparkassen kennt Festgeldkonten, die über Jahre hinweg Monat für Monat verlängert werden, weil die Anleger fürchten, im folgenden Monat das Geld zu brauchen.

Weil Mittelständler sich oft mehr um die Liquidität als um die Rendite sorgen, schöpfen sie ihre Risikotragfähigkeit häufig nicht aus. „Wenn ein Unternehmer ständig Termingelder hält, heißt das ja, dass er kurzfristige Zinsen langfristig höher bewertet als langfristige Zinsen“, sagt Norbert Pachl, Produktmanager für das Unternehmensgeschäft der Landesbank Baden-Württemberg.

Eine Fehleinschätzung, die einem Unternehmer nicht passieren sollte. „Wer dauernd Termingelder hält, der spekuliert gegen den Markt“, sagt Pachl. Sinnvoller sei es, kurzfristigen Geldbedarf über Darlehen abzudecken, gerade dann, wenn deren Zinsen niedriger ausfallen als die langfristigen Kapitalmarktzinsen. Eine andere Taktik besteht darin, das Geld nicht über ein Jahr zu binden, sondern in monatlich versetzten Tranchen anzulegen. So ist immer ein Zwölftel der Liquidität verfügbar, weil jeden Monat Festgeld fällig wird.

Schnelle Deals. Klaus Lünnemann ist Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens für Messe- und Präsentationssysteme aus Ibbenbüren. Sein Hauptgeschäft macht er im Frühjahr und im Herbst zur Hauptmessezeit. Geld kommt aber auch zwischendurch herein. Deshalb parkt er einen Teil seiner Einnahmen als Tagesgeld – in der Regel zwei bis drei Monate. Dabei kommt es ihm bei den Zinsen nicht nur auf den letzten Prozentpunkt hinter dem Komma an. Entscheidend ist aus seiner Sicht auch der mit der Anlage verbundene organisatorische Aufwand. „Wenn das mit einem kurzen Telefonat erledigt ist, dann ziehe ich das schon vor“, sagt er, „eine gute Kommunikation ist da wichtig in beide Richtungen.“

Unkompliziert muss die Anlage sein

Doch das bedeutet nicht, das Lünnemann die Angebote seiner drei Hausbanken ohne Verhandlung akzeptiert. „Bei uns geht es ja nicht um dreimal im Jahr 200.000 Euro, sondern um einmal“, sagt Lünnemann, „aber die Banken konkurrieren darum.“ Lünnemann achtet stets darauf, liquide zu bleiben. Obwohl sein Unternehmen mit einer komfortablen Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent gut dasteht, lehnt er die Festgeldangebote seiner Banken mit Laufzeit von einem Jahr immer wieder ab.

Wie Lünnemann halten es viele Mittelständler. Unkompliziert muss die Anlage sein, sowohl in der Organisation wie in ihrer Struktur. Finanzprodukte, die nur schwer verständlich sind, lösen bei Mittelständlern Misstrauen aus. „Wir legen nur in solche Produkte an, die sich schon auf dem Markt bewährt haben“, sagt Delticom-Finanzvorstand Schuhardt, „was nutzt uns eine neuartige steueroptimierte Anlage, wenn die Konstruktion anschließend vom Finanzamt zerlegt wird.“

Banker vergessen oft, dass anders als bei Großkonzernen, die ganze Hundertschaften von Finanzleuten beschäftigen, Mittelständler das Anlagegeschäft gleichsam nebenher erledigen. „Die Kapitalanlage wird häufig geradezu als lästig empfunden, weil sie nicht zur Kernkompetenz des Unternehmers gehört“, sagt Experte Pachl von der Landesbank Baden-Württemberg. Doch letztendlich müsse sie wie jede andere Investition des Unternehmens geplant werden. Häufig träumten Unternehmer – wie private Gelegenheitsspekulanten – vom heißen Finanztipp, um dick Kohle zu machen. „Doch den heißen Tipp gibt es nicht“, betont Pachl.

Risiko. Denn trotz der weitverbreiteten Vorsicht der Mittelständler gilt auch: Eine nennenswerte Gruppe von mittelständischen Anlegern hat sehr ehrgeizige Renditeziele. Auf die Frage nach der erwarteten Rendite gaben immerhin 13 Prozent der Befragten der Commerzbank-Studie an, dass sie eine Rendite von weniger als zehn Prozent als zu gering betrachteten. „Der Unternehmer ist es gewohnt, Risiken einzugehen“, sagt Jürgen Böhmer, Anlagespezialist der Raiffeisenbank Kleinwalsertal. Dieses Risikoverständnis setze so mancher Firmeninhaber auch bei der Kapitalanlage ein. Ein Firmeninhaber, der in seinem Unternehmen eine Eigenkapitalrendite von zehn Prozent erreicht, tue sich schwer damit, bei einer Kapitalanlage maximal fünf Prozent zu akzeptieren.

Ein Denkfehler, denn im Gegensatz zur Investition unterliegt die Kapitalanlage nicht dem direkten Einfluss des Unternehmer und basiert auch nicht auf seinen Marktkenntnissen. „Die Kapitalanlage soll doch nur die Liquidität ertragreich und sicher parken, bis sie für andere Investitionen innerhalb des Unternehmens wieder eingesetzt wird“, sagt Böhmer.

Kosten und Steuern. Über ihre ehrgeizigen Renditeziele vernachlässigen viele Unternehmer, dass ihre Banken nicht aus Uneigennützigkeit ihre Produkte an den Mann bringen wollen. So raten Bankberater gern zu länger laufenden Anlagen wie Fonds oder Beteiligungen, weil sie an Festgeld oder Termineinlagen nicht viel verdienen. Und viele Unternehmer schauen nur auf die Rendite und Laufzeit, vernachlässigen jedoch die Kosten einer Geldanlage. Bei jedem Investment fallen schließlich Provisionen, Verwaltungsgebühren oder Ausgabeaufschläge an, die die Rendite schmälern.

„Unternehmer nutzen viel zu selten ihr Verhandlungspotenzial, denn zum Teil lassen sich bis zu 80 Prozent geringere Kosten aushandeln“, sagt Karl August Niggemann, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Wirtschaftsberatung in Meinerzhagen. Bei einer Geldanlage in einer Größenordnung von 500.000 Euro bedeuteten 0,3 Prozentpunkte, die der Kunde mehr oder weniger für die Dienstleistungen seiner Bank zahlen muss, schließlich eine Summe von 1500 Euro pro Jahr.

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