Modellbahn-Legende Abwrackprämie schiebt Märklin an

Die traditionsreiche Sammlermarke Märklin kommt wieder in Fahrt. Um die Fans wieder in die Läden zu locken, greift der junge Eigentümer Florian Sieber zu unkonventionellen Mitteln.

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Das Unternehmen arbeitet daran, den Nachwuchs wieder für die Modelleisenbahn zu begeistern. Quelle: picture alliance / Sven Simon

Fürth Ein Kasten Bier, eine Kiste Kartoffeln und die Modelleisenbahn: In deutschen Kellern der Nachkriegszeit hatte Märklin seinen festen Platz. Die großen Zeiten der legendären Sammlermarke sind freilich längst vorbei. Inzwischen lagern die Loks, Waggons und Schienen meist in Kisten auf dem Dachboden.

Doch Märklin-Eigentümer Florian Sieber will die Kessel wieder unter Dampf setzen. Der 31-Jährige hat deshalb die Abwrackprämie für Modelleisenbahnen eingeführt. So wie die Bundesregierung einst während der Finanzkrise den Autoabsatz ankurbelte, so versucht der Spielwarenfabrikant, die Märklin-Umsätze wieder zu erhöhen. „Alt gegen neu“ lautet sein Motto. Wer seine alten Gleise beim Händler abliefert, der erhält dafür neues Material. So sollen Sammler reaktiviert werden, die sich seit Jahren nicht mehr mit den Miniaturwelten beschäftigt haben.

In Hamburg und Schleswig-Holstein hat Sieber das Konzept im vergangenen Herbst getestet. „Die erste Resonanz und die Umsätze der teilnehmenden Händler waren durchweg positiv“, sagte Sieber im Vorfeld der Nürnberger Spielwarenmesse. Der weltgrößte Treff der Branche startet am kommenden Mittwoch.

Sieber geht zuversichtlich auf die Messe. Der Umsatz des Traditionsunternehmens aus Göppingen ist vergangenes Jahr auf 97 Millionen Euro geklettert. Das ist zwar nur eine Million mehr als im Vorjahr. „Aber es ist die Trendwende mit ehrlichen Umsätzen“, betonte Sieber. Was der Betriebswirt damit meint: Er hat sein Geld ohne Aktionsware bei Aldi verdient und auch sonst auf hohe Rabatte bei den Händlern verzichtet.

Florian Sieber hat Märklin im April 2013 gekauft, zusammen mit seinem Vater Michael Sieber. Dem Unternehmer gehört die Simba-Dickie-Gruppe, Deutschlands größter Spielwarenhersteller. Florian Sieber, ein schlanker Mann mit blondem, schulterlangem Haar, hat sich mit der Übernahme die schwierigste Aufgabe in der deutschen Spielwarenindustrie aufgehalst: Legionen gestandener Manager sind daran gescheitert, Märklin wieder in die Spur zu bringen. Am 4. Februar 2009 ging die Firma pleite.

Ursprünglich wollte Sieber vergangenes Jahr schon weit über 100 Millionen Euro Umsatz verbuchen. Mitte des vergangenen Jahrzehnts waren es sogar noch fast 130 Millionen. Und international ist die Marke nicht so vorangekommen wie sich Sieber erhofft hatte. Noch immer verkauft er zwei von drei Lokomotiven in Deutschland. Immerhin: „Seit der Übernahme sind wir profitabel.“


Modellbahn soll wieder das Kinderzimmer erobern

Sieber tut sich wie schon seine Vorgänger schwer, den Nachwuchs wieder für die Modelleisenbahn zu begeistern. Aber wenn das Unternehmen wachsen soll, ist es zwingend nötig, auch die Kinderzimmer zu erobern. Da muss er andere verdrängen, er tritt gegen Lego oder Brio an. Gleichzeitig stirbt ihm mit den Sammlern die Stammkundschaft weg.

Märklins Kindermarke „Myworld“, eine günstige Einsteigerlinie, sei im Weihnachtsgeschäft gut angekommen, erläuterte Sieber am Stammsitz von Simba-Dickie in Fürth. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Firma zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Fernsehwerbung geschaltet hatte.

Noch hat Sieber nicht komplett durchgerechnet, ob sich die Abwrackprämie für die Generation 50 plus wirklich gelohnt hat. Immerhin musste er in Radiospots, Anzeigen und Plakate investieren. Die Unterstützung des Patriarchen hat er jedenfalls: „Wir glauben an Märklin“, betont Michael Sieber. Der 60-Jährige hat schon oft bewiesen, dass er tief gefallene Marken wieder aufrichten kann. Den schwer angeschlagenen Bobby-Car-Hersteller Big hat Michael Sieber saniert, die Spielefirma Noris gerettet, die Modellautolegende Schuco wieder in Fahrt gebracht.

Mit seiner Simba-Dickie-Gruppe erzielte Sieber vergangenes Jahr einen Umsatz von 640 Millionen Euro, vier Prozent mehr als 2015. Die Ertragslage sei „solide, stabil und sehr gut“, meint Finanzchef Manfred Duschl. Gut genug jedenfalls, um zur Not auch einmal Märklin beizuspringen.

Als Familienunternehmer denken Vater und Sohn zudem längerfristig. Das müssen sie auch, denn es ist mühevolle Aufbauarbeit bei Märklin nötig. Die meisten Spielwarenhändler haben die Modelleisenbahnen schon vor Jahren aus dem Regal geräumt. Nur noch etwa 300 Spezialisten in ganz Deutschland führen die in aller Regel mehrere Hundert Euro teuren Loks und Wagen.

Gleichwohl, Florian Sieber ist zuversichtlich. Fürs neue Jahr verspricht er erneut ein leichtes Wachstum. Einfach wird das nicht, denn Eltern und Großeltern greifen eher zu Playmobil oder Lego als zu den oft mehrere Hundert Euro teuren Sets von Märklin.

Doch Sieber investiert, modernisiert und automatisiert die Fabriken in Göppingen und Ungarn, steckt dieses Jahr allein 6,5 Millionen in neue Produkte. Die lange Tradition, sie ist ihm eine Verpflichtung: 2017 feiert Märklin den 200. Geburtstag von Firmengründer Theodor Friedrich Wilhelm Märklin.

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