„Motor“ der Volkswirtschaft Familienunternehmen wachsen stärker als Dax-Konzerne

Beim Umsatz lagen 2018 die Mittelständler vor den Dax-Unternehmen: Im Durchschnitt stieg dieser bei den 500 stärksten Familienunternehmen laut Studie um 3,7 Prozent pro Jahr im untersuchten Zeitraum. Quelle: dapd

Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand, heißt es oft. Mit einer neuen Studie will die Stiftung Familienunternehmen diesen Satz untermauern und zielt damit auch auf die Diskussion um Altmaiers Industriestrategie.

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Deutsche Familienunternehmen sind in den vergangenen Jahren einer Studie zufolge deutlich stärker gewachsen als die großen Dax-Konzerne. Bei den größten 500 Familienunternehmen stieg die Beschäftigung in den Jahren 2007 bis 2016 um 27 Prozent auf 2,54 Millionen Menschen, wie aus der Analyse hervorgeht, die das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen in München vorlegte. „Die 27 Dax-Unternehmen, die keine Familienunternehmen sind, konnten die Beschäftigung hingegen nur um vier Prozent auf 1,55 Millionen steigern“, heißt es darin.

Beim Umsatz lagen die Mittelständler ebenfalls vorn: Im Durchschnitt stieg dieser bei den 500 stärksten Familienunternehmen laut Studie um 3,7 Prozent pro Jahr im untersuchten Zeitraum. Bei den gegenübergestellten Dax-Unternehmen nahm er um durchschnittlich rund 3 Prozent zu. Unter den Top 500 tauchen auch die Dax-notierten Familienunternehmen Merck, Beiersdorf und Henkel auf.

Die Untersuchung wird alle zwei Jahre neu aufgelegt. Angesichts der derzeitigen Diskussion rund um die „Nationale Industriestrategie“ von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erhält sie diesmal besondere Brisanz. Altmaiers Kernaussage: Angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus Asien und den USA auf den Weltmärkten müssten nach dem Vorbild des Flugzeugbauers Airbus mehr „nationale“ und „europäische Champions“ geschaffen werden, mit Hilfe des Staates und einer aktiven Industriepolitik. Das brachte dem Politiker den Vorwurf ein, er wolle „Planwirtschaft“ betreiben.

Der Verband der Familienunternehmer, der unabhängig von der Stiftung agiert und an der aktuellen Studie nicht beteiligt war, kritisierte den Minister zudem dafür, die Interessen des Mittelstands bei der Strategie zu vernachlässigen und damit lediglich auf große Konzerne zu zielen. Die Stiftung will mit ihrer Analyse nach eigener Aussage eine aktuelle Grundlage für die Diskussion schaffen und bekräftigt die Bedeutung der Familienunternehmen für die deutsche Wirtschaft.

Schon einige Wochen zuvor hatte sie die Standortbedingungen in Deutschland für Mittelständler kritisiert und unter anderem zu hohe Steuern sowie Defizite bei der Infrastruktur konstatiert.

„Unser Wirtschaftsmodell basiert auf den mittelständischen familiengeführten Unternehmen. Völlig zu Recht werden sie als ‚Motor‘ unserer Volkswirtschaft bezeichnet“, betonte auf Anfrage das Wirtschaftsministerium. „Minister Altmaier legt großen Wert auf einen konstruktiven Dialog mit der mittelständischen Wirtschaft und ihren Interessensvertretern“, teilte ein Sprecher mit. Die Diskussion rund um seine Industriestrategie habe Altmaier „ganz bewusst“ angestoßen.

Kritik an Altmaiers Industriestrategie wird lauter

Auch prominente Ökonomen fordern Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf, sich stärker für den Mittelstand zu engagieren und nicht ausschließlich auf die großen Konzerne zu setzen. Familienunternehmen seien einer der größten Jobmotoren der deutschen Wirtschaft, berichtete die „Welt“ unter Berufung auf die ZEW-Studie. „Die Zahlen sind nur ein weiterer Beleg dafür, dass eine Regierung nicht ‚big business‘ im Auge haben sollte, sondern ‚big market‘“, sagte Thomas Straubhaar, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg, der Zeitung.

Auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, Michael Hüther, betonte, der deutsche Erfolg lebe von den Weltmarktführern, „den Hidden Champions des Mittelstands, die wesentlich die Beschäftigungsdynamik treiben.“ Der Mittelstand fühlt sich dem Zeitungsbericht zufolge in der „Nationalen Industriestrategie 2030“, die Altmaier im Februar vorgestellt hatte, kaum berücksichtigt. Das Programm sieht vor, dass sich der Staat sehr viel stärker als bisher in die Förderung einzelner Branchen und Unternehmen einmischt und die Schaffung nationaler und europäischer Großkonzerne unterstützt, um international Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.

Zufolge der Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen werden mehr als 90 Prozent der privaten Wirtschaftsunternehmen in Deutschland von Familien kontrolliert, 86 Prozent sind eigentümergeführte Familienunternehmen. „Die Liste der größten Top 500 Familienunternehmen, sortiert nach der Beschäftigtenzahl, wird von der Schwarz-Gruppe angeführt, gefolgt von der Robert Bosch GmbH und dem Metro-Konzern“, schreiben die Studienautoren. Beim Umsatz führen Schwarz-Gruppe und Bosch ebenfalls, an dritter Stelle folgt die Aldi-Gruppe.

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