Durchhaltevermögen hat die 41-Jährige schon früher bewiesen: Ihr Hobby war der Marathonlauf – gern auch quer durch die Alpen. Heute schafft sie nicht mal mehr eine Runde um die Kasseler Kuppe – nicht, weil es ihr an Fitness mangelt, sondern schlicht an Zeit. Als Vertretung des Produktionschefs leitete sie wochenlang ab sechs Uhr morgens die Fertigung.
Von einer 35-Stunden-Woche, wie sie die Mitarbeiter ihres in der IG Metall organisierten Betriebes für den Aufbau von Tanklastzügen haben, kann sie nur träumen: „Manchmal sehe ich mein Kind erst abends beim Sandmännchen wieder.“ Trotzdem ist sie angekommen in ihrer Rolle als Unternehmerin. Esterer macht 37 Millionen Euro Umsatz mit der Produktion von Betankungsanlagen für Laster. Braucht ein Flugzeug in Frankfurt Sprit oder eine heimische Heizung neues Öl, ist meist ein von Esterer ausgerüsteter Wagen unterwegs. Es ist ein Männerbusiness: 15 von 170 Mitarbeitern sind weiblich.
Mit Vater Harold teilt sie sich die Geschäftsführung, beide sind Gesellschafter. Die Tochter macht das Operative, der Vater die Finanzen. Er denkt inzwischen über seinen Rückzug nach. Der 72-Jährige ließ sie gewähren, als in der Fertigung kein Stein auf dem anderen blieb. Die Tochter hatte die Prozesse nach dem Muster von Automobilfertigungen restrukturiert, und die Mitarbeiter murrten, weil sie sich von alten Gewohnheiten trennen mussten.
Hinter den Kulissen gab es natürlich Diskussionen zwischen Vater und Tochter über die höhere Komplexität. „Aber wir haben ein super Verhältnis“, sagt sie. Auch wenn die Juniorin anders führt als der Seniorchef: „Mein Vater ist ein sehr kooperativer Typ.“ Sie hingegen ist der Meinung, dass man in Veränderungsprozessen „die Zügel mehr anziehen muss“.
Für den Einstieg in Vaters Firma brachte Esterer ein BWL-Studium, Managementerfahrung von BMW und Auslandserfahrung mit. Trotzdem musste sie sich erst an die neue Aufgabe gewöhnen. Mit dem Vater vereinbarte sie deshalb ein Probejahr.
Als Zweifel sie plagten, ob es die richtige Entscheidung sei, suchte sie sich einen Coach. Der zeigte ihr Wege auf, um die richtigen Antworten zu finden: „Ich musste vier Wochen lang jeden Morgen nach dem Aufstehen aufschreiben, was mir auf der Seele liegt. Das hat mir geholfen, die Gedanken zu sortieren.“ Sie steht dazu und ist offen für externe Hilfe und Ratschläge – auch für die ihres Vaters. „Der bremst mich schon mal, wenn ich zu sehr aufs Gas trete.“
Esterer ist froh, dem Konzernleben den Rücken gekehrt zu haben: „Kein Manager weiß, was es heißt, die volle Verantwortung zu tragen“, sagt sie, „oder wenn immer das gesamte Hab und Gut an der Firma hängt.“