Finanzinvestoren lieben ausgefallene Geschäftsmodelle. Der US-Fonds Abry Partners konnte bei dem Frankfurter Unternehmen e-shelter daher nicht widerstehen. Dessen 270 Mitarbeiter planen, bauen und überwachen geheime Schutzräume, in denen Banken oder IT-Dienstleister ihre Rechenzentren und Server samt sensiblen Daten bunkern.
Der auf Medien, Telekommunikation und IT spezialisierte Käufer aus Boston griff zu und stieg im Dezember 2011 mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag bei dem 2000 gegründeten deutschen Technologieunternehmen ein. Allerdings übernahm Abry nur etwas mehr als 40 Prozent der Anteile an e-shelter – über die genaue Höhe schweigen die Beteiligten.
Banken sind zögerlicher
Die sonst so selbstbewusst mit dicken Deals jonglierenden Private-Equity-Gesellschaften müssen inzwischen kleinere Brötchen backen. „Wir werden 2012 eine wachsende Zahl von Minderheitsbeteiligungen in Deutschland sehen“, erwartet Torsten Krumm, geschäftsführender Partner beim Investor Odewald & Compagnie aus Berlin.
Denn angesichts der Euro-Schuldenkrise und strengerer EU-Regulierung fahren Banken ihr Kreditvolumen herunter und prüfen bei Anfragen von Beteiligungsgesellschaften gründlicher, in welche Investments die Fonds das anvertraute Geld stecken wollen. „In der ersten Jahreshälfte 2012 werden sich bedeutende Deals für Private-Equity-Häuser in Deutschland kaum finanzieren lassen“, erwartet Giovanni Amodeo, Chefredakteur des internationalen M&A-Datendiensts Mergermarket.
Von der Heuschrecke zum willkommenen Geldgeber
Was auf dem weltgrößten Branchentreffen der Finanzinvestoren, der Super Return, in Berlin für gedämpfte Töne sorgen wird, freut dagegen deutsche Mittelständler. Die standen den als Heuschrecken verrufenen Beteiligungsgesellschaften meist kritisch gegenüber. Doch wenn sich die Firmenjäger nun auch mit kleineren Anteilen begnügen, können sie plötzlich willkommene Geldgeber sein.
Generell ist der Ausblick der Branche auf die kommenden Monate trüb. Laut jüngstem Stimmungsbarometer des deutschen Branchenverbands BVK beurteilen die Private-Equity-Häuser ihre Eigenkapitalausstattung sowie die Chancen auf einen gewinnbringenden Ausstieg aus ihren Investments negativ. Im dritten Quartal 2011 sanken die Private-Equity-Investitionen in deutsche Unternehmen um 22 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro.
Käufe fallen kleiner aus
Dabei fallen die Käufe, aus denen die Finanzinvestoren ihre hohen Renditen schöpfen wollen – in der Vergangenheit waren bis zu 30 Prozent pro Jahr drin –, immer kleiner aus. Das zeigt eine Auswertung des Datendienstleisters Thomson Reuters (siehe Grafik).
Zudem sinkt der Anteil von klassischen Mehrheitsübernahmen, bei denen die Käufer mehr als die Hälfte der Anteile erwerben und so die volle Kontrolle über das Unternehmen erlangen.
„Viele Finanzinvestoren müssen umdenken“, sagt Reiner Braun, Private-Equity-Experte am Lehrstuhl Entrepreneurial Finance an der Technischen Universität München. Wichtigster Grund ist, dass Banken nur noch eingeschränkt Kredit zur Verfügung stellen. „Große Transaktionen mit mehr als 250 Millionen Euro sind schwerer zu realisieren“, beobachtet Braun.
Zur Hälfte Eigenkapital
Auch Pensionskassen oder Versicherungen, die Private-Equity-Firmen sonst gern mit Eigenkapital ausstatten, halten sich zurück. „Die neue Regulierung verunsichert institutionelle Investoren“, sagt Mariela Borell, Private-Equity-Expertin am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
Wurden im Boom um 2005 rund 70 Prozent der Kaufpreise mit Fremdkapital finanziert, ist der Kredithebel mittlerweile kleiner geworden. Die meisten Firmenkäufe müssen nun zur Hälfte mit Eigenkapital gestemmt werden. Dadurch wackelt das Erfolgsmodell der Finanzinvestoren, die traditionell einen großen Teil ihrer Gewinne aus der billigen Fremdfinanzierung schöpfen. Für den Kaufpreis aufgenommene Kredite lassen sie dann aus den Umsätzen der gekauften Unternehmen tilgen.
Steigende Beliebtheit
„Einige Fonds spezialisieren sich sogar auf die Übernahme von Minderheitsbeteiligungen“, sagt Braun. Solche Modelle ließen sich zurzeit nicht nur leichter finanzieren, sondern senkten auch die Skepsis insbesondere familiengeführter Unternehmen. Die lassen einen Einstieg von Finanzinvestoren eher zu, wenn sie die Kontrolle im eigenen Haus behalten.
Als Co-Gesellschafter erfreuen sich Private-Equity-Firmen beim deutschen Mittelstand daher steigender Beliebtheit. Für 2011 nennen 55,2 Prozent der Mittelständler in einer Umfrage der Beratung Roland Berger Minderheitsbeteiligungen von Finanzinvestoren als wichtiges Instrument bei der Finanzierung ihres Wachstums. Im Jahr zuvor entfielen nur knapp 15 Prozent der Antworten der 1200 befragten Unternehmen überhaupt auf Private Equity, wobei auch Mehrheitskäufe enthalten waren.
Auch der Branchenfokus der Investoren ändert sich: Nach einer neuen Studie von CMS Hasche Sigle steigt das Interesse an der Software- und IT-Branche (plus 18 Prozent), Handel (plus 15 Prozent) und Elektroniksektor (plus 15 Prozent).
Geld der Finanzinvestoren nutzen
E-shelter-Gründer Rupprecht Rittweger will derweil das Geld des Finanzinvestors Abry nutzen, um neue Standorte aufzubauen. Ein Rechenzentrum mit mehr als 17.000 Quadratmeter Fläche entsteht gerade im hessischen Rüsselsheim. Das erste Gebäude soll im November fertig werden.
Bekommen Firmenjäger nicht die Mehrheit an einem Unternehmen, müssen sie die Weichen schon beim Kauf anders stellen. „Minderheitsanteile sind beim Ausstieg für die Finanzinvestoren schwer zu verkaufen“, sagt Jörg Kirchner von der internationalen Kanzlei Latham & Watkins. Der Münchner Anwalt berät zahlreiche Private-Equity-Firmen – auch den US-Finanzinvestor Abry.
Alternative Einflussmöglichkeiten
So müssten Minderheitsinvestoren die Co-Gesellschafter dazu bewegen, ihre Anteile beim Ausstieg ebenfalls abzutreten oder mit an die Börse zu bringen. Das halten die Parteien im Kaufvertrag fest. Doch es reicht nicht, den Partnern nur die formelle Unterschrift abzuringen: „Der Finanzinvestor muss seine Mitgesellschafter sowie das Management restlos davon überzeugen, dass ein späterer Verkauf eine lukrative Option ist“, sagt Kirchner. Denn gegen den Willen von Geschäftsführung und Miteigentümern lässt sich eine Firmentransaktion später nicht durchziehen – selbst wenn diese schwarz auf weiß vereinbart ist.
Um ihr Investment ohne Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung trotzdem mit steuern zu können, müssen sich Investoren laut Kirchner zudem alternative Einflussmöglichkeiten verschaffen. Wie das gehen kann, zeigt der Investor Odewald, der gute Erfahrungen mit Minderheitsbeteiligungen an Mittelständlern gemacht hat.
Mitspracherechte im Beirat
Dabei vereinbarten die Berliner Mitspracherechte im Beirat der Unternehmen, um die Geschäftsführung kontrollieren zu können. Auch für den späteren Ausstieg hat Odewald klare Vereinbarungen mit den anderen Eigentümern getroffen, denn: „Ohne Exit-Perspektive kann man als Minderheitsgesellschafter verhungern“, sagt Odewald-Partner Krumm.
Oft lassen sich Investoren auch Mitspracherechte bei der Besetzung von wichtigen Vorstandsposten wie dem des Finanzchefs zusichern, erzählt Anwalt Kirchner. In selteneren Fällen werden Vetorechte der Finanzinvestoren gegen strategische Entscheidungen der Geschäftsführung vereinbart. All das freut die Anwaltszunft, die sich ihre Beratung bei den Vertragsverhandlungen gut bezahlen lässt. Wie stark ein Investor seine Beteiligung trotz Minderheitsanteil tatsächlich an die Kandare nehmen kann, ist eine Frage des Kräfteverhältnisses: Je attraktiver das Zielunternehmen, desto weniger Einfluss wird es den Firmenjägern gewähren.