




Ein großes Industriegebiet im Hamburger Nordwesten. Hier, in unmittelbarer Nähe zum Stadion des HSV, firmiert ein Unternehmen, das auf der ganzen Welt mit Luxus verbunden wird. Geht man den Hellgrundweg entlang, sieht man ihn schon von weitem: Einen riesigen Füller, dessen Kopfende eine weiße Spitze säumt. Hier im Hellgrundweg 110 firmiert Montblanc International. Früher stellte die Marke lediglich teure Schreibgeräte wie Füller oder Kugelschreiber her, mittlerweile tragen auch Parfums, Lederwaren und Armbanduhren das Markenlabel mit dem weißen, sechszackigen Stern. Damit hat das Unternehmen etwas geschafft, was nicht vielen gelingt: Den Markennamen auf neue Produktgruppen auszuweiten. Besonders im Uhrenbereich konnte sich Montblanc mittlerweile etablieren.
Als die Hamburger 1997 mit ihren ersten Zeitmessern das international heiß umkämpfte Parkett für hochpreisige Armbanduhren betraten, wurden sie belächelt. Doch statt sich von den Großen der Branche, wie Cartier oder Patek Philippe, einschüchtern zu lassen, investierte Montblanc in die eigene Glaubwürdigkeit und sein Handwerk. Schnell wurde eine eigene Uhrenmanufaktur gegründet. Nicht irgendwo, sondern in Le Locle, im Osten der Schweiz. Die kleine Gemeinde gilt als die Wiege des Schweizer Uhrhandwerks. Viele Größen der Uhrenindustrie, wie Ulysse Nardin und Zenith, haben hier ebenfalls ihre Werkstätten.
Doch wie kommt man von teuren Füllern, deren Aufgabe es ist Tinte aufs Papier zu bekommen, zu hochwertigen Uhren, die möglichst exakt und elegant die Zeit anzeigen sollen? Klar, beides sind teure Produkte und erfordern viel handwerkliches Geschick, aber wieso sollte Montblanc auf einmal für Uhren stehen? "Die Lösung lautet Nicolas Rieussec", sagt Klaus-Dieter Koch. Koch ist Gründer der Beratungsfirma Brand:Trust, die sich auf die Wahrnehmung von Marken spezialisiert hat.
Riesseuc war ein Uhrmacher zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Um bei Pferderennen die Zeit exakt messen zu können, entwickelte er ein Instrument, das durch das Auftropfen von Tinte auf eine rotierende Scheibe die abgelaufene Zeit sichtbar machte. Kurz darauf taufte man die Erfindung Chronograph, was auf deutsch so viel heißt wie "Die Zeit Schreiben".
"Damit hatte Montblanc eine perfekte Verknüpfung von Uhren und Tintenfüllern", sagt Koch.
Neben den Uhren hat das deutsche Unternehmen Schmuck, Lederwaren, Brillen und Parfum im Angebot. Alle diese Produktgruppen vermarkten die Luxusexperten unter dem Namen Montblanc. Doch wieso klappt das bei Montblanc, während andere Marken vergeblich versuchen, sich auf anderen Märkten, außerhalb ihrer Kernkompetenz, zu etablieren? "Ein Unternehmen muss sich klar machen, für was die eigene Marke im Kern steht und ob die neue Produktgruppe dazu passt", so Koch. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem sogenannten Markentransfer, also der Übertragung von Markennamen auf andere Produktgruppen oder in eine andere Preisliga. "Der größte Fehler, denn man dabei machen kann, ist von anderen auf sich zu schließen." So konnte beispielsweise Audi mit dem A8 erfolgreich den Markt der Luxuskarossen erobern, Volkswagen scheiterte glorreich mit seinem Phaeton. Und das, obwohl beide Unternehmen in nahezu dem gleichen Markt agieren.
Zwei Kaufmänner bringen den Füller nach Deutschland





Das Beispiel Montblanc und Uhren zeigt dagegen, wie es richtig geht. Heute, rund 16 Jahre nach der Einführung der ersten Montblanc-Uhr, sind die hochwertigen Zeitmesser in der Szene geschätzt und werden in einem Atemzug mit anderen, traditionsreicheren Zeitmesserschmieden wie Chronoswiss oder Vacheron Constantin genannt. Das sorgt auch für ein weltweit hohes Ansehen. In einer aktuellen Befragung zum Thema Luxus der Unternehmensberatung Brand:Trust genießt die Marke, die nach Europas höchstem Berg benannt ist, im internationalen Vergleich höchstes Ansehen.
Keine andere Marke wird in den untersuchten Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, China und den USA so wertgeschätzt. Montblanc ist eine Star Brand, eine "Starmarke". Solche Marken "genießen eine hohe Bekanntheit, sowie eine hohe Attraktivität. Sie haben das Ziel, nach dem alle Marken streben, erreicht", heißt es vollmundig in der Studie.
Die Erfolgsgeschichte von Montblanc findet ihren Anfang im Jahr 1906, als die beiden deutschen Geschäftsmänner Alfred Nehemias und August Eberstein von einer Reise aus den Vereinigten Staaten zurückkehren. Dort haben sie das Konzept von Füllfederhaltern kennen gelernt. Schreibgeräte also, welche die Tinte in einem inneren Tank aufbewahren und deswegen nicht mehr in Tintenfässer getaucht werden müssen.
Zwei Jahre später dann folgt der erste eigene Füller des Unternehmens. "Rouge et Noir", ein Schreibgerät mit schwarzem Korpus und eine rote Kappe. Ein Jahr später dann ein zweiter Füller, der erstmals die charakteristische, weiße Spitze trägt. Schnell wird klar, dass dieses Logo und der Name Montblanc für das Unternehmen stehen sollen. So wird 1913 der Name des Betriebs von Simplo Filler Pen & Co. GmbH in Montblanc Simplo GmbH geändert. Der Montblanc als Markenname und Logo soll als höchster Berg Europas den "Gipfel technischer Errungenschaften und die Vollendung europäischer Handwerkskunst" verdeutlichen, heißt es in der offiziellen Firmenhistorie.
Es folgt eine Expansion in weitere Geschäftszweige wie Lederwaren, Schmuck, Parfum und eben Uhren. Das Produkt, für das Montblanc jedoch bekannt ist, hat sich seit 1924 jedoch nur wenig verändert. Der Füller mit dem Namen "Meisterstück" sieht seit seiner Entwicklung vor knapp 90 Jahren so gut wie gleich aus, seit 1929 ziert in außerdem auf der Feder die Angabe 4810, die Höhe des Montblanc.
Jedoch bringt zunehmende Konkurrenz und der sinkende Gebrauch von Füllfederhaltern das Geschäft von Montblanc in den Siebzigern stark ins Straucheln. Montblanc versucht dem sinkenden Absatz mit günstigen Schulfüllern zu begegnen. Jedoch hilft auch das nur wenig, sodass im Jahre 1977 die britische Dunhill-Gruppe die Mehrheit an Montblanc erwirbt. Dunhill, hierzulande für teure Feuerzeuge bekannt, übernimmt wenige Jahre später das ganze Unternehmen Montblanc. 1998 erfolgte der Aufkauf von Dunhill und weiteren Luxusmarken durch den Schweizer Richemont-Konzern, zu dem Montblanc bis heute gehört. Richemont ist einer der ganz Großen im Geschäft mit dem Luxus. 1988 vom südafrikanischen Milliardär Anton Rupert gegründet, zählt der Konzern heute mit 18 000 Mitarbeiter und einem Umsatz von knapp 8,9 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr zu einem der größten Luxusgüterkonzerne weltweit. Neben Montblanc gehören zahlreiche weitere Schwergewichte der Luxusbranche, wie Cartier oder IWC, zum Richemont-Konzern.
Vertreten in mehr als 70 Ländern





Aktuell besitzt Montblanc, neben seinem Hauptsitz in Hamburg, eine Niederlassung in der Schweiz, wo die Uhren gefertigt werden, eine Werkstatt in Florenz zur Produktion der Lederwaren und aus der französischen Hauptstadt Paris kommt Schmucke, made by Montblanc. Das Rückgrat des Unternehmens bilden die eigenen Boutiquen, in denen ausschließlich Produkte der Marke Montblanc vertrieben werden. Derzeit sind es über 450, zu denen sich weitere 5000 Verkaufsstellen gesellen. Damit ist Montblanc nach eigenen Angaben in mehr als 70 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit 3000 Mitarbeiter.
Dass es dennoch nicht ganz so rosig ist, darauf dürfte der Wechsel an der Spitze von Montblanc hinweisen, vermutet Szeneexperte Gisbert L. Brunner in einem Fachforum. So wird Lutz Bethge, Jahrgang 55 und seit 2007 als CEO oberster Manager bei Montblanc, bis Ende Juni seinen Chefposten räumen. Fortan wird Jérôme Lambert das Unternehmen leiten. Grund dafür könnten schwächelnde Gewinne und ein nur langsam steigendes Wachstum sein, so Brunner. Die Performance von Montblanc war zwar insgesamt nicht schlecht, lag jedoch hinter der anderen Nobelmarken von Richemont zurück. Auf Nachfrage lehnte Montblanc eine Stellungnahme ab.
Trotz der schwächelnden Geschäfte sieht Fachmann Brunner in den schwächelnden Zahlen keinen Untergang von Montblanc, es sei eher "eine globale Erfolgsgeschichte mit mehreren Anläufen."
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Und wo soll es in Zukunft hingehen? Das Unternehmen mit dem weißen Stern erwirtschaftete 2012 einen Umsatz von 723 Millionen Euro und einen Gewinn von 119 Millionen Euro. Montblanc ist vor allem im asiatischen Raum sehr beliebt, hier werden rund 90 Prozent des Umsatzes eingefahren. Der Markt in Europa schwächelt hingegen. Damit wartet für den neuen CEO Jérôme Lambert wohl hier seine Hauptaufgabe. Ab Juli soll er dafür sorgen, dass in Europa wieder häufiger zum teuren Tintenfüller gegriffen wird.