Rollladentechnik Somfy - nur so französisch wie nötig

Der Hersteller von Rollladenmotoren Somfy ist einer der raren Champions Frankreichs – und neuer Vorzeigemittelständler. Der Weltmarktführer hat schon mehr Mitarbeiter in China als in Frankreich.

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Produktion von Somfy Quelle: Laif

Beine hochlegen, zurücklehnen, der Rest erledigt sich wie von selbst. Niemand mehr läuft abends durchs Haus und schließt einen Rollladen nach dem andern. Und wem im Taxi zum Flughafen einfällt, dass das Garagentor noch offen steht, schließt es per Smartphone.

Die Werbespots vor der ARD-Sportschau oder der ZDF-Heute-Sendung verraten viel über die Technik, die Rollläden, Markisen und Garagentore wie von Geisterhand surren lässt – aber nichts über Somfy, ihren Hersteller. Denn der ist keiner der zahlreichen deutschen Mittelstandschampions wie Kärcher oder Stihl, sondern eines der raren französischen Pendants.

Somfy spielt eine Sonderrolle auf der anderen Seite des Rheins. Während der Hochdruckreiniger- und der Kettensägenbauer aus dem Württembergischen ihr Made in Germany pflegen, spielt Somfy-Chef Jean-Philippe Demaël seine Herkunft herunter. Außerhalb Frankreichs weiß kaum ein Kunde, dass die fünf Buchstaben für „Société d’Outillage et du Mécanique du Faucigny“ (Gesellschaft für Werkzeuge und Mechanik der Region Faucigny) stehen. „Somfy ist brasilianisch in Brasilien, chinesisch in China und deutsch in Deutschland“, sagt Demaël. Made in France zählt für ihn nicht, im Gegensatz zu vielen seiner Managerkollegen.

Innovativ und exportstark

Damit beeindruckt der Franzose mittlerweile sogar seine eigentlich globalisierungskritische Regierung in Paris. Premierminister Jean-Marc Ayrault ist von Demaëls Einstellung so angetan, dass er ihn gemeinsam mit dem französischen Generalinspektor der Finanzen und dem Präsidenten der Region Rhône-Alpes beauftragt hat, ein Konzept für die Reform der staatlichen Unternehmensförderung zu erarbeiten.

So nutzen Mittelständler ihre Stärken im Wettbewerb um Fachkräfte

Den Ruf des Vorzeigemittelständlers in der von Konzernen geprägten Unternehmenswelt Frankreichs hat Somfy verdient. Das Unternehmen ist wie Kärcher und Stihl ein echter Weltmarktführer, nämlich für Antriebe und Steuerungen von Toren und Rollläden. Mit einem Jahresumsatz von zuletzt knapp einer Milliarde Euro und einem Nettogewinn von 82,9 Millionen Euro verkörpert die 7600 Mitarbeiter zählende Firma genau jene Eigenschaften, die sich die Regierung an der Seine für mehr Unternehmen des Landes wünscht: Somfy ist innovativ, exportstark und erfolgreich im internationalen Wettbewerb.

Jedes Jahr meldet das Unternehmen fast 40 Patente an. 73 Prozent des Umsatzes entfielen 2012 auf den Export. Deutschland ist nach Frankreich der wichtigste Markt, die Somfy GmbH mit Sitz in Rottenburg am Neckar und einem Umsatz von 139 Millionen Euro die größte Tochter. Schon im Gründungsjahr 1969 hatte Somfy im benachbarten Tübingen eine der inzwischen 76 Filialen in 60 Ländern eröffnet.

In Cluses, einer Kleinstadt am Fuß des Mont-Blanc-Massivs, wird dafür hart gearbeitet. In Tests müssen die Elektromotoren 400 Grad Hitze genauso standhalten wie 60 Grad Kälte, Feuchtigkeit, salziger Meeresluft, unregelmäßigen Stromspannungen und Strahlenbelastungen.

Internationalität in den Genen

Somfy-Chef Demaël Quelle: Laif

Präzision ist das Markenzeichen der Region Hoch-Savoyen. Von hier holten die Schweizer Uhrmacher jenseits der nahen Grenze im 19. Jahrhundert die Bauersleute im Winter und spannten sie zur Arbeit in ihren Werkstätten ein. Damit legten sie – wie früher in armen Regionen Baden-Württembergs – das Fundament für die Entwicklung eines der ärmsten Landstriche Frankreichs zum Industriestandort. Während die Regierung in Paris dankbar ist, wenn sich das französische Exportdefizit wenigstens verringert, verdient die Alpenregion mit Ausfuhren richtig Geld.

Zahlreiche andere französische Mittelständler beschränken sich auf den Heimatmarkt. „Wir haben die Internationalität in den Genen“, sagt dagegen Somfy-Chef Demaël. „Wir sind überzeugt davon, dass weltweit der Wunsch nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen zunimmt.“

Um davon zu profitieren, suchen die Franzosen den Schulterschluss mit Unternehmen im Ausland. So gründete Somfy mit dem dänischen Fensterhersteller Velux einen Verbund namens io-homecontrol, dem rund ein Dutzend Hersteller angehören. Der Benutzer kann über Fernbedienung die Haustechnikkomponenten der Verbundfirmen einzeln oder zusammen steuern: Dachfenster und Rollläden, Markisen, Heizung, Licht, Türen und Alarmanlage. Über das Internet lässt sich io-homecontrol zudem per Smartphone, PC, Notebook oder Tablet-Computer bedienen.

Digitale Haustechnik

Ziel ist eine „neue Welle des Wachstums“, sagt Demaël, indem Somfy das Bedürfnis nach mehr Komfort, Sicherheit und verstärkt auch nach Umweltschutz bediene. Deshalb wolle Somfy auch bei der Digitalisierung der Haustechnik zum Marktführer aufsteigen. 2012 stieg der Umsatz mit solchen funkgesteuerten Systemen bei Somfy um 131 Prozent. Dabei setzt Demaël auch auf das Umweltbewusstsein in Deutschland, das stärker ausgeprägt sei als in Frankreich. Immerhin ließen sich mit digitalisierter Haustechnik bis zu 30 Prozent Energie sparen.

Umsatz und Nettogewinn von Somfy Quelle: www.daily-bourse.fr

Das entscheidende Wachstum aber verspricht sich Somfy von den Schwellenländern. 2015 soll das Unternehmen dort mindestens ein Drittel des Umsatzes erwirtschaften. 2009 waren es 15 Prozent, heute sind es 25. Beispiel Brasilien: Gerade haben die Franzosen für rund sieben Millionen Euro 51 Prozent an der Sicherheitstechnikfirma Giga erworben. Im August 2012 hatten sie sich die Kontrolle über den Haustechnikspezialisten Neocontrol geschnappt. Und bereits seit 2011 arbeitet Somfy mit dem Automatisierungsspezialisten Garen Automação zusammen.

In China ist der Mittelständler aus den französischen Alpen schon seit 2006 vertreten und beschäftigt dort inzwischen fast 2500 der weltweit 7600 Mitarbeiter. Das sind rund 500 mehr als in Frankreich. Zwar beschert das Somfy nicht nur Freunde. Globalisierungskritiker wie Industrieminister Arnaud Montebourg und die Gewerkschaften geißeln die Produktionsverlagerung französischer Unternehmen ins Ausland regelmäßig als unpatriotisch.

Forschung und Entwicklung made in France

Was Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern motiviert
ChinaFür den chinesischen Mitarbeiter gibt es nichts motivierenderes als einen kompetenten Chef. Erst danach folgen ein gutes Grundgehalt und Sozialleistungen auf den Rängen zwei und drei. Quelle: Studie von Marsh & McLennan Quelle: dapd
Weitaus weniger wichtig ist der Belegschaft im Reich der Mitte eine Arbeit, die Werte schafft. Dieser Punkt landet auf dem letzten Platz. Ebenso gering geschätzt werden Zeit für Privatleben (Platz 9) und, ob die Arbeit interessant ist (Platz 8). Im Mittelfeld der motivierenden Aspekte landen Respekt (4), Boni (5), kurzfristige Beförderungen (6) und schließlich die langfristige Karriere (7). Damit unterscheidet sich das Motivationsschema fundamental von dem eines deutschen Mitarbeiters. Quelle: AP
DeutschlandHierzulande wollen Mitarbeiter vor allem Respekt für sich und ihre Arbeit, dicht gefolgt von Zeit für Privatleben und einer interessanten Arbeit. Diese drei Punkte motivieren die deutschen Angestellten am meisten. Quelle: dapd
Am wenigsten zu mehr Leistung treibt Deutsche die langfristige Karriere an, Boni wirken ebenfalls nur begrenzt motivierend (Platz 9). Auch Sozialleistungen sind weit weniger motivationsfördernd als das Grundgehalt (4), kompetente Chefs (5), flexible Arbeitszeiten (6) und eine Arbeit, die Werte schafft (7). Quelle: dpa
FrankreichIm Nachbarland Frankreich sind die Angestellten ähnlich gestrickt. Respekt, Zeit fürs Private und eine interessante Arbeit motivieren die Franzosen am meisten. Mit flexiblen Arbeitszeiten, die den Deutschen doch einigermaßen wichtig sind, und Sozialleistungen kann man unsere Nachbarn dagegen nicht locken. Quelle: REUTERS
Was Franzosen hingegen noch als halbwegs motivierend empfinden, sind kompetente Chefs (Platz 4), Grundgehalt (5), Arbeit, die Werte schafft (6) und die langfristige Karriere. Quelle: dapd
USAAm meisten Motivation stiften für die amerikanischen Arbeitnehmer Respekt gegenüber ihrem Job, kompetente Chefs - dieser Faktor landet bei den Deutschen nur auf Platz 5 - und Zeit für das Privatleben, was wiederum den Chinesen nicht wichtig ist. Quelle: REUTERS

Dennoch musste sich Montebourg vor wenigen Tagen ausgerechnet von Demaël die Empfehlung anhören, Paris solle die staatlichen Hilfen für Unternehmen in den Jahren 2014 und 2015 um drei Milliarden Euro reduzieren und den Rest vor allem in innovative Betriebe lenken. Dass diese ihr Geld möglicherweise aber nicht nur in Frankreich investieren, lässt Demaël außer Zweifel: „Unser Wachstum wird selbstverständlich auch von weiteren Übernahmen in den Schwellenländern abhängen.“

Die Mittel dazu hat Somfy. Das Unternehmen, das 2002 an die Börse ging und mehrheitlich der einstigen nordfranzösischen Textildynastie Despature gehört, hatte Ende vergangenen Jahres 36,5 Millionen Euro in der Kasse. Auf Demaëls Einkaufsliste stehen Unternehmen in China, Brasilien und Indien, danach folgen Russland, Mexiko, die Türkei und Nahost. „Das international ausgerichtete Wachstum ist eine der Stärken von Somfy“, loben die Analysten des auf Mittelständler spezialisierten Brokers Gilbert Dupont in Paris.

Der Somfy-Chef legt Wert darauf, dass seine Tochterfirmen von Einheimischen geführt werden. Auch mit der neuerdings von Paris mit Verve vertretenen Marketing-Offensive des Made in France kann er wenig anfangen. Wichtig sei, „dass ein Produkt in Frankreich erfunden wurde“. Seine rund 200 Zulieferer sitzen sowohl in Hoch-Savoyen als auch in Tunesien oder China. Gleichzeitig aber wird jedes noch so kleine Detail eines Motors von Somfy konzipiert und patentiert. „Ein Produktionswerk kann man relativ einfach ins Ausland verlagern“, sagt Demaël. „Mit Forschung und Entwicklung ist das schwieriger.“

Auch die im Vergleich zu Deutschland höheren Arbeitskosten in Frankreichs Industrie sprächen dafür, die höheren Margen durch eine Produktion im Ausland zu nutzen, um diese dann in Innovationen am Heimatstandort zu investieren. „Es gibt sehr wenig Solidarität unter den französischen Unternehmen“, bedauert Demaël allerdings. „Der Konkurrenzgedanke herrscht vor, es ist schwierig, Partnerschaften einzugehen.“ Von den inzwischen elf Verbundmitgliedern bei io-homecontrol sind nur zwei weitere französisch.

Demaëls Drang über die Grenzen ist auch aus der Not geboren. Die Verkaufszahlen sind unter Druck, das Geschäftsjahr begann mit einem Minus, die europäische Schuldenkrise schlägt sich in geringerer Nachfrage nieder. Und dann durchkreuzt auch noch das Wetter alle Pläne. Selbst jetzt, im Juni, liegt noch Schnee auf dem 2300 Meter hohen Gipfel des Grand Bargy, den der Somfy-Chef von seinem Büro aus sehen kann. Das ist kein Wetter, bei dem die Kunden in Europa an die Aufrüstung ihrer Terrassen denken – in China, Indien oder Brasilien dagegen schon.

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