Wedemark, ein Provinzstädtchen in Niedersachsen, eine halbe Autostunde vom Hauptbahnhof entfernt: Viel los ist nicht in der 30.000-Einwohner-Gemeinde. Die Landwirtschaft und ein Naherholungsgebiet prägen das Bild von der Region. Ausgerechnet hier hat ein deutsches Vorzeige-Unternehmen in Sachen Hightech seinen Firmensitz: die Sennheiser electronic GmbH.
Berühmt geworden ist Sennheiser mit Mikrofonen und Kopfhörern. Aber am Anfang stand ein Röhrenvoltmeter. Das Spannungsmessgeräte war das erste Produkt, das der Ingenieur Fritz Sennheiser in seinem 1945 gegründeten Unternehmen "Laboratorium Wennebostel" - kurz: "Labor W" - produzierte. Schon die Entwicklung zeigt, wo Sennheiser seinen Ursprung und seine Stärken hat: Ingenieursgeist und Messtechnik.
Wer das Sennheiser-Werk heute besucht, sieht freilich nichts mehr von Voltmeter und Spannungsmesstechnik. In den vergangen 70 Jahren hat sich viel verändert. Besucher betreten einen polierten Flagship Store, in dem Produkte wie schicke Mobilkopfhörer für Freizeitsportler ausgestellt sind. Im Foyer steht ein Kickertisch. Start-up-Geist herrscht auch beim Mittagessen: Daniel und Andreas Sennheiser, die millionenschweren Enkel des Firmengründers, sind täglich in der Firmenkantine anzutreffen.
Trotz der familiären Atmosphäre ist klar, dass aus dem einstigen Labor W längst eine weltweit agierende Hightech-Company geworden ist. Allein 2014 lag der Jahresumsatz bei 590 Millionen Euro.
Einer der erklären kann, wie das Unternehmen Sennheiser tickt, ist Peter Arasin. Regelmäßig führt der einstige Produktmanager für Mikrofone Besucher durch die Werkshallen in Wedemark. Kaum ein Produkt, zu dem Arasin nicht eine Anekdote bereithielte. Etwa die zu Sennheisers erster Eigenentwicklung, dem Mikrofon MD 2. Das kam 1947 unter dem Namen DM 2 in den Handel - und sorgte für Missverständnisse. Weil viele Kunden aus der Produktbezeichnung schlossen, das Mikrofon koste nur zwei Mark, wurde es bald umbenannt – die Buchstaben wurden getauscht. Trotz Namens-Wirrwarr hatte Sennheiser sein Steckenpferd gefunden: Mikrofone sollten für Jahrzehnte das Kerngeschäft des Unternehmens bilden. Arasin erzählt auch gerne launige Anekdoten wie die von der Popsängerin, deren Gesangsmikrofon nach einigen Auftritten so mit Lippenstift verschmiert war, dass es vom Sennheiser-Service komplett auseinandergenommen und gereinigt werden musste.
Mikrofone haben das Unternehmen von Fritz Sennheiser groß gemacht. Etwa zwei Jahrzehnte lang bildeten sie das Kerngeschäft. 1968 kam ein Produkt hinzu, das in der Welt der Unterhaltungselektronik für Aufsehen sorgte. Der erste offene Kopfhörer, der HD 414, war nicht nur bequemer und leichter als die bis dahin üblichen ledergepolsterten Hörer. Er klang auch deutlich besser.
Mit insgesamt zehn Millionen Stück gilt der HD 414 heute als der meistverkaufte Kopfhörer der Welt. Vor allem die Tonbandfreunde der siebziger und achtziger Jahre liebten den Hörer mit den charakteristischen gelben Schaumstoffpolstern. Letztere gibt es übrigens bis heute als Ersatzteil zu kaufen.
Innovation in der Funktechnik
Eine technische Neuentwicklung gelang Sennheiser auch bei den Mikrofonen. 1957 brachte er das erste Funkmikrofon für den Einsatz im Fernsehstudio auf den Markt. Dass die Funkmikrofone heute bei Veranstaltungen, Konzerten und TV-Sendungen zum Standard geworden sind, daran hat Sennheiser maßgeblichen Anteil. Neben Sennheiser mischen aber auch Unternehmen wie AKG oder Beyerdynamic mit professionellen Produkten mit.
Mikrofone für Rundfunk, TV, Musikstudios und Konzerte; Kopfhörer für Radiosprecher und Musikliebhaber; Headsets für Flugpiloten und Konferenzsysteme - über die Jahrzehnte hat Sennheiser sein Portfolio und seine Marktpräsenz in kleinen Schritten ausgebaut. Selbst die kleinen Kopfhörer, die man sich heute bei der Führung durchs Museum ausleiht, stammen oftmals von Sennheiser.
Um die Vermarktung des Produkt-Portfolios besser zu organisieren, wurden drei Divisions eingerichtet. Consumer Electronics kümmert sich um für den Endverbraucher, Professional Systems baut Produkte für die Profis in Funk und Fernsehen, die zuletzt entstandene Integrated Systems produziert die oben erwähnten Anlagen für Konferenzsysteme.
Wie groß Sennheiser mittlerweile ist, lässt sich bei einer Führung durch die Produktion nur erahnen. Lange Gänge zwischen den verschiedenen Werkshallen zeigen, dass in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach angebaut wurde. Mehr als 2600 Menschen arbeiten für Sennheiser. Rund die Hälfte ist in Deutschland tätig. Die Mitarbeiter sind vielfach Frauen. Wegen der geschickteren Hände, wie es heißt.