Start-up-Event Slush Wo sind die Deutschen?

Auf dem Start-up-Festival Slush präsentierten 2000 Gründer ihre Ideen – und hofften auf finanzstarke Geldgeber. Firmengründer aus der ganzen Welt waren in Helsinki und fragten sich: Wo sind die Deutschen?

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Slush ist eines der weltweit größten Start-up-Festivals und findet seit 2008 jeweils Ende November in der finnischen Hauptstadt statt. Quelle: Steuer, Helmut

Helsinki Viel Licht gibt es in der großen Messehalle von Helsinki nicht. Die Slush, eines der weltweit größten Start-up-Festivals, findet seit 2008 jeweils Ende November in der finnischen Hauptstadt statt. Zu einer Jahreszeit also, zu der es im hohen Norden Europas bereits gegen 15 Uhr dunkel wird.

In diesem Jahr kamen knapp 20.000 Besucher nach Helsinki, fast 2000 Start-ups aus aller Welt präsentierten ihre Ideen in der Hoffnung, finanzstarke Geldgeber zu finden. Und die rund 1000 Investoren gaben sich alle Mühe, auf der riesigen Veranstaltung nach erfolgversprechenden Investionsobjekten Ausschau zu halten. Keine ganz leichte Aufgabe in der in ein künstliches Dunkel gehüllten Messehalle.

Und so versuchen immer mehr Start-ups mit eigenen Ständen auf sich aufmerksam zu machen. Ob das finnische Singa, ein Musikstreamingdienst a la Spotify für Karaoke, oder das russische Marvelmind Robotics, das eine hochpräzise Navigationstechnolgie für Roboter entwickelt hat: Sie und mehrere hundert weitere Unternehmen waren mit einem eigenen Messestand auf der diesjährigen Slush vertreten. Doch obwohl die Bundesregierung die Digitalisierung und Förderung junger Unternehmen zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben auserkoren hat, glänzten deutsche Start-ups in Helsinki vor allem durch ihre Nicht-Präsenz. Eines der ganz wenigen Start-ups, das sich auf einem winzigen Berlin-Stand präsentierte, war i-mmersive. Das junge Unternehmen bietet 360 Grad-Livestreaming von Veranstaltungen, Konzerten, ja sogar Gottesdiensten an. Einer der Gründer von i-mmersive, Fax Quintus, zeigte sich enttäuscht über die geringe deutsche Präsenz auf einem der wichtigsten Start-up-Events der Welt. „Ich weiß nicht, woran es liegt, aber sichtbar sind wirklich nur sehr wenige deutsche Unternehmen“, sagt er.

Unterstützung erhält er von Carsten Claus, dem Mitbegründer des neuartigen, im kommenden Sommer an den Start gehenden Reiseportals Skiptimo. „Ich glaube, dass viele sich schlicht nicht vorstellen können, was hier auf der Slush passiert“, sagt der Hamburger, der es mit seinem Unternehmen immerhin unter die 100 vielversprechendsten Start-ups bei der diesjährigen Slush gebracht hat. „Und man muss es ja auch erleben, dass hier eben der ganze Globus vertreten ist.“ Er glaubt, dass man in Deutschland hauptsächlich Richtung Kalifornien schaut und dabei vergisst, dass viele der erfolgversprechenden Start-ups aus Europa kommen.

Tatsächlich präsentieren viele Länder ihre Start-ups auf eigenen Ständen. Dazu zählen unter anderem Argentinien, Italien, Frankreich, Österreich, Südkorea, Russland, die baltischen Staaten, Gastgeber Finnland und Schweden, die alle ihre vielversprechendsten Start-up-Unternehmen auf ihren Ständen vorstellen und so auch das Interesse von möglichen Investoren wecken. Selbst Vietnam war in diesem Jahr mit einem eigenen Start-up-Stand vertreten.


Die Suche nach dem nächsten Spotify

Zur Eröffnung der diesjährigen Slush kam eigens der argentinische Ministerpräsident. Auch der norwegische Kronprinz trommelte auf der Slush in diesem Jahr für Start-up-Unternehmen aus seinem Land. Vor zwei Jahren sprach der stellvertretende chinesische Premier auf der Slush. Bundeskanzlerin Merkel war ebenfalls eingeladen, ließ sich jedoch nicht blicken. Die Gründer eines Berliner Start-up-Unternehmens, die privat in die finnische Hauptstadt gereist waren, zeigten sich enttäuscht. „Dünne Vertretung“, meinte einer von ihnen.

Dabei geht es auf der Slush um viel – vor allem um viel Geld. Investoren aus der ganzen Welt mit prall gefüllten Geldbörsen suchen nach dem nächsten Spotify oder Skype. Mehrere hundert Millionen Dollar, so schätzen Experten, werden hier in neue Geschäftsideen investiert. Um etwas von dem großen Kuchen abzubekommen, muss man sich präsentieren.

„Ja, ein eigener Stand wäre eine gute Sache“, räumt denn auch Glenn Gassen von der Deutsch-Finnischen Handelskammer in Helsinki ein. Gleichwohl betont er, dass Berlin und Hamburg mit Delegationen vor Ort waren. „Die GTAI und Bayern waren ebenfalls vertreten und zeigten sich begeistert“. Gassen gibt sich optimistisch, dass das Interesse an einer größeren Präsenz auf der Slush auch in Deutschland zunehmen wird. „Wir haben schon Vorschläge gemacht und hoffen, dass es im kommenden Jahr klappt“, erklärt er, betont aber zugleich, dass „die Aktivitäten rund um die Slush herum ebenfalls sehr, sehr wichtig“ sind. Dazu zählten Zusammenkünfte von Gründern mit Investoren abseits der hektischen Slush-Atmosphäre.

Außerdem unterstreicht Gassen, dass die Präsenz deutscher Start-ups auf dem finnischen Start-up-Event in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen sei. In diesem Jahr hätten 100 deutsche Start-ups die Slush besucht, 2015 seien es nur 39 gewesen.  Außerdem reisten in diesem Jahr 56 Investoren aus Deutschland an. Im vergangenen Jahr kamen nur 40 in die finnische Hauptstadt.

Dennoch waren sich am Abschlusstag der Slush die meisten deutschen Firmengründer einig, dass die Präsenz „deutlich ausbaufähig“ sei, wie es einer von ihnen formulierte. Und auch ausländischen Besuchern blieb die schwache deutsche Präsenz nicht verborgen. Ein italiensicher Kollege brachte es auf den Punkt: „Where are the germans?“

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