Steigende Strompreise Dieser Bäcker zeigt, wie Energiewende funktioniert

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Die E-Mail an Elon Musk

„Mission accomplished“ – Mission erfüllt, könnte man meinen. Doch Schüren ist Überzeugungstäter und Pionier. Er will andere an seinen Erfahrungen teilhaben lassen – und hält für die IHK nun am Wochenende Vorträge für andere Handwerker. Er veranstaltet Führungen und beantwortet E-Mails von Kollegen bis tief in die Nacht. Er trat in die Grüne Partei ein und gründete dort, argwöhnisch beäugt von einigen Fundis, deren Kontaktgruppe zur Wirtschaft „Grüner Wirtschaftsdialog e.V." mit. Er sieht sich als Brückenbauer zwischen Mittelstand und Klimaschützern. Es gebe ja anteilig nicht unbedingt zu viele Handwerker und Unternehmer in der Politik, sagt er, „ich kann von Kollege zu Kollege viele Klischees ausräumen.“ Im September will er in den Bundestag.

Inzwischen nehmen seine Energiewende-Aktivitäten so viel Zeit in Anspruch, dass er für die Bäckerei einen Prokuristen eingestellt hat. „Wir ergänzen uns“, sagt Schüren, „ich habe die Visionen, er den Sinn für’s Mach- und Bezahlbare.“ Doch ein Projekt könnte man dennoch als etwas größenwahnsinnig bezeichnen. Als im nahen Autobahnkreuz Hilden bei Düsseldorf ein perfekt gelegenes Grundstück frei wurde, schrieb Schüren eine lange E-Mail an den reichsten Mann der Welt: „Possible Tesla Supercharger Location on Highway-Cross A3/A46 at Hilden, Germany“, lautete die Betreffzeile. Elon Musk selbst hat zwar nie geantwortet, aber der Chef von Teslas Schnellladeinfrastruktur in Europa aus München. Schüren gewann zwei befreundete Unternehmer, kaufte das Grundstück und investiert insgesamt 18 Millionen Euro in Europas bisher größte Ladestation für E-Autos. Zum Projekt gehören noch eine Gärtnerei und eine Backstube. Tesla und den niederländischen Ladesäulenbetreiber Fastned konnte er als Pächter gewinnen. Und mitten im Elektroauto-Schnellladepark gibt es natürlich einen Bio-Backshop, mit Café.

Zwei Rentnerinnen schieben ihre E-Bikes über den schattigen Parkplatz, an dem gut 20 Teslas und sechs andere E-Autos am dicken Kabel hängen. Interessiert betrachten sie das Geschehen. Bewaffnet mit Capucchino und Hörnchen fasst eine schließlich Mut und spricht einen etwa 30-jährigen Teslafahrer an: „Junger Mann, darf ich Sie mal was fragen?“. Schüren beobachtet die Szene breit grinsend, mischt sich aber nicht ein. Er weiß: seine Kunden sind die besten PR-Mitarbeiter. „Was kosten hier so hundert Kilometer, und ist der Strom auch wirklich grün?“, fragt die Dame und blinzelt unter ihrem Fahrradhelm. Der Kunde beantwortet alle Fragen aus dem Effeff, als sei er selber Elektroingenieur oder mindestens Elektroautofachverkäufer. 

Auch hier am Ladepark ist eine lokale Photovoltaikanlage auf den Dächern die Primärenergiequelle. Diese leistet sogar 400 Kilowatt (KW) in der Spitze, demnächst wird sie auf 750 KW ausgebaut. Sie erzeugt den Großteil der Ladeenergie – so viel wie 80 Hausdachanlagen – zumindest im Sommer. Bei Sonne fließt der Strom ohne Umwege in die darunter parkenden Autos. Bei wenig Betrieb füllt die Anlage zwei Batteriepufferspeicher mit zwei Megawattstunden Kapazität – genug, um damit nachts etwa 40 große E-Autos zu laden. Erst wenn das nicht mehr ausreicht, liefern die Stadtwerke Hilden von außen Strom zu.

Gerade große Abnehmer wie Ladeparkbetreiber haben einen eigenen Anreiz, den Stromversorgern entgegenzukommen. Denn Gewerbekunden bezahlen für den Strom aus dem Netz nicht nur den am Zähler abgelesenen Verbrauch in Kilowattstunden, sondern zusätzlich einen sogenannten Leistungspreis, der sich nach den Bedarfsspitzen richtet. Wer ab und zu hohe Leistungen – vereinfacht: viel Strom auf einmal – aus dem Netz zieht, bezahlt mehr als ein Betrieb mit dem gleichen Stromverbrauch, der ohne Lastspitzen auskommt. „Die Pufferbatterie in Zusammenarbeit mit der PV spart uns also bares Geld“, sagt Unternehmer Schüren.

Der Netzanschluss habe dank des Solar-Batterie-Systems um zwei Drittel kleiner ausfallen können als ohne. Das benachbarte Rechenzentrum etwa braucht einen vier Mal so großen, entsprechend teureren Netzanschluss. Bei den Stadtwerken Hilden, die den Ladepark an ihr Netz angeschlossen haben, sind die Ingenieure voll des Lobes für Schüren: „Wenn alle Mittelständler so viel mitdächten und so viel Eigeninitiative zeigten, wäre der Netzausbau für die Energiewende ein deutlich kleineres Problem“, sagt Daniel Heuberger, Chef der Netzsparte. 

Zurück in der rund fünf Kilometer entfernten Großbäckerei: Zur PV-Anlage auf dem Dach kommt hier inzwischen ein ausgeklügeltes Wärme-Tausch-System. Eine wassergekühlte Kälteanlage nutzt im Sommer die natürliche Erdkühle von konstanten 14 Grad aus bis zu 99 Meter Tiefe mit Erdsonden. Zusätzlich hat Schüren unter dem Kundenparkplatz in etwa einem halben Meter Tiefe hunderte Meter von Wasserrohren in engen Serpentinen verlegen lassen. „Wasser speichert viel mehr Energie als Luft, die Leitung holt uns im Winter die nötige Kühlenergie einfach vom Parkplatz in die Backstube rein“ , sagt Schüren. Aus den Rauchgasen der Biomasseheizkessel und aus der „Schwadenabwärme der Backöfen“ holt eine Wärmerückgewinnungsanlage weitere Energie. „Wir nutzen sie nicht nur zum Heizen, sondern sie betreibt auch einige zuvor elektrische Verbraucher wie die Gewerbespülmaschinen und zwei Kochwasserbereiter.“

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Insgesamt, sagt Schüren, habe er so seinen Strom- und Gasverbrauch halbiert und „unsere CO-Emissionen um 90 Prozent. Man kann grob sagen, dass man etwa ein Drittel mehr als für eine konventionelle Energietechnik ausgeben muss; dafür spart man enorme laufende Kosten.“ Etwa 30.000 bis 40.000 Euro Energiekosten spare er im Jahr, sagt er. „Seit die CO2-Preise nun richtig auf Heizöl und Gas durchschlagen, fühle ich mich ein bisschen wie ein Krisengewinner.“

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