Streit im Start-up Drum prüfe, wer zusammen gründet

Ein Start-up ist wie eine Beziehung. Oft verbringen Gründer mehr Zeit miteinander als mit ihren Lebenspartnern. Doch wenn diese Beziehung scheitert, steht viel auf dem Spiel. Dann ist es Zeit für Hilfe von außen.

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Ein gemeinsames Unternehmen stellt auch Freundschaften auf eine harte Probe. Quelle: Imago

Berlin Sie trafen sich in der Bibliothek: Karl stand am Kopierer mit dem Buch, das Jan gerade brauchte. Er war neu an der Uni, so kam man ins Gespräch. Von da an lernten sie zusammen, tranken zusammen, bald wohnten sie auch zusammen. Als Jan bei Karl in der WG einzog, saßen sie abends noch lange auf dem Fußboden. Es gab kaum Möbel, aber einen Bus vor der Tür, und Bier. Sie redeten über Theorien und über Frauen, oft auch Unsinn. Sie waren sich in vielem einig, wollten keine klassische Karriere machen, sich nicht einfach nur einreihen, nicht hochdienen, lieber selbst etwas aufbauen, neu denken, frei sein. Jan und Karl gründeten ein Start-up.

Wenn sie sich heute treffen, sitzen Jan und Karl an einem Tisch, der einem Mediator gehört, und reden nur noch über Geld. Es geht darum, was die Firma jetzt wert ist, und was sie in der Zukunft einmal wert sein könnte. Darum, wer wie viel zu dieser Wertschöpfung beigetragen hat. Um den Betrag, den Karl und Mark, der dritte Gesellschafter, bezahlen müssen, damit Jan seinen Anteil aufgibt. Und woher sie das Geld nehmen sollen, ohne die Firma zu ruinieren. An diesem Tisch wird wahrscheinlich das Ende einer Freundschaft verhandelt und die Frage, die sich viele Gründer erst zu spät stellen: Was wird aus unserem Baby, wenn wir uns nicht mehr verstehen?

Von wegen heile Bionade-Welt: Zwischenmenschliche Schwierigkeiten sind einer der häufigsten Gründe, mit denen Start-ups ihr Scheitern erklären. Das zeigte zuletzt eine Umfrage der US-Datenfirma CB Insights unter 146 Unternehmen, die wieder vom Markt verschwunden sind. Fast ein Viertel der Befragten gab an, gravierende Probleme im Gründerteam gehabt zu haben.

Mit einem Start-up ist es nicht viel anders als mit einer Beziehung. Zuerst ist man verliebt in die Idee und glaubt, das bleibt für immer so. Dann kommt der Alltag. Der Kunde, der den Vertrag nicht verlängert oder gar nicht erst unterschreibt. Der Mitarbeiterin, die kündigt. Die Bank, die droht. Dann zeigt sich, ob ein Team funktioniert. Zumal die meisten Gründer mehr Zeit miteinander verbringen, als mit ihren Lebenspartnern.

Jan und Karl, die in Wirklichkeit anders heißen, dachten anfangs, sie würden sich gut ergänzen. Karl, der Analytiker, produktverliebt bis ins Detail. Jan, der Verkäufer, der jeden an die Wand quatscht. Gemeinsamkeiten gab es auch: Sie waren sich einig darüber, dass sie dezentral führen wollten, dass jeder für seinen Bereich verantwortlich war und frei darüber entscheiden sollte, wo und wie er seine To-Do-Liste erledigte.

Dass sie beide abends oft nicht fertig damit waren, nahmen sie hin. Offen reden, sagt Jan, sei nicht ihre Stärke gewesen. Dafür waren sie vielleicht zu unterschiedlich. Jan streitet gern, er provoziert regelrecht, weil er glaubt, dass die beste Lösung eine möglichst intensive Debatte erfordert. Er hält es für möglich, dass er Karl damit auf die Nerven ging.


Rollen müssen klar definiert sein

Vielleicht hätte ihnen in diesem Stadium ein Blick von außen geholfen. Ein Mentor zum Beispiel, oder ein Inverstor. Ob die Gründer miteinander können, ist für Investoren ein wichtiges Entscheidungskriterium, wichtiger oft als die Idee, die sich nur allzu oft als Flop erweist und im Laufe der ersten Jahre mehrfach angepasst werden muss. „Wir investieren zuallererst in ein Team“, sagt zum Beispiel Philipp Hartmann, einer der Chefs von Rheingau Founders.

Bevor er eine Entscheidung trifft, arbeitet er am liebsten ein, zwei Monate mit den Gründern zusammen, um sie im Alltag beobachten zu können. Klar sollten sie möglichst unterschiedliche Kompetenzen mitbringen, in wichtigen Fragen aber müssten sie an einem Strang ziehen. Wenn einer eher aggressiv plane und der andere sehr sicherheitsorientiert sei, könne sich das gegenseitig befruchten – aber auch zu unlösbaren Problemen führen.

Es gehört zum Wesen von Beziehungen, dass man ihr Ende am Anfang vielleicht ahnen, aber nicht sicher vorhersehen kann. Oft sind es scheinbar nebensächliche Auslöser, an denen die Differenzen sichtbar werden. Manchmal sind es In einem internationalen Team von Rheingau herrscht derzeit schlechte Stimmung, weil ein politischer Konflikt bei der Arbeit ausgetragen wird.

Jan und Karl holten irgendwann noch Mark dazu. Anders als sie hatte er Konzernerfahrung und wusste, wie man große Projekte steuert. Er wollte auch ihr Projekt groß machen. Es lief mal gut und mal weniger gut. Und immer wenn es weniger gut lief, zeigte sich, wie groß die Unterschiede zwischen ihnen geworden waren. Vor allem zwischen Mark, der laut Jan auf Anwesenheitspflicht bestand, und Jan, der auf seiner Freiheit beharrte.

Sie diskutierten jetzt immer häufiger. Und kamen immer seltener zu einem Ergebnis. Dass sie jeweils zu einem Drittel an der Firma beteiligt waren, und diverse Vetorechte besaßen, machte die Entscheidungen nicht leichter. „Vielleicht hätten wir uns auf einen Chef einigen sollen“, sagt Jan, im Rückblick betrachtet.

Sie seien inzwischen davon abgekommen, immer nur in Mehr-Personen-Teams zu investieren, sagt Rheingau-Gründer Philipp Hartmann. „Ein König ist manchmal einfacher als eine Doppelspitze, die sich nach rechts und links entwickeln kann.“ Zwar brauche jeder Gründer Co-Kompetenzen und Sparringspartner. Er habe aber beobachtet, dass eine besonders gute Teamdynamik vor allem dann entsteht, wenn die Rollen von Anfang an klar definiert sind.

Vor allem aber müssten feste Regeln festgeschrieben werden für den Fall, dass sich die Gesellschafter in wichtigen Fragen nicht einigen können. Vor allem aber für den Worst Case – wenn einer der Gründer aussteigen will, oder die Mehrheit der anderen ihn für nicht mehr tragbar hält. Vesting heißt ein bei Investoren beliebtes Instrument, das die Gesellschaftsanteile der Gründer an Bedingungen knüpft. Kommt einer seinen Verpflichtungen nicht nach, kann er gezwungen werden, seine Anteile zu veräußern.


„Echte Partnerschaft hat eine Historie“

Jan und Karl haben sich keine dieser Klauseln gegeben, sie hatten anfangs nicht mal einen Anwalt, der auf die Bedürfnisse von Start-ups spezialisiert war. Am Anfang haben die wenigsten Gründer Geld für so eine ausführliche Beratung. Vor allem aber können sie in ihrer Anfangseuphorie nicht glauben, dass sie einander einmal so misstrauen werden, dass ein Schriftstück etwas klären muss, wozu es heute nur ein Bier braucht. Es ist wie bei Verliebten, die vor der Hochzeit einen Ehevertrag aufsetzen – an sich sehr vernünftig, aber gänzlich unromantisch.

Mit Romantik hat das Business ja auch wenig zu tun, aber selbst Investor Philipp Hartmann gebraucht ein Wort wie Magie, wenn er erklären will, warum die Rheingau Founders selbst aus einer Dreierkonstellation mit gleichen Rechten bestehen und trotzdem seit vier Jahren überwiegend harmonieren. Damit eine Konstellation auch Krisen überstehen könne, sagt Hartmann, brauche sie „etwas Magisches, das die Leute zusammenhält.“

Eine Magie geht zweifellos auch vom Erfolg aus. Die Rheingau Founders, neben Philipp Hartmann sind das noch Kai Hansen und Tobias Johann, waren unter anderem an der Gründung von Lieferando beteiligt. Bei dem Verkauf haben sie viel Geld verdient. Sie sind aber auch schon zusammen gescheitert. Ihr erstes Start-up war eine Pleite. „Echte Partnerschaft hat eine Historie“, sagt Hartmann. Die drei haben lange zusammen gewohnt und fahren heute noch gemeinsam zum Kitesurfen. Wenn er einmal heiraten sollte, sagt Hartmann, müsste seine Frau auch seine Familie akzeptieren.

Das letzte Bild, auf dem Jan, Karl und Mark zusammen zu sehen sind, wurde auf Jans Hochzeit aufgenommen. Am Ende hat sich wahrscheinlich auch das Leben zwischen sie gestellt. Erst bekam Karl ein Kind, da wollte Jan noch nichts davon wissen. Jetzt ist er selbst Vater – und versteht nicht, dass Mark nicht versteht, dass ihm sein Kind genauso wichtig geworden ist wie die Firma.

Wenn er heute den Kinderwagen durch Berlin schiebt, fragt er sich manchmal, ob es das wert war – all die Jahre, die er in das Start-up investiert hat. Das niedrige Gehalt, die nicht genommenen Urlaube, die nicht kurierten Erkältungen, die ausgeschlagenen Angebote.

Trotzdem ist er sicher, dass er wieder etwas gründen will; neu denken, frei sein von den ewigen Diskussionen, die am Ende nicht mehr intensiv waren, sondern nur noch lähmend.

Warum sollte man auch davon ausgehen, dass eine Generation, in der die lebenslange Festanstellung so realistisch ist wie der Weihnachtsmann, in der sich ein Drittel aller Eltern hat scheiden lassen, ausgerechnet in der eigenen Firma für immer bleiben will? Magie, das ist vielleicht auch nur etwas für den Moment. Aber immer noch besser, als nie.

Haben Sie etwas Ähnliches erlebt? Oder sind Sie anderer Meinung? Dann schreiben Sie an: schroeder@handelsblatt.com.

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