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Studie Zukunftsperspektiven Maschinenbau muss wachsam bleiben

Der deutsche Maschinenbau ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte, mit zahlreichen Weltmarktführern und Nischenkönigen. Doch eine neue Studie warnt: Die bedrohlichen Anzeichen mehren sich.

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Der Fokus bleibt auf Deutschland gerichtet: Nur jeder fünfte Unternehmer aus dem Maschinen- und Anlagenbau plant eine echte Produktionsverlagerung ins Ausland. Quelle: dpa

Die derzeitige Lage des deutschen Maschinenbaus ähnelt einem Sprung in der Windschutzscheibe. Zunächst ist der Riss winzig, harmlos und ungefährlich. Doch mit zunehmender Dauer, schwankenden Temperaturen oder ruckliger Fahrweise wird die Scheibe unsicher und instabil.

Der deutsche Maschinenbau hat - um im Bild zu bleiben - derzeit klare Sicht und freie Fahrt. Doch es sind die bislang kaum wahrnehmbaren feinen Risse im System, auf die die rund 6400 Betriebe jetzt besonders achten müssen. Welche das sind, das hat die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie gemeinsam mit dem Verband der Deutschen Maschinen und Anlagenbauer (VDMA) identifiziert. 330 Unternehmen haben die Forscher dafür befragt und über 50 Gespräche mit Führungskräften geführt.

"Die Studie zeigt, dass sich der Markt rasant verändert und die internationale Konkurrenz nicht schläft", fasst Christian Malrony, Studienautor und Leiter des europäischen Maschinenbaubereichs von McKinsey zusammen. Immer mehr ausländische Wettbewerber mit immer besseren Maschinen drängen auf den deutschen Markt. China sei längst in der Lage, hochkomplexe und qualitativ anspruchsvolle Maschinen zu bauen, heißt in dem 84-Seiten-Papier.

Allein Importe aus dem Reich der Mitte stiegen zwischen 1995 und 2012 um über 17 Prozent pro Jahr an, aus Tschechien um 12 Prozent. Meist erklimmen die Wettbewerber auf den aufstrebenden Ländern von "unten" aus dem Low-Cost-Segment das mittlere Preissegment und greifen dann mit "smarten" Innovationen auch im Premiumbereich an. Damit geraten die Preise auf dem deutschen Markt weiter unter Druck. In den vergangenen 15 Jahren sind die Preise für Maschinen und Anlagen nur um ein bis zwei Prozent gestiegen, während die Inflationsrate um zwei bis drei Prozent angestiegen ist.

Vorreiterrolle behaupten

"Um den neuen Playern frühzeitig Paroli zu bieten, sollten deutsche Maschinenbauer stärker in die mittleren und unteren Preissegmente eindringen", rät Malorny. Dafür müsste aber die gesamte Wertschöpfungskette, einschließlich Forschung und Entwicklung in diesen Ländern aufgebaut werden. Derzeit sitzen die Entwickler aber fast ausschließlich in Deutschland (93 Prozent).

Viele kleinere Unternehmen schrecken noch immer vor der Produktion im Ausland zurück. Erst bei den mittelgroßen steigt der Anteil der Produktion außerhalb Deutschlands von 27 auf 44 Prozent an. Eine zusätzliche Herausforderung sei das Rekrutieren und die Ausbildung von Mitarbeitern vor Ort, etwa in neuen Märkten wie China, Brasilien oder Indien. Dabei gewinnen die Absatzmärkte außerhalb Europas immer stärker an Bedeutung, allen voran Asien mit China. Aber auch Nordamerika erlebt eine "Reindustrialisierung". Viele Maschinen- und Anlagenbauer fürchten aber mögliche Akquisitionsrisiken wie kulturelle Unterschiede oder schrecken vor der komplexen Integration zurück.

Deutschlands größte Werkzeug-Maschinenbauer
Platz 10: Niles-Simmons Quelle: dpa.
9. IndexDie Index-Gruppe gehört gemeinsam mit dem Tochterunternehmen Traub zu den führenden Herstellern von CNC-Drehmaschinen. Firmensitz ist Esslingen in Baden-Württemberg. Das Unternehmen blickt wie viele schwäbische Maschinenbauer auf eine lange Tradition zurück. Hermann Hahn legte 1914 den Grundstein und begann mit der Produktion von Revolverdrehautomaten. Heute zählen zu den Hauptabnehmern von Index-Drehmaschinen die Automobil- und Automobilzulieferindustrie, der Maschinenbau, die Elektrotechnik und Elektronikindustrie sowie Hersteller in der Fluidtechnik und dem Armaturenbau. Die Index-Gruppe setzte im Jahr 2012 432 Millionen Euro um (Vorjahr: 450 Millionen) und beschäftigte 2.100 Mitarbeiter. Quelle: Pressebild
Platz 9: Emag Quelle: pr
Platz 7: Körber - Schleifring-GruppeSchleifring gehört zum weltweit tätigen Körber-Konzern, der 30 internationale Technologieunternehmen unter seinem Dach vereint. Die Abnehmer der Schleifmaschinen stammen aus den Branchen Automobilindustrie und Zulieferer, Werkzeugindustrie, Kraftwerkturbinenbau, Werkzeug- und Formenbau, Medizintechnik, Maschinenbau, Uhrenhersteller sowie der Turbinenindustrie. Zu den größten Abnehmermärkten gehören, nebst Westeuropa, Asien (inklusive China) sowie Amerika. 2012 setzte die Schleifring-Gruppe 530 Millionen Euro (Vorjahr: 470 Millionen Euro) und beschäftigte 2200 Mitarbeiter. Quelle: Presse
Platz 5: Heller Quelle: Pressebild
Platz 5: GrobDas Unternehmen Grob mit Stammwerk in bayerischen Mindelheim produziert in Sao Paulo, Brasilien, im amerikanischen Bluffton/Ohio und im neugebauten Werk in Dalian in China. Eigene Service- und Vertriebsniederlassungen unterhalten die Mindelheimer unter anderem in Beijing, Shanghai und Mexiko. Seit Firmengründung im Jahr 1926 ist Grob im Familienbesitz und wird heute in dritter Generation geführt. Weltweit beschäftigt der Maschinenbauer rund 4.000 Mitarbeiter. 2012/2013 erwirtschaftete das Unternehmen 650 Millionen Euro (Vorjahr: 600 Millionen Euro). Quelle: Pressebild
Platz 6: MAG Europe Quelle: pr

Für die Studienautoren ist klar: Die Maschinenbauer müssen sich mehr trauen. Sonst werden sie von den "jungen Wilden" aus Asien oder Osteuropa überholt. Diese Gefahr bestehe auch bei der immer umfassenderen Vernetzung von Industrie und Internet. "Softwareunternehmen etwa könnten den Markt für Maschinen und Anlagen mit Hilfe intuitiver Bedientechnologie aufrollen, wie es einst Apple bei Smartphones gelungen ist", warnen die Autoren. Gleichzeitig aber hätten die Ansätze der vierten industriellen Revolution große Potenziale, die Produktivität am Standort Deutschland wieder zu steigern. Beim Produktivitätsanstieg hinkt die deutsche Branche seit einigen Jahren anderen Ländern nämlich deutlich hinterher.

Und schließlich müssen die Maschinenbauer dringend den Bereich Aftersales und Servicegeschäft anpacken. Hier liege noch großes Wachstums- und vor allem Gewinnpotenzial. Obwohl er für 60 Prozent der Umfrageteilnehmer ein wichtiges Thema ist, schaffen es bislang nur wenige, die Profitabilitätschancen diese Geschäfts zu nutzen.

Nur 15 Prozent des Umsatzanteils geht bisher durchschnittlich auf das Servicegeschäft zurück. Die Betriebe konzentrierten sich auf klassische Angebote wie Wartung und Reparatur bereits verkaufter Maschinen. Nur wenige optimieren die Betriebskosten der bestehenden Kunden, beispielsweise über Kundenschulung und Beratung. Kaum üblich ist die Nutzung gewonnener Kundendaten für eine kontinuierliche Verbesserung des Angebots, die sich etwa im Rahmen von Softwareangeboten oder eines Betreibergeschäfts umsetzen ließe.

Das Fazit: "Die derzeit starke Position birgt die Gefahr, anstehende Herausforderungen zu unterschätzen", lautet die Kernbotschaft der Studienautoren. Die Erfolgsmuster von heute können morgen schon nicht mehr funktionieren. Die Maschinenbauer müssen stärker internationalisieren, ihren Aftersales-Bereich ausbauen und dürfen sich nicht auf ihrem Premium-Anspruch ausruhen. Denn auch das zeigt die Studie: Die wahrgenommene Premiumposition deutscher Maschinen- und Anlagenbauer schlägt sich kaum in höheren Ebit-Margen nieder.

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