TCV investiert in Brillen.de Silicon-Valley-Investor steigt in Deutschland ein

Das Start-up Brillen.de erhält 45 Millionen Dollar von einem der führenden Risikokapitalgeber aus dem Silicon Valley. Für TCV sind die Optiker das allererste Investment in Deutschland.

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Das Start-up leitet sie die Kunden, die sie online anwerben, an ein Partnergeschäft in der Offline-Welt weiter. Quelle: Imago

Berlin Für so einen Investor würden viele Gründer ihre Seele verkaufen: Technology Crossover Ventures (TCV) ist einer der größten Risikokapitalgeber im Silicon Valley. Der Fonds ist an prominenten Unternehmen wie Facebook oder Linkedin beteiligt. Jetzt investiert TCV erstmals in Deutschland: Die Kalifornier stecken 45 Millionen Dollar in Brillen.de, ein Start-up aus Wildau bei Berlin.

Begonnen hat alles in Bayern. In Bayreuth führten Matthias Kamppeter und seine Frau Christine ein Optik-Fachgeschäft. Der Laden lag im Erdgeschoss, darüber hatte Kamppeters Vater, ein Augenarzt, seine Praxis. „Die Patienten kriegten oben ihr Rezept und kauften unten bei uns ihre Brille. Der Preis spielte keine Rolle, wir waren so was wie die Apotheke“, erzählt Kamppeter. Bis die Krankenkassen die Zuzahlung für Sehhilfen strichen. Von da an mussten die Optiker zusehen, wie ihre Kunden zu Ketten wie Fielmann oder Apollo abwanderten.

Und dann kam auch noch das Internet. Mit den Preisen konnte ein inhabergeführtes Geschäft in Innenstadtlage kaum noch mithalten. 2012 gründeten Kamppeter und sein Schulfreund Daniel Thung Brillen.de – zunächst mit privatem Kapital. Weil sie in Bayern keine weitere Unterstützung fanden, zogen sie nach Wildau in Brandenburg, wo ihnen die mittelständische Beteiligungsgesellschaft ein erstes Investment zur Verfügung stellte.

Anders als Online-Optiker wie Mr Spex oder Brille24 handelt Brillen.de nicht nur mit Sehhilfen, sondern produziert selbst welche – in Schanghai, wo ein weiterer Mitgründer eine Fabrik besitzt. „Indem wir selbst herstellen, umgehen wir die üblichen Vertriebsstufen und können so deutlich günstigere Preise anbieten“, erklärt Kamppeter. Der Fokus liegt auf teuren Gleitsichtgläsern.

Anders als der Name vermuten lässt, verkauft Brillen.de seine Produkte auch nicht im Internet. Stattdessen leiten sie die Kunden, die sie online anwerben, an ein Partnergeschäft in der Offline-Welt weiter, das die Messungen beim Kunden vornimmt und die Daten nach Schanghai weiterleitet. Von dort kommen die Brillen per Flugzeug nach Deutschland und dann per Post in die Filiale, wo sie vom Optiker angepasst werden. 700 Optiker in Deutschland sind bereits an das Netz von Brillen.de angeschlossen, weitere 200 sind es in Spanien, Großbritannien und Portugal.

„Brillen.de hat ein einzigartiges vertikal-integriertes Multi-Channel-Konzept, zahlreiche Wachstumsmöglichkeiten und ein exzellentes Führungsteam mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Augenoptik“, sagt John Doran, Partner bei TCV. Mit dem neuen Kapital will Brillen.de seine bestehenden Märkte erweitern und in andere, zunächst europäische Länder expandieren. Langfristig ist auch der Markteintritt in den USA geplant. Zudem sollen demnächst auch Kontaktlinsen produziert werden.

Die Super Vista AG, so heißt das Unternehmen hinter brillen.de, arbeitet nach Kamppeters Angaben seit dem Geschäftsjahr 2013 profitabel. Nach Meinung von Patrice Deckert, Partner bei DCA Capital Advisors, die den Deal begleitet haben, dürfte dieser Fakt nicht unwesentlich zu der Entscheidung von TCV beigetragen haben. Matthias Kamppeter sei nicht einer dieser BWL-Typen, die sich für drei Jahre auf ein fremdfinanziertes Projekt stürzen, um dann weiterzuziehen. „Er kennt sich aus in der Branche, ist für die Optiker ein vertrauenswürdiger Partner“, sagt Deckert. Dadurch, dass er lange Zeit nur sein eigenes Geld zur Verfügung hatte, wisse der Gründer, das Kapital umsichtig einzusetzen. Denn: „Er hat am eigenen Leib erfahren, was es heißt, wenn ein Geschäft mal super und dann wieder gar nicht gut läuft.“

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