True Fruits „Ein bisschen weniger Pipi-Kaka-Humor“

Provokation als Stilmittel: Die Smoothie-Marke True Fruits ist mit solchen Werbeslogans bekannt geworden.

True Fruits gilt wegen seiner Werbeslogans als „Mittelfinger im Kühlregal“. Nun will der Smoothie-Hersteller „weniger Pipi-Kaka-Humor“ einsetzen, verspricht Gründer Nicolas Lecloux. Nur eins soll provokant bleiben.

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Wenn True Fruits bald den weltersten Tomatenshot in Kooperation mit Tabasco herausbringt, dann ist es die Schärfe, die Nicolas Lecloux die meisten Sorgen macht. „Wie viel Schärfe verträgt er, wann ist es irgendwie viel zu scharf?“, sagt Lecloux. Hauptsache, der Shot reizt nur die Geschmacksnerven – und nicht etwa auch die Befindlichkeiten der Konsumenten.

Mit seinen provokativen Werbeslogans ist True Fruits so etwas wie das Enfant Terrible unter den Supermarkt-Marken, der „Mittelfinger im Kühlregal“ titelte die Lebensmittel-Zeitung einst. Der Smoothie-Hersteller warb gerne mit Anspielungen auf Sex oder mit politischer Unkorrektheit. Ein Smoothie in dunkler Flasche etwa betitelte True Fruits als „Quotenschwarzer“, ein Smoothie mit Chia-Samen bewarb die Marke mit dem Spruch: „Oralverzehr – schneller kommst du nicht zum Samenerguss.“

Nun aber will die Marke leisere Töne anschlagen. In Zukunft solle es „ein bisschen weniger Pipi-Kaka-Humor als vielleicht noch vor fünf, sechs Jahren“ geben, sagt Gründer und Geschäftsführer Nicolas Lecloux im WirtschaftsWoche-Podcast „Das Chefgespräch“. „Also, wir werden ja auch älter.“

Die Werbung sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Skandale: Als True Fruits zur Bundestagswahl 2021 die Logos der größten Parteien auf seine Flaschen druckte, sorgte auch das für Aufregung. Den Smoothie mit AfD-Aufdruck verbannte der Lebensmittelhändler Edeka aus seinen Filialen. Zwei Jahre zuvor sagte der Veranstalter des Marketingkongresses OMX einen Auftritt von Lecloux ab, nachdem Prominente wie TV-Moderator Joko Winterscheidt, Komikerin Carolin Kebekus und Autorin Charlotte Roche in einem Brief dagegen protestierten. Sie warfen dem Smoothiehersteller Sexismus und Diskriminierung vor. Einige Menschen könnten durch die unsensiblen Werbesprüche an traumatische Erlebnisse erinnert werden, warnten Kritiker immer wieder.

„Es gibt Dinge, die wir heute glaube ich nicht mehr machen würden“, sagt Nicolas Lecloux heute. Eine Lektion habe auch True Fruits „schmerzlich verstanden“: „Der Kontext, in dem man etwas postet oder schreibt, der ist halt drei, vier Monate später weg, ist futsch.“ Was in der aktuellen Diskussion um die Frauenquote vielleicht noch lustig gewesen sei, könne „sechs Monate später wirken, als ob du ein dummer Sexist bist.“ Das Klima habe sich seit den Anfängen des Unternehmens verändert, sei angespannter. „Da muss man einfach etwas vorsichtiger sein mittlerweile.“

Nicolas Lecloux erzählt im Podcast, warum True Fruits inzwischen weniger auf Provokation setzt, wie „grässlich“ Smoothies in Sachen Nachhaltigkeit sind – und er trotzdem nicht weniger als die Weltherrschaft anstrebt.
von Horst von Buttlar

Dabei haben die Skandale dem Wachstum der Marke in der Vergangenheit kaum geschadet. Bei Smoothies gilt True Fruits unangefochten als Marktführer, mit einem Marktanteil von über 70 Prozent, sagt Lecloux selbst.

Die Geschichte des Unternehmens beginnt im schottischen Aberdeen, wo Nicolas Lecloux und seine Kommilitonen Inga Koster und Marco Knauf ein Auslandssemester machen und sich zu Kaffee und Kuchen treffen, irgendwo in einem unhippen Großmutter-Café, das auch Fruchtpüree servierte. In Großbritannien ein Millionenmarkt, in Deutschland damals vollkommen unbekannt. Zuhause in Deutschland suchen sich die drei BWL-Studentin Unterstützung von Biologen und Chemikern und fangen an zu pürieren – mit begrenztem Erfolg. Das Team suchte sich Kreditgeber und Abfüller, dann Verkaufskanäle. Ratschläge, doch lieber auf Plastik statt auf Glasflaschen zu setzen, ignorierten die drei Gründer. Der Durchbruch kam, als die Tankstellenkette Aral die Smoothies in den Glasflaschen listete – und auch große Marken wie Chiquita den Smoothiemarkt entdeckten und dafür warben.

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Das provokante Marketingstrategie entstand nebenbei, sagt Lecloux im Chefgespräch. „Das ist keine Strategie gewesen, Ich glaube, es hat sich so hochgeschaukelt.“ Das Team sitzte zusammen, denkt über Ideen nach, findet etwas lustig. „Und es ist dann auch niemand da, der sagt: 'Das könnt ihr nicht machen, das ist doch zu krass.'“ In gewisser Weise sei True Fruits wie „ein Haufen Kinder ohne Erwachsene“ – auch heute noch.

Nur will Lecloux diese Energie nun lieber in Produktideen investieren. So brachte das Unternehmen einen Shot heraus, der wie das Hustenbonbon Em-Eukal schmeckt und kooperierte dafür auch mit dem Bonbonhersteller. Im vergangenen Jahr folgte ein Lebkuchen-Smoothie. Sechsstellige Beträge bieten Marken mittlerweile dafür, dass True Fruits ihre Konzepte als Smoothies umsetzt „und für eine kurze Zeit dann auch mal in den Handel bringen“, sagt Lecloux – oder auch in die sozialen Medien. Eine Sonderedition mit der Brauerei Früh Kölsch im Kölsch-Glas-Look war etwa schnell vergriffen.

Andere Ideen scheiterten: Ein Mango-Shot mit Senfsamen von Löwensenf? „Es hatte einige Fans, aber nicht viele“, sagt Lecloux. Chips aus getrocknetem Obst? Zu teuer. Eine Fruchtbowl? „Das ist ein Art Fruchtmatsch“, sagt Lecloux, „von dem wir absolut überzeugt waren und immer noch sind. Aber die Bowls haben einfach keinen interessiert.“

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Das Unternehmen will sich deshalb nun mehr darauf konzentrieren, andere Länder zu erobern. „Wir haben schon die Weltherrschaft vor Augen im Smoothiebereich, und das dauert seine Zeit“, scherzt der Unternehmer. Dabei helfen soll Investor Eckes-Granini: Seit 2018 ist der Safthersteller investiert und ließ kürzlich beim Kartellamt ausloten, ob der Anteil noch erhöht werden könnte. In Europa ist Eckes-Granini Markführer – und soll nun auch True Fruits dabei unterstützen, in anderen Ländern Fuß zu fassen. Dabei hatte True Fruits den Partner einst noch selbst mit einem Werbeplakat angegriffen: „Sag ja zu Plastik“, hieß es damals auf einem Werbeplakat. „Glas kann kaputt gehen. Plastik bleibt im Meer und ewig.“

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