Untergang des Kettcar-Herstellers „Der Elektroroller wäre genau das richtige Thema für Kettler gewesen“

Kettler Quelle: dpa

Kurz vor der erneuten Insolvenz war Kettler noch mit dem German Brand Award ausgezeichnet worden. Andrej Kupetz ist Jurymitglied sowie Chef der verleihenden Stiftung und erklärte, wie das sein kann – und was Kettler hätte helfen können.

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Andrej Kupetz gehört dem European Design Leadership Board und dem Hochschulrat der Hochschule für Gestaltung Offenbach an und ist Hauptgeschäftsführer des Rats für Formgebung. Dieser zeichnet gemeinsam mit der GMK Markenberatung über das German Brand Institute Unternehmen und Kampagnen mit dem German Brand Award aus. Kupetz ist auch selbst Jurymitglied. Im Oktober 2019 sprach er mit der WirtschaftsWoche über die Insolvenz bei Kettler und wie das Ketkar-Unternehmen eine Zukunft gehabt hätte.

WirtschaftsWoche: Bei Kettler begann Ende Juli 2019 das dritte Invsolvenzverfahren in vier Jahren, diesmal konnte das Unternehmen nicht mehr gerettet werden. Anfang Juni haben Sie Kettler noch mit dem German Brand Award 2019 ausgezeichnet. Was gab dafür den Ausschlag?
Andrej Kupetz: Der German Brand Award ist ein Instrument, um deutsche Unternehmen, vor allem Mittelständler, in ihrer Markenkommunikation zu stärken. Wir haben eine sehr spezifische deutsche Situation: Es gibt überwiegend Unternehmen, die wirtschaftlich nicht bei den Global Playern mitspielen, die es aber schon lange gibt, wo die Marke in der Wahrnehmung der Verbraucher sehr stark ist. Da gibt es dann natürlich auch die traurige Situation, dass viele der älteren Marken den Schritt in die Zukunft nicht schaffen. Weil sie vielleicht nicht mehr das Ohr am Verbraucher haben. Irgendwann ist dann nur noch die Marke übrig.

Was ist denn bei Kettler konkret schiefgelaufen, dass sie sich trotz ihrer ja offenbar guten Markenarbeit nicht halten konnten?
Kettler fing nach dem Krieg damit an, eine amerikanische Idee auf den deutschen Markt zu übertragen: Sie waren hier die ersten Produzenten von Hollywoodschaukeln, die in den 1950er-Jahren ein unglaublicher Trend wurden. Sie haben durch die Produktion dieser Gartenmöbel dann auch schnell eine große Kompetenz in der Aluminiumverarbeitung aufgebaut, sich in Richtung (Leicht-)Fahrradbau weiterentwickelt und eben das Kettcar erfunden. Diese Freizeitmobile waren sehr innovative Produkte, die beim Verbraucher gut ankamen. Sie fingen dann vor etwa 20 Jahren an zu straucheln, weil sie neue Trends in der Freizeitmobilität nicht mehr aufnehmen konnten. Viele Verbraucher kennen Kettler immer noch, aber man bringt sie nicht mehr mit aktuellen Trends in Verbindung.

Wie Unternehmen die Kettler-Falle vermeiden
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Zum Beispiel wären eigentlich Elektroroller genau das richtige Thema für Kettler gewesen. Aber da haben sie keinen Drive gehabt, sich in diese Richtung zu bewegen. Und das ist sehr bedauerlich, denn damit hängen ja auch Schicksale und Arbeitsplätze zusammen.

Reinhard Zinkann, einer der Gesellschafter von Miele, sagte mal: Der Markenmythos entsteht in der Markenvergangenheit. Das stimmt auch für Kettler. Bei Miele haben sie es geschafft, das auch in die Zukunft zu entwickeln, bei Kettler eben nicht. Vermutlich liegt es auch daran, dass das Unternehmen aufgrund von tragischen Ereignissen nicht mehr familiengeführt war, sondern von fremden Managern geleitet wurde, die vieles nicht mehr so glaubhaft vermitteln konnten, was passierte.

In Ihrer Begründung für die Auszeichnung klang das noch etwas anders. Dort heißt es vielmehr, Kettler werde sich „konsequent vom Traditionsunternehmen zur Trendmarke entwickeln“. Das hat nun offenbar nicht funktioniert. Haben Sie bei Ihrer Bewertung etwas übersehen?
Bei unserem Wettbewerb kann man sich bewerben, die Auszeichnungen werden nach einer Experten-Jurymeinung vergeben – die natürlich auch subjektiv sein kann. Da geht es nicht um Peer Groups, nicht um Verkaufszahlen. Im Vordergrund steht immer die Frage: Sehen wir, dass diese Marke auf dem richtigen Weg ist? Können wir das für eine Auszeichnung anerkennen? Im Falle von Kettler war es ja auch eine „Lobende Erwähnung“: Wir erkennen eure Bemühungen an, aber für einen „Winner“ reicht es noch nicht. Die Juroren kennen die Branchen, das soll auch eine Motivation sein: Macht bitte weiter.

Also würden Sie die Auszeichnung aus heutiger Sicht erneut an Kettler vergeben? Zu den Werten des Preises zählen ja auch Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit und ökonomischer Erfolg. Das sieht nach heutigem Stand ja schon etwas schief aus.
Es sieht schief aus, ja. Nachhaltigkeit war aber immer absolut ein Wert des Unternehmens Kettler. Ich würde auch nach wie vor sagen: Der Wille zur Innovation war da. Aber wirtschaftlichen Erfolg können sie sich nun natürlich nicht mehr auf die Fahne schreiben. Wenn der Markt nicht so reagiert, wie man sich das erhofft, hat man sicherlich auch interne Fehler gemacht. Vielleicht hat aber auch einfach die Gesamtkonstellation nicht gestimmt.

Noch kurz zu Ihrer Auszeichnung selbst: Sie hatten ja schon angesprochen, dass Kettler sich für Ihren Award beworben hat. Wie läuft der Nominierungsprozess denn ab?
Wir haben ein zweigliedriges System. Wir schauen einerseits im Markt nach Innovationen, nach toller Arbeit in der Markenführung, die sprechen wir selbst an. Andererseits sind etwa 50 Prozent inzwischen Initiativbewerbungen. Von Unternehmen oder ihren Agenturen, die für eine bestimmte Kampagne, ihre Produkte oder ihre Marke in einer Kategorie ausgezeichnet werden möchten. Es ist ja auch ein Marketingaward. Dann kommt die Jury zusammen und diskutiert so lange, bis ein Konsens besteht: Ist es ein Gewinner, ist es sogar eine Sonderauszeichnung? Oder ist es eine Special Mention, wie im Falle von Kettler – das soll ja in wirtschaftlich schwierigen Situationen auch helfen.

Wie viele Bewerber sind denn 2019 ganz ohne Erwähnung nach Hause gegangen?
Wir hatten in diesem Jahr 1250 Bewerbungen, davon sind 456 Unternehmen ausgezeichnet worden. Etwa 64 Prozent sind also ohne Auszeichnung geblieben. Wir möchten wirklich Qualität auszeichnen. Da sollte man sich dann natürlich auch bemühen, es sauber zu halten.

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