
Thomas Müsch fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Hatten doch die drei Banken noch Mitte 2007 großes Interesse gezeigt. Mit seiner kleinen Münchner Beteiligungsgesellschaft Stemas hatte er ein mittelständisches Unternehmen, das in Süddeutschland elektronische Komponenten produziert, übernehmen wollen. Zur Hälfte wollte er den Deal über Fremdkapital finanzieren, wie er das schon mit früheren Transaktionen gemacht hatte. Stemas hat sich darauf spezialisiert, Mittelständler langfristig zu übernehmen. Müsch hatte auch diesmal schon eine schriftliche Absichtserklärung einer Bank in der Hand. Der Vertrag war geschrieben, es fehlten nur noch die Unterschriften. Und dann das: „Die Banken sind nacheinander ausgestiegen“, erzählt er.
Im November hieß es von der ersten, sie hätten ganz neue Anforderungen, sie würden so was nicht mehr machen. Im Dezember folgte die zweite Bank mit der Ansage, sie tue sich im Augenblick schwer mit solchen Finanzierungen und könne das Risiko nicht eingehen. Und im Januar sagte die dritte Bank ab. „Wir haben die Hosen voll“, bekam Müsch hinter vorgehaltener Hand zu hören. Aus der Abstinenz der Banken muss Müsch nun Konsequenzen ziehen: „Wir müssen das Konzept überarbeiten“, sagt er, „so wie im vergangenen Jahr läuft eine Übernahme nicht mehr. Es gelten andere Maßstäbe.“ Seit faule US-Hypothekenkredite eine weltweite Finanzkrise auslösten und auch deutsche Finanzinstitute wie etwa die Mittelstandsbank IKB in die Bredouille gerieten, halten sich die Geldhäuser mit der Finanzierung von Neugeschäften zurück. Wolfgang Gehrke, Bankenexperte der Universität Erlangen-Nürnberg, sagt: „Banken werden viele Kredite nicht mehr vergeben, und sie werden ein höheres Risikopolster einplanen.“ Verzweifeln müssen mittelständische Unternehmen deswegen allerdings nicht. Schließlich muss es nicht immer der klassische Bankkredit sein. Von der Beteiligung privater Finanzinvestoren bis zur Abtretung von Marken- und Patentrechten an Finanzdienstleister bleibt Unternehmern eine Reihe von Möglichkeiten, ihre Finanzierung zu sichern.
Wer als Mittelständler allerdings gerade Unternehmen übernehmen will, hat erst einmal schlechte Karten, weil die Finanzierungen dafür stocken. „Das bleibt bis Ende Februar schwierig, wenn die Bankenbilanzen draußen sind“, sagt Michael Keller, der als Teilhaber des Beratungsunternehmens Klein & Coll mit Sitz in Griesheim bei Darmstadt mittelständische Unternehmen bei der Finanzierung von Fusionen und Übernahmen unterstützt. „Deshalb sind schon einige Übernahmen abgesagt oder verschoben worden.“
Joachim Preißl, Geschäftsführer des Automobilzulieferers Bing Power Systems in Nürnberg, kennt als Mitglied im bayrischen Arbeitgeberverband Unternehmen, die Probleme haben, an Kredite zu kommen: „Das ist von der Branche abhängig. Die Bauindustrie etwa steht schlechter da als andere.“
Auch Mezzanine-Kapital ist schwieriger zu bekommen. Dieser Mix aus Eigenkapital- und Fremdkapitalelementen war für viele Mittelständler eine Zeit lang eine Alternative zum Bankkredit. Er belastet die Eigenkapitalquote nicht – und die Kapitalgeber verlangen für das eingegangene Risiko nur Rendite, haben aber keinen direkten Einfluss auf Unternehmensentscheidungen, da ihnen keine Stimmrechte gewährt werden. Die Banken bündeln Mezzanine-Kapital und reichen es an interessierte Investoren weiter. Doch seit der Finanzkrise ist der Markt zusammengebrochen.
„Es gab einige Unternehmen, die im Laufe des Jahres noch zu hören bekamen, dass sie bis Ende des Jahres ihr Geld über Mezzanine-Programme erhalten würden“, sagt Frank Gerhold, Vorstand der Buchanan Capital Group aus Starnberg, die Mittelständler bankenunabhängig berät. „Doch dann hieß es auf einmal, sorry, wir können nicht liefern.“ Offiziell zugeben wolle das natürlich keiner – weder Unternehmen noch Banken, denen es oftmals nicht mehr gelang, das im Sondervermögen gesammelte Mezzanine-Kapital in größeren Paketen an Investoren weiterzureichen.
Gerhold stellt derzeit eine große Verunsicherung auf allen Seiten fest – sowohl bei den mittelständischen Unternehmen als auch aufseiten der Banken. „Die Unternehmen fragen, wo steht denn meine Bank“, sagt der Experte, „und die Banken sind in ihren Kreditentscheidungsprozessen aufgrund ihres eigenen Risikomanagements derzeit eher zurückhaltend.“
Zwar beteuern die Banken auf Nachfrage, dass sie den Mittelstand nach wie vor auf dem Schirm hätten. Jede gute Idee würde auch eine Finanzierung bekommen, heißt es. „Die Banken können es sich gar nicht leisten, den Mittelstand austrocknen zu lassen“, sagt Vera Schubert, volkswirtschaftliche Expertin der KfW Mittelstandsbank, „Banken und Sparkassen werden das Mittelstandsgeschäft auch in Zukunft nicht vernachlässigen, denn dieses Risiko können sie gut einschätzen. In Anbetracht der volatilen internationalen Kapitalmärkte wirkt die heimische Mittelstandsfinanzierung als Stabilisator.“ Allerdings räumt auch Schubert ein, dass durch die Finanzkrise die Mittelständler mit „leicht schlechteren Refinanzierungskosten“ rechnen müssten.
Aber es gibt Alternativen zum Bankkredit – etwa die Beteiligung von privaten Finanzinvestoren. Thomas Bohnacker etwa hat sich von vornherein dagegen entschieden, sich von Banken allzu abhängig zu machen. Vor sechs Jahren hat er die Mengele Agrartechnik nach deren Insolvenz übernommen. Bohnacker will das Unternehmen, das von Ladewagen über Muldenkipper bis Dungstreuer so ziemlich alles produziert, was man in der Landwirtschaft an den Traktor anhängen kann, wieder nach vorne bringen. Doch mit den Jahren hat er sich überlegt, nicht das ganze Risiko alleine schultern zu wollen. Er suchte nach einem Partner für sein Unternehmen. „Dafür wollte ich eine neutrale Beteiligungsgesellschaft, die in kleinere Unternehmen auch längerfristig investiert“, sagt er. „Ich wollte nicht alles bei einer Bank machen.“
Er ließ sich Zeit, um seine Finanzpartner auszuwählen. Seine Bank hätte ihn auch mit ihrer hauseigenen Beteiligungsgesellschaft unterstützt, aber nur für zwei bis drei Jahre, während er selbst langfristiger gedacht hat, in Zeiträumen von fünf bis sieben Jahren. „Ich wollte da eine Kontinuität“, sagt er. „Ich habe mir deshalb eine private Beteiligungsgesellschaft gesucht, die das Unternehmen mit mir gemeinsam voranbringt und auch aktiv mitwirken will.“