




Eigentlich wäre anzunehmen, dass Unternehmenskredite gefragt sind, denn die Zeichen stehen auf Wachstum. Die deutsche Konjunktur brummt, die Zinsen sind auf einem Tiefpunkt und die Angst vor einem Kollaps der Eurozone ist fast weg. Trotzdem bleiben Banken auf dem billigen Geld sitzen. „In Deutschland ist die Situation so, dass wir Banken gerne mehr Kredite vergeben würden als die Nachfrage der Unternehmen hergibt“, sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB.
Unternehmen kommen so leicht wie lange nicht an Kredite. Die Banken schwimmen im Notenbankgeld, die Zinsen sind niedrig, die Anlagemöglichkeiten begrenzt. „Die Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft in Deutschland ist auf einen historischen Tiefstand gesunken“, sagt Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Förderbank KfW: Seit Beginn der KfW-Unternehmensbefragung 2001 beurteilten noch nie so viele Firmen aller Größen das Finanzierungsklima so positiv wie aktuell. Das alte Kerngeschäft der Geschäftsbanken, die Kreditvergabe an Unternehmen, sollte also eigentlich gut laufen. Aber das Gegenteil ist der Fall.
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Chancen und Risiken ausgewählter Finanzierungsformen für Unternehmen
Geeignet für Mittelständler mit: Umsatz im dreistelligem Mio.-Bereich, Kapitalbedarf ab 50 Millionen Euro
Chance: Jederzeit neues Kapital, Öffentlichkeitswirkung, strukturelle Verbesserung im Unternehmen
Risiko: Lange Vorbereitung, hohe Kosten, Kontrolle von außen (Berichtspflichten, Stimmrecht der Aktionäre)
Geeignet für Mittelständler mit: Kapitalbedarf zwischen 5 und 40 Millionen Euro
Chance: Wissen und Kontakte des Kapitalgebers nützen dem Unternehmen
Risiko: Kontrolle im Falle einer Mehrheitsbeteiligung, oft nur mittelfristiges Engagement des Kapitalgebers (drei bis sieben Jahre), danach Verkauf oder Börsengang
Geeignet für Mittelständler mit: bekanntem Namen oder Marke, Kapitalbedarf ab 30 Millionen Euro
Chance: Positiver Imageeffekt durch Präsenz am Kapitalmarkt, keine Sicherheiten nötig
Risiko: Hohe Kosten (bis zu sechs Prozent des Emissionsvolumens, Zinszahlungen), Berichtspflichten
Geeignet für Mittelständler mit: Kapitalbedarf bis etwa zehn Millionen Euro
Chance: Günstiger als Bankdarlehen, Direktvertrieb über die firmeneigene Internet-Seite, nachrangige Schulden
Risiko: Keine festen Zeichnungstermine, daher ungeeignet für dringenden Kapitalbedarf
Geeignet für Mittelständler mit: Bedarf an teuren Investitionsgütern
Chance: Flexible Laufzeit und Umfang der Leasing-Verträge, Entlastung der Kreditlinien
Risiko: Haftung für Schäden am Objekt, unter Umständen teurer als Kredit, schlechte Vergleichbarkeit der Angebote
Geeignet für Mittelständler mit: Liquiditätsproblemen, Kunden mit schlechter Zahlungsmoral
Chance: Factorer trägt das Risiko bei Zahlungsausfall eines Kunden, schnelle Liquiditätsbeschaffung
Risiko: Hohe Kosten, hängen ab vom eigenem Rating, der Bonität der Kunden, Zahl der Rechnungen und Zahlungszielen
Lieber ohne Fremdkapital
Die Firmen stehen keineswegs Schlange bei den Banken. Die Commerzbank stellt in einer aktuellen Studie fest: Deutschlands Mittelständler stehen auf der Investitionsbremse. Und diejenigen, die Anlagen oder Fabrikhallen finanzieren, wollen das möglichst ohne Hilfe von Banken und Sparkassen tun - zumindest gaben das 66 Prozent der über 4.000 befragten Unternehmen an.
Die Commerzbank bilanziert ernüchtert: „Fremdfinanzierung ist trotz guter Finanzierungsmöglichkeiten im Mittelstand äußerst unbeliebt.“ Der Chefvolkswirt der Bank, Jörg Krämer, erklärt das Phänomen mit „krisenbedingtem Rest-Misstrauen“. Gerade die kleineren Unternehmen „haben in der Wirtschaftskrise die Erfahrung gemacht, schlechter an Kredite zu kommen, und haben deshalb das Bestreben, unabhängiger von Fremdkapital zu sein.“
Auch Frank Jehle, Finanzvorstand des Autozulieferers Mann+Hummel und Mitglied im Finanzausschuss des Branchenverbandes VDA, sieht schlechte Erfahrungen als einen Grund für die zurückhaltende Kreditnachfrage: „Es könnte sein, dass bei Marktschwankungen auf einmal der Geldfluss von Banken nicht mehr funktioniert.“ Zudem haben viele deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren ihr Eigenkapital gestärkt. „Ein erheblicher Teil benötigt derzeit überhaupt keine externen Mittel“, sagt DIHK-Chefvolkswirt Alexander Schumann.
Das gilt auch für die meist mittelständischen Maschinenbauer, wie Experte Josef Trischler vom Branchenverband VDMA erklärt: „Investitionen werden meist durch Innenfinanzierung gestemmt.“ Auch aufgrund der Unsicherheiten über die weitere Entwicklung im Euroraum vermieden die meisten Betriebe Finanzierungskosten.
Angesichts der schlechten Erfahrung, die Unternehmer in der Krise mit Banken gemacht haben, die ihnen die Kreditlinien kürzten oder dringend benötigte Mittel verweigerten, klingt eine Aussage von Bankenverbandschef Michael Kemmer wie Hohn und Spott. „Viele Unternehmen sind bereits überschuldet und werden nur durch Geldspritzen künstlich am Leben erhalten“, sagte Kemmer kürzlich. „Solche Zombie-Unternehmen schaden dem wirtschaftlichen Aufschwung eher, als dass sie ihm nützen.“