Unternehmenssanierungen Bavaria - Krisen als Chance

Reimar Scholz springt nicht in Flüsse oder stürmt in brennende Häuser. Trotzdem ist er ein Retter: Mit seiner Holding Bavaria bewahrt Scholz Unternehmen, die in wirtschaftlicher Notlage sind, vor dem Ruin. Dabei befolgt er eigentlich nur die fundamentalsten Grundsätze der Betriebswirtschaft.

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Reimar Scholz saniert Unternehmen, die in Schieflage geraten sind. Quelle: PR

MÜNCHEN HB. Das Modell ist ganz einfach: die Bavaria erwirbt bedrohte Firmen, saniert sie radikal und macht nach kurzer Zeit Gewinne. Eine Heuschrecke ist die Bavaria damit noch lange nicht. "Im Saldo haben wir mehr Arbeitsplätze geschaffen", sagt Reimar Scholz.

20 Problem-Firmen hat er bereits übernommen, 18 davon konnte Scholz in den grünen Bereich zurückführen. Dabei waren einige der übernommenen Fälle in fast aussichtslosen Situationen: für jeden Euro Umsatz, den sie erwirtschafteten, machten sie einen Euro Verlust. Rechnet der Bavaria-Chef die derzeitigen Umsätze aller Unternehmen zusammen, an denen die Bavaria beteiligt ist, kommt er auf 600 Mill. Euro. Die Holding an sich ist mit zehn Mitarbeitern schlank. Ihre Tochterfirmen beschäftigen hingegen ungefähr 3 500 Mitarbeiter.

Um auf passende Firmen aufmerksam zu werden, lesen Reimar Scholz und sein Team intensiv die Wirtschaftsnachrichten. Oft bieten sich Unternehmen an, die in einem Großkonzern eingebunden und nicht rentabel sind. Ist ein entsprechendes Unternehmen ausgemacht, unterbreiten sie dem Besitzer ein Angebot. Dem ist oft die Erfolgsbilanz der Bavaria wichtig. "Der Verkäufer hat ja auch ein Interesse, dass die Firma nicht gegen die Wand gefahren wird", sagt Scholz. Schließlich es ist keine gute Werbung für ein Großunternehmen, wenn die Mitarbeiter eines nachgelagerten und abgestoßenen Betriebs auf der Straße stehen.

So ging es auch dem traditionsreichen Stanz- und Druckgussteileherstellers Kienle und Spiess. Das Unternehmen gehörte zu dem Großunternehmen Coros, das mit Kienle und Spiess seit fünf Jahren horrende Verluste einfuhr. Zwischen 2002 und 2004 wurden bei Umsätzen von jeweils rund 200 Mio. Euro Verluste im zweistelligen Millionenbereich gemacht. Allein die Unternehmensberater kosteten jährlich fünf Millionen Euro. 2006 übernahm Bavaria den Fall.

Die erste Maßnahme - die Baseline. Dabei stellen sich Reimar Scholz und seine Kollegen zwei Fragen: Wo steht das Unternehmen in Zukunft, wenn ich nichts tue? Und wo könnte es stehen, wenn wir das Ruder herum reißen können? Zwischen dem schlechtesten Fall und dem besten Fall lag bei Kienle und Spiess eine Ziellücke von 20 Mill. Euro

Bei der Analyse des Betriebs kamen schnell dessen Schwächen ans Tageslicht. Und die lagen in der Produktion. "Die Maschinen standen 60 Prozent der Arbeitszeit still", erzählt Reimar Scholz. Das Problem war, dass es keine Anleitung gab, wie die Maschine korrekt zu bedienen ist. So hatte die Frühschicht andere Arbeitsabläufe als die Spätschicht. Um die Arbeit effektiver zu machen, mussten die Fehlerquellen entdeckt und ausgeschaltet werden.

Die alten Chefs mussten gleich am Anfang der Sanierung gehen. Um die technischen Details der Produktion hatten sie sich nicht gekümmert, das Verwaltungsgebäude lag mehrere hundert Meter von der Produktionshalle entfernt - schließlich ist Drucken und Stanzen eine laute Angelegenheit. Der neue Manager stellte sich allerdings für eine ganze Schicht selbst an die Maschinen, um die Arbeitsweise zu verstehen. Nach und nach wurden bei Kienle und Spiess standardisierte Prozesse entwickelt. Reimar Scholz begrüßte die Arbeitsweise des neuen Chefs: "Mittelständler müssen ihren Betrieb kennen, sie müssen schwielige Hände haben."

Mit dieser simplen Maßnahme konnte die Produktivität enorm gesteigert werden. Auch die Verwaltung wurde schlanker gemacht und ein Werk in England geschlossen. Damit ist der Turnaround geglückt. Das Unternehmen ist heute wieder deutlich in der Gewinnzone.

In den meisten Fällen liegt es auch in der Hand der Belegschaft, ob ein marodes Unternehmen noch zu retten ist. Dabei stößt Bavaria selten auf Widerstand bei den Arbeitern. Im Fall von Kienle und Spiess rannte Reimar Scholz sogar eher offene Türen ein. "Die Leute wussten genau, wo die Probleme lagen", sagt der Bavaria-Chef.

Laut Scholz sind die Beschäftigten immer auch bereit Einschnitte hinzunehmen, wenn man denn nur ehrlich zu ihnen ist. "Motivation durch Transparenz" ist in dieser Hinsicht das Motto von Scholz. Alles andere ist dann auch eine psychologische Gratwanderung. Den Arbeitern muss klar werden, dass sich etwas ändern muss, wenn ihr Arbeitsplatz erhalten bleiben soll. Aber der Druck darf auch nicht zu groß werden. Die Schlüsselkräfte im mittleren Managment entwickeln oft einen besonderen Ehrgeiz. Sie wollen das Ruder herumreißen.

Es gibt viele Gründe, warum ein Unternehmen kurz vor dem Abgrund steht. Die meisten davon sind simpel. Das Grundproblem: Die Firmen verbrauchen mehr Geld als sie erwirtschaften.

Mit unzweckmäßigen Expansionen überheben sich viele Unternehmer. "Und dann wird der falschen Entscheidung noch mehr Geld hinterher geworfen, weil die Menschen ihre Fehler nicht eingestehen können", erklärt Reimar Scholz.

Laut Scholz muss ein Unternehmen so lange schrumpfen, bis es Gewinn macht. Erst dann kann an eine Expansion gedacht werden. Diese betriebswirtschaftliche Grundregel ignorieren viele Unternehmer. Und indem sie zum Beispiel teure Maschinen anschaffen, bringen sie dann das Unternehmen an den Abgrund.

Ist der Betrieb dann erstmal in Schieflage geraten, ergibt sich eine Negativspirale. Durch die fehlenden Erfolge, sinkt die Motivation der Mitarbeiter. "In solchen verfahren Situationen ist es wichtig, dass Selbstbild zu stärken", sagt Reimar Scholz. Die Negativspirale müsse durchbrochen.

Der Erfolg gibt dem Münchner recht. Dabei wollte Reimar Scholz zunächst eigentlich ein gutlaufendes Unternehmen übernehmen. Jahrelang hatte er im Managment von General Electric gearbeitet, danach brachte er die Integralis, einen Produzenten von Sicherheitslösungen, an die Börse.

"Irgendwann wollte ich nicht mehr für andere arbeiten", sagte sich Reimar Scholz und suchte ein passendes, profitables Unternehmen, um sich auszutoben. Die Suche dauerte zwei Jahre und war erfolglos. Angebote für Unternehmen in Schieflage gab es allerdings genug. Schließlich steht ein Besitzer, der mit einem Konzern nur Verluste einfährt, oft unter dem Druck, die Firma so schnell wie möglich loszuwerden. 2003 gründete Scholz die Bavaria. Das erste übernommene Unternehmen machte einen Umsatz von 10 Mill. Euro, heute steigt die Bavaria nur bei Firmen mit Umsatz 50 Mill. Euro und aufwärts ein.

Die Wirtschaftskrise an sich ist für Reimar Scholz auch eine Chance: Als die Konjunktur in Deutschland brummte, musste er ins europäische Ausland gehen, um passende Firmen zu finden. Jetzt schaut sich Reimar Scholz wieder vermehrt in Deutschland um.

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