Urbane Infrastrukturprojekte Nicht weniger als die „Revolution“ im Spezialtiefbau ist das Ziel

Das Cube-System von Bauer: eine Fräse, die statt teils über zehn Meter jetzt nur eine Höhe von 2,90 Meter hat und damit in einen Container passt. Quelle: Bauer

Infrastrukturprojekte in Städten sind laut und führen oft zu Staus. Die Firma Bauer will den Spezialtiefbau daher radikal vereinfachen – jetzt müssen nur noch die Stadtplaner mitspielen. 

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Als an einem Tag im Jahr 1956 die „Ideal X“ in den USA ausläuft, weiß noch keiner der umstehenden Hafenmitarbeiter, dass gerade die Revolution an ihnen vorbei tuckert. Das Schiff nämlich hat Malcom McLean auf die Reise geschickt – und damit die Containerisierung der Weltmeere eingeläutet. Statt Waren wie Kaffeesäcke einzeln per Hand aufzuladen, sollten nur noch die heute völlig üblichen rechteckigen Kästen aufgeladen werden. Eine Idee, die zu der Zeit zwar nicht verrückt neu war, aber die McLean etablierte und damit die Logistik für immer verändern sollte.

Im oberbayerischen Schrobenhausen wäre Michael Stomberg vermutlich nicht so vermessen, zu glauben, dass er einmal eine solche Rolle in der Weltgeschichte einnehmen wird. Doch wenn der Vorstandsvorsitzende des Tiefbaumaschinen-Spezialisten Bauer AG über die eigene Container-Erfindung bei Bauer spricht, geizt er keinesfalls mit großen Worten. Als Weltneuheit bezeichnet Stromberg das, was seine Ingenieure da in einem Container zusammengesteckt haben. „Wir verändern den gesamten Spezialtiefbau“, sagt er selbstbewusst. Der Name seiner Erfindung: „Bauer Cube System“. 

Allerdings hat die Firma noch keinen Auftrag für die Innovation. Und es scheint so, als wäre noch keiner in Aussicht. Verkauft Stomberg das Projekt also größer als es ist – oder hat die Firma aus Oberbayern tatsächlich einen Coup gelandet? Entscheiden soll sich das im kommenden Jahr. 

Um zu verstehen, was Stomberg begeistert, muss man eintauchen in die Welt der Tunnel. Die Bauer AG ist auf den Bereich Spezialtiefbau spezialisiert, also beispielsweise den Bau von U-Bahnen, Dämmen oder Gezeitenkraftwerken. Dafür liefert der Weltmarktführer aus Bayern zum einen die Maschinen und ist zum anderen selbst Baufirma. 1,3 Milliarden Euro Umsatz machte das Unternehmen mit 11.000 Mitarbeitern in 70 Ländern im Jahr 2020. Das High-End-Produkt im Portfolio des Weltmarktführers sind dabei sogenannte Schlitzwandfräsen. Die kommen zum Einsatz, wenn eine Baufirma eine unterirdische Wand anlegen will, beispielsweise für die Abdichtung eines Staudamms.

Das Wort Schlitz ist dabei etwas verwirrend, denn die Maschine macht grob vereinfacht Löcher. Dafür setzt die Baufirma sie über einer Stelle ab, durch die sie sich dann viele Meter durch die Erde fräst. Das entstandene Loch wird nach mehreren Zwischenschritten mit Stahlbeton aufgefüllt. Danach wird das nächste Loch daneben gegraben und das geht so lange weiter, bis man am Ende statt langen Schlitzen voller Beton ganze Wände hat. Diese können entweder eine Baustelle abstützen oder aber später als eigenständige Wände bestehen bleiben, so wie beispielsweise bei einer Metro.

Bisher sind diese Schlitzwandfräsen an einer Art Kran aufgehängt, der in der Regel mehr als sechs Meter hoch ist. Damit sind sie in den Innenstädten wahre Monster, die dazu noch sehr laut sind und dank ihrer Dieselmotoren die Luft verpesten. Will eine Stadt eine U-Bahn dann noch unter einer Fahrbahn, Kreuzung oder Straße langlaufen lassen, muss sie die dafür sperren. Gleichzeitig nimmt die Urbanisierung immer stärker zu, unterirdische Parkplätze, Rechenzentren oder neue U-Bahn-Strecken werden gebraucht. Allein in Deutschland müssen in den kommenden Jahren mehr als 450 Milliarden Euro in öffentliche Infrastruktur gesteckt werden, schreiben das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) sowie das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.  

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Bei Bauer haben sie die Fräse nun erstmals massiv geschrumpft. Statt teils über zehn Meter hoch, misst sie jetzt nur eine Höhe von 2,90 Meter und passt damit in einen Container. Daher auch der Name Cube. Das soll zwei Szenarien ermöglichen: Zum einen soll die neue Fräse weniger Platz einnehmen, wenn eine Baufirma sie überirdisch auf einen Straßenzug stellt. Zum anderen – und das ist das Besondere – können die Ingenieure sie unterirdisch einsetzen. Dafür lässt sich der Container, in dem das Cube-System von Bauer schlummert, in eine Grube absetzen. Dort kann es auf einem vorher gegrabenen Tunnel per Schienensystem quer durch die Stadt fahren und so unter der Erde die Wände für die U-Bahn, das Parkhaus oder das Rechenzentren bauen – ohne Beeinträchtigung des Verkehrs und ohne Lärm, da die Mini-Fräse vollelektrisch läuft.

Auf Cube angesprochen, heißt es von einem anderen Unternehmen der Branche, dass die Maschine durchaus Zeit und Kosten sparen könne, ohne mehr dazu sagen zu wollen. Fritz Grübl, langjähriger Professor für Tunnelbau und Ingenieurgeologie an der HFT Stuttgart und dort nur „Mr. Tunnelbau“ genannt, ist da deutlich konkreter: „Die Idee ist sehr gut“, sagt er auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Dass die Oberfläche nur in kleinem Umfang beansprucht werde und auch die lärmintensiven Arbeiten unterirdisch stattfinden, sei für ihn ein „großer Vorteil“. Rückblickend auf seine Tätigkeit der vergangenen Jahre sagt er: „Wir hätten ein solches System schon öfter gebrauchen können, der Markt wäre also vorhanden.“

Also tatsächlich eine Revolution eines Weltmarktführers? Was sich auf dem Papier gut anhört, hat bisher nur noch nichts eingespielt. 2018 kam die Idee das erste Mal zum Vorschein, wurde aber erst später von der Entwicklungsabteilung aufgegriffen. Dann dauerte es noch etwa ein Jahr bis zur Marktreife. Einen hohen einstelligen Millionenbetrag hat die Firma investiert. Zum Vergleich: Eine normale Fräse kostet rund fünf Millionen Euro, für das Cube-System dürfte Bauer mehr verlangen, hüllt sich über den endgültigen Preis aber in Schweigen. 

Und: Bisher gibt es keinen einzigen Käufer, was Stomberg zur Seite schiebt. „Ich erwarte gar nicht, dass wir sofort eine Maschine verkaufen. Unser Cube-System ist ja ein völlig neues Gerät, das die Stadtplaner erst einmal kennen müssen“, sagt er. Mit den ersten Aufträgen rechnet er deswegen erst im kommenden Jahr und dann vermutlich aus China, zu langwierig seien deutsche Bauprojekte, um eine solche Innovation noch zeitnah in die starren Pläne unterzubringen.

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