Vaude Wie der kulturelle Wandel im Mittelstand gelingt

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2. Passe Kultur und Ziele an

An einem Tag im Frühjahr stürmt Antje von Dewitz die Treppe im Haupttrakt der neuen Unternehmenszentrale herab in die Kantinen. Das Handy steckt in der Gesäßtasche der Jeans, zwei Mitarbeiterinnen gelingt es, die Chefin vor dem Erreichen der Pastastation für eine kurze Klärung abzufangen. Dann steht Antje von Dewitz in der Schlange und wartet, dass sie an der Reihe ist. Die Wahl fällt auf Pasta mit Spinatsoße, der Weg führt an einen der Gruppentische, wo sich ­Antje von Dewitz unter ihre Leute mischt, die sie alle duzen.

Das passt zu einer Geschäftsführerin, die ihr Führungsverständnis so definiert: „Wenn man ein Unternehmen normal führt, hat man ständig drei Bälle in der Luft. Wenn man es ­nachhaltig führt, werden das unglaublich viele Bälle mehr. Die kann man gar nicht alleine jonglieren, deswegen braucht es eine Kultur, in der alle mitjonglieren können.“

Nur widerspricht so eine Kultur erst mal dem, wovon sehr viele Mitarbeiter*innen durch Sozialisation überzeugt sind. Auch die Vaude-Mitarbeiter*innen am Anfang von Antje von Dewitz Chefinnen-Zeit. Also arbeitet sie zunächst an ihrem Führungsverständnis, bevor sie anderen Veränderungen zumutet. „Dazu gehörte auch, dass ich mal geweint habe oder mal Nichtwissen eingestanden ­habe“, sagt sie. Und ihren Leuten erklärt sie: „Wir müssen Stück für Stück zu einer Kultur kommen, in der die beste Idee sich durchsetzt und jeder Mitarbeiter erst einmal relativ viel entscheiden und mitgestalten kann.“

Viel Holz, viel Glas, vor allem aber sehr viele offene Räume - auch das Bürogebäude von Vaude hat einen Kulturwandel durchgemacht Quelle: Dominik Butzmann

„Frau von Dewitz strebt offensichtlich das an, was Arbeitswissenschaftler Persönlichkeitsförderlichkeit nennen: nämlich dass Menschen die verschiedenen Bereiche ihres Lebens angemessen ­balancieren können“, sagt Professorin ­Eigenstetter.

Dafür entwickelte die Unternehmerin eine fein ziselierte Struktur. Einerseits stellte sie das konservative Hierarchieverständnis infrage. Andererseits führt sie mehr Hierarchien und hierarchische Stellen als zuvor ein: Ein Netzwerk braucht eben Knotenpunkte, an denen Menschen Dinge entscheiden – sonst sind es nur Fäden, die nirgendwo zusammenlaufen. „Wir haben aber“, sagt Antje von Dewitz, „schon stark an dem Verständnis von Hierarchie und Führung ­gearbeitet und unsere Mitarbeiter geschult, selbstwirksam zu werden und Verantwortung zu übernehmen, damit Hierarchie nicht das einzige Kriterium für Entscheidungsfindung ist.“

So hat Vaude statt eines Prozesses, der neue Produkte entlang der klassischen Kette aus Entwicklung, Produktion, Marketing, Vertrieb entwickelt, eine Kampagnenorganisation eingeführt. Soll ein Produkt entstehen, sind von Beginn an Mitarbeiter*innen aus allen Diszi­plinen beteiligt. Vaude ist ein Unter­nehmen mit einer eher klassischen Struktur, über die sich ein feines Netzwerk an Quer-Zuständigkeiten legt. Man arbeitet nicht in Posten, sondern in Rollen: Mal ist die Mitarbeiterin Marketingfachkraft (Posten), mal Verantwortlicher für eine Produkteinführung (Rolle). Mal ist ein Angestellter Personaler (Posten), mal Beauftragter für Konfliktmanagement (Rolle).

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