Von Ardenne 40 Patente pro Jahr

Von Ardenne, die High-Tech-Institution der DDR, lebt. Ein Ableger hat es zum Anlagenbauer mit Weltniveau gebracht.

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Den Dresdner Anlagenbauer Von Ardenne würde es wohl heute nicht mehr geben, hätten die Eigentümerfamilie und die Geschäftsführung 1990 anders entschieden. Verträge, die den Einstieg eines österreichischen Investors bei dem ostdeutschen Vorzeigeunternehmen besiegeln sollten, waren unterschriftsreif. Im Zug von Österreich zurück nach Dresden aber kamen dem damaligen Ardenne-Chef Peter Lenk und den Eigentümern Zweifel. Sie fürchteten, der Investor wolle nur Know-how abschöpfen. Sie bliesen den Deal ab.

Heute ist das Wissen um die Elektronenstrahltechnik, das der zu DDR-Zeiten verehrte Erfinder Manfred von Ardenne in mehr als 70 Jahren zusammengeforscht hatte, noch immer die Grundlage für den Erfolg des sächsischen Mittelständlers, der bis heute der Familie von Ardenne gehört. Das Geschäft brummt selbst in der Wirtschaftskrise. Der Umsatz stieg 2008 um 33 Prozent, die Zahl der Mitarbeiter um 110 auf 500. Seit Januar kamen weitere 50 Beschäftigte dazu, 2012 sollen bei Ardenne 800 Leute arbeiten.

Das Unternehmen ist Weltmarktführer bei großen Elektronenstrahlkanonen für Schmelzöfen. Auch bei Maschinen zum Beschichten von Fensterglas sieht es sich als größter Hersteller – 80 Prozent der Scheiben, die heute Chinas Glaswerke verlassen, bekämen ihre Wärmeschutzschicht in Ardenne-Maschinen.

Große Vergangenheit

Der 1997 im Alter von 90 Jahren gestorbene Manfred von Ardenne war nicht nur ein Vater des Fernsehens, Erfinder des Elektronenmikroskops und am russischen Atomprogramm beteiligt. In seinem schon zu DDR-Zeiten privaten Forschungsinstitut schuf er auch die Verfahren, mit denen dünne Schichten auf Glas aufgedampft werden konnten. Sein Institut baute die Maschinen, aus denen die Elemente der reflektierenden Glasfront des abgerissenen Ostberliner Palasts der Republik kamen. Das Know-how war auch im Westen etwas wert – und brachte Devisen.

Trotzdem stand das 1955 gegründete Forschungsinstitut nach der Wende in seiner ursprünglichen Form vor dem Aus. Die DDR-Kredite waren von einem Tag auf den anderen fällig. Das alte Institut spaltete sich auf in ein neues Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik und den Anlagenbauer Von Ardenne.

Peter Lenk, erst ökonomischer Chef des DDR-Instituts, dann Chef des Anlagenbauers, war zunächst von Bank zu Bank gezogen, um Geld aufzutreiben – ohne Erfolg. Erst ein Kunstgriff half. Die Familie von Ardenne übertrug Villen und Grundstücke, die sie im Dresdner Nobelviertel Weißer Hirsch besaß, an das Unternehmen. Die Immobilien ließen sich beleihen. Endlich floss Geld. Doch die schwere Phase hinterließ Spuren: Von 500 Mitarbeitern vor der Wende wurden mehr als 300 entlassen. Die verbliebenen gingen zur Hälfte zum Fraunhofer-Institut, die übrigen zum Anlagenbauer. Weil die Aufträge aus Osteuropa einbrachen, blieben Von Ardenne nur Kunden aus dem Westen.

1994 kam die Wende zum Guten. Von Ardenne erhielt einen Auftrag von einem deutschen Lampenbauer – weitere folgten. Mit Elektronenstrahlkanonen ließen sich Metalle schmelzen und reinigen. Das nutzen heute internationale Sportartikelhersteller, um Golfschläger aus Titan herzustellen. Und auch die Maschinen zum Beschichten von Glas zogen schließlich bei namhaften Konzernen wie dem französischen Glashersteller Saint-Gobain ein.

Neues Geschäftsfeld

Inzwischen erwirtschaftet Von Ardenne aber mehr als die Hälfte vom Umsatz in einem neuen Geschäftsfeld. Es sind Maschinen für die Solarbranche, die jetzt den Absatz besonders befeuern. Bereits vor 15 Jahren hatte das Unternehmen erstmals mit Solarzellen experimentiert. Dessen Maschinen dampfen lichtempfindliches Material – etwa Silizium – hauchdünn auf Glas. Zu den Kunden zählen Solaranlagenbauer wie Würth Solar und First Solar.

Heute lässt die Familie den zwei aktuellen Geschäftsführern Robin Schild und Tino Hammer freie Hand. Zudem reinvestieren die rund 20 Nachkommen den Großteil der Gewinne, etwa in Land, auf dem bald weitere Werkhallen entstehen sollen. Und auch der Forschergeist lebt fort: Bis zu 40 Patente meldet Ardennes 90-köpfige Entwicklungsabteilung jährlich an.

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