Vorwerk in der Kritik „Thermoburn“ in Australien

In Australien kochen Beschwerden von Thermomix-Kunden hoch. Sie hätten sich mit der Küchenmaschine verbrüht. Die Frage ist, ob es an Bedienfehlern oder am Gerät lag. Vorwerk hatte vorsorglich Dichtungsringe ausgetauscht.

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Vorwerk, Hersteller der Kult-Küchenmaschine, steht in Australien in der Kritik. Es geht um das Vorgängermodell TM31. Quelle:

Düsseldorf Die Australierin Danika Jones hatte im März schockierende Bilder ins Internet gestellt: üble Verbrühungen an Armen und Oberkörper, die sie sich beim Kochen von Pastasauce mit ihrem Thermomix zugezogen hatte. Im Hintergrund zu sehen: ihre mit Tomatenbrei völlig bespritzte Küche. Die Küchenmaschine sei regelrecht „explodiert“, der Deckel weggeflogen, behauptet die Frau aus Perth in mehreren australischen Medien.

Die Frage ist, ob Danika Jones das Gerät falsch bedient hat oder ein Fehler an der Maschine vorlag. Bislang konnte Vorwerk dieses Thermomix-Gerät nicht untersuchen. „Die Kundin hat uns das Gerät trotz Aufforderung weiterhin nicht zur Verfügung gestellt“, sagte Vorwerk-Sprecher Michael Weber gegenüber dem Handelsblatt. „Der Thermomix ist ein sicheres Produkt, solange die Sicherheitshinweise in der Bedienungsanleitung beachtet werden.“

In Australien kocht der Fall derzeit hoch. Denn inzwischen hat die dortige Verbraucherschutzorganisation Choice weitere Fälle gesammelt und unter dem Stichwort „Thermoburn“ gegen den Thermomix-Hersteller Vorwerk aus Deutschland mobil gemacht. Choice hat auch Beschwerde bei der australischen Kommission für Wettbewerb und Verbraucher (ACCC) eingereicht.

Das sind ungewohnte Töne für die Wuppertaler, die vom Hype um ihre Luxus-Küchenmaschine verwöhnt sind. Der Thermomix mit dem stolzen Preis von 1199 Euro genießt bei seiner Fangemeinde ansonsten Kultstatus.

Nach einer Kunden-Umfrage von Choice berichteten 83 australische Thermomix-Besitzer von Problemen mit dem TM31 und vier mit dem aktuellen Modell TM5. 45 Nutzer gaben an, sich verletzt zu haben, 18 mussten nach eigenen Angaben medizinisch behandelt werden. Die Betroffenen kritisieren vor allem, dass der Kundenservice von Vorwerk Beschwerden verschleppt und abgeblockt habe. Vorwerk hat in Australien keine eigene Landesgesellschaft, sondern arbeitet mit einem sogenannten Distributor.

Das Wuppertaler Familienunternehmen verteidigt sich gegen diese Vorwürfe: „Vorwerk hat im Jahr 2015 einen vorsorglichen Warnhinweis veröffentlicht, alle Kunden einer bestimmten Produktionscharge angeschrieben und den Dichtring der Geräte kostenlos ausgetauscht. Dies sei zu jeder Zeit in Abstimmung mit den zuständigen Produktsicherheitsbehörden geschehen“, so der Vorwerk-Sprecher.

Vorwerk stellte damals folgende Mitteilung auf seine Homepage: „Bei unseren intensiven regelmäßigen Sicherheitstests hat sich gezeigt, dass bei einigen wenigen Thermomix TM31 der Dichtungsring im Deckel nicht einwandfrei funktioniert. Wenn Sie einen solchen TM31 mit hoher Drehzahl betreiben, zum Beispiel beim Pürieren, und den Deckel anschließend direkt und/oder schnell öffnen, kann unter Umständen heißes Mixgut aus dem Topf herausspritzen. Das könnte zu Verbrühungen und/oder Verbrennungen führen.“

Sofort als das Problem erkannt wurde, habe man den relevanten Produktionszeitraum bestimmt (Oktober 2012 bis Mai 2014) und anschließend alle potenziell betroffenen Kunden mit einem neuen grünen Dichtungsring ausgestattet. „Wir haben sie gebeten, diesen gegen den grauen Dichtungsring vorsorglich auszutauschen“, so das Unternehmen. Ob Danika Jones einen neuen Dichtungsring benutzte, ist unklar. „Wir kooperieren einschränkungslos und transparent mit allen relevanten Behörden in Australien“, betont Vorwerk.


Keine Fälle in Deutschland bekannt

In Deutschland liegen bisher keine derartigen Schädigungen von Thermomix-Nutzern vor. „Mir ist kein Fall solcher Beschwerden bekannt“, sagte Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auf Anfrage dem Handelsblatt. „Viele Firmen tauschen vorsorglich Teile aus, um die Sicherheit der Kunden zu gewährleisten.“ Die Stiftung Warentest hatte erst kürzlich wieder Multifunktionsküchenmaschinen getestet, auch den digitalen Thermomix TM5. Der hatte zwar nur mäßig abgeschnitten, das lag allerdings an der kritisierten Lautstärke, nicht aber an Sicherheitsbedenken.

„Den Thermomix TM31 hatten wir im Jahr 2010 im Test. Mit korrekt eingesetztem Dichtungsring ist in unserem Test nichts aus der Maschine herausgespritzt“, sagte Stephan Scherfenberg von der Stiftung Warentest dem Handelsblatt. Die Austausch-Aktion von Thermomix beziehe sich auf Geräte, die später produziert wurden, nämlich 2012 bis 2014.

„Als wir im letzten Jahr den Nachfolger TM 5 getestet haben, sind ebenfalls keine Probleme mit dem Dichtungsring aufgetreten“, so der Warentest-Experte. „Nur wenn er falsch sitzt oder ganz vergessen wurde – also bei unsachgemäßem Gebrauch -, können Flüssigkeiten bei hoher Umdrehung aus dem Topf spritzen.“

Für Vorwerk ist der Thermomix die „Cash Cow“ des Unternehmens. Auch 2015 haben die Wuppertaler wieder ein Rekordumsatz eingefahren, wie sie im Vorfeld der Jahresbilanz verrieten, die kommenden Donnerstag veröffentlicht wird. Der Thermomix hatte 2014 den Staubsauger Kobold erstmals als größte Einnahmequelle überholt.

Damals machten die Wuppertaler weltweit einen Umsatz von 2,8 Milliarden Euro, davon 920 Millionen Euro mit dem neuen digitalen Thermomix TM5. Der wird von weltweit rund 30.000 Repräsentantinnen ausschließlich im Direktvertrieb über Kochpartys verkauft. Denn die Bedienung der High-Tech-Maschine will gelernt sein. „Die Sicherheit, das Wohlergehen und die Betreuung unserer Kunden hat bei Vorwerk seit jeher höchste Priorität“, so Sprecher Weber.

Ob die Nachfrage der Küchenmaschine nach der Beschwerdewelle in Australien einen Dämpfer bekommt, ist fraglich. Die Lieferzeit für einen Thermomix ist zwar deutlich kürzer geworden, liegt derzeit aber immer noch bei sechs Wochen.

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