Warsteiner-Brauerei Das Pils der Berater

Einst Marktführer, heute auffällig durch viele Wechsel in der Führung: Warsteiner. Quelle: imago images

Bei der familiengeführten Brauerei aus dem Sauerland bleibt die einzige Konstante der Wechsel im Management. Nach dem Abgang von Alessandra Cama haben Zahlenknechte und Berater das Ruder übernommen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Beim Sauerländer Bierbrauer Warsteiner geht es zu wie in der Fußballbundesliga: Vorstand, Präsidiumsmitglieder, Club-Boss – alle stehen wie ein Mann hinter dem Trainer und sprechen ihm das Vertrauen aus. Er sitze fest im Sattel, sagt auch der Trainer, denke zu keiner Sekunde ans Aufhören. Drei Spieltage und zwei Niederlagen später wird er vom Hof gejagt.

Auch Alessandra Cama antwortete in einem Interview im Februar, da war sie erst seit vier Monaten als Geschäftsführerin der familiengeführten Brauerei im Amt, auf die Frage, ob mit ihr nun endlich Kontinuität bei Warsteiner einziehen werde: „Ich habe eine Aufgabe angetreten, die mich begeistert. Ich denke nicht über ein Aufhören nach.“ Zehn Monate und ein paar Gedanken später verlässt Cama das Unternehmen, das Ende folgt in den kommenden Wochen.

Alles sei von Beginn an so geplant gewesen, heißt es von Warsteiner-Seite. Es sei stets beabsichtigt gewesen, dass Cama ihren Posten nach dem Abschluss des Sanierungsprogramms aufgeben werde. Sie scheide daher planmäßig aus. Allein - kommuniziert wurde das vorher nie.

Der Branchendienst Inside berichtet, Cama habe sich erst kürzlich ein neues Zweitbüro in Fürstenfeldbruck bei der Tochter-Brauerei König Ludwig einrichten lassen. So geräuschlos, wie es das Unternehmen nach außen hin darstellt, dürfte die Personalie also in der Tat nicht abgelaufen sein. Die Lebensmittel-Zeitung berichtet gar von einem Treffen zwischen Cama und Brauerei-Inhaberin Catharina Cramer. Der Inhaberin sei dabei nach zahlreichen Personalabgängen im Vertrieb sowie Gerüchten, wonach Gastronomie-Chef Ingo Swoboda ebenfalls auf dem Absprung zu Kaffeeröster Lavazza stehe, wohl der Kragen geplatzt.

„Vielleicht hat Cama den Konflikt auch provoziert“, zitiert das Blatt einen Insider. Swoboda jedenfalls soll offenbar im Unternehmen bleiben. Vor diesem Hintergrund bleiben Zweifel an der Darstellung von Warsteiner, alles sei von langer Hand eingefädelt gewesen. Vielleicht ist es ja wie in den aktuellen Werbespots der Brauerei, die allabendlich über die Mattscheibe flimmern. Darin heißt es „Nichts ist erfrischender als die Wahrheit“. Aber auch: „Doch zum Glück gibt es nicht nur eine Wahrheit“.

Dabei galt die Deutsch-Italienerin als Managerin, die mit Markenartikel-Unternehmen und vor allem mit Brauereien vertraut ist. In ihrer Zeit als Roland Berger-Beraterin hatte sie drei nationale und internationale Brauereien betreut, kennt also die Branche mit all ihren Vor- und Nachteilen. Als Marketing-Managerin bei Barilla baute sie Mitte der Neunzigerjahre das Marketing bei der italienischen Nudelmarke in Deutschland auf. Danach war Cama beim Marktforschungsunternehmen GfK in Nürnberg, wo sie seit 2011 in unterschiedlichen Führungspositionen arbeitete, zuletzt als Mitglied des Vorstands.

Wechsel als Dauerzustand

Camas Nachfolge tritt Christian Gieselmann an, der im März für Finanzchef Christian Rockholtz zu Warsteiner kam. Rockholtz hatte den Job ebenfalls nur ein Jahr lang gemacht. Er wechselte in den Beirat. Gieselmann übernimmt die neu geschaffene Position des Sprechers der Geschäftsleitung. Nun muss ein neuer Finanzchef gesucht werden – obwohl doch die Veränderungen in der Geschäftsführung angeblich lange feststanden.

Der gebürtige Herforder Gieselmann war lange Zeit als Berater und Partner bei Roland Berger sowie als Vorstand bei der Lieken AG tätig. Seine Karriere startete er 1997 als geschäftsführender Gesellschafter des familieneigenen Süßwarenunternehmens. Er bringt Erfahrung in der Umsetzung von Marketing- und Vertriebsthemen in Getränkeunternehmen mit. Die Rolle von Warsteiner-Erbin Catharina Cramer ist dagegen ausdrücklich nicht mehr im operativen Geschäft angesiedelt.

Damit ist Warsteiner nun zu einer Art Auffangbecken für ehemalige Berater geworden. Im Beirat sitzt bereits Ex-Berger-Mann Heiner Olbrich. Ihm leistet nun Ex-Finanzchef und Ex-Kienbaum-Berater Rockholtz Gesellschaft. In der Geschäftsführung übernimmt Ex-Berger-Berater Gieselmann das Kommando.

Für das Berater-Trio dürfte es sicher kein Problem darstellen, schnell einen Mann für den vakanten Finanzposten zu finden. Da wird sich im Umfeld der Ex-Arbeitgeber sicher zeitnah jemand finden lassen. Wie gut die Rolle der gegenseitigen Pöstchen-Verteilung funktioniert zeigt auch das Beispiel Björn Borg. Bei dem schwedischen Sportartikelhersteller hatte Olbrich im Mai 2017 den Vorsitz des Aufsichtsrats übernommen. Seit Mai ist Alessandra Cama ebenfalls in diesem Gremium.

Die vielen Führungswechsel zeigen, dass die Brauerei alles andere als in ruhigem Fahrwasser segelt. Das Traditionsunternehmen geht durch schwierige Zeiten, als Reaktion auf seit Jahren anhaltende Absatzrückgänge hatte sich Warsteiner erst im Januar ein Restrukturierungsprogramm auferlegt. Unter anderem werden dabei 240 der rund 1500 Stellen gestrichen. Außerdem hat die Brau-Gruppe Randaktivitäten abgeworfen, die auf der Profitabilität lasten. So verkaufte Warsteiner drei Handelstöchter, die sie bis zuletzt in der Warsteiner Distribution vereinigte. Zu den Käufern gehören vor allem regionale Unternehmen wie die Fako-M aus Neuss sowie Töchter der Frankfurter Radeberger Gruppe.

Noch nicht gelungen ist der angestrebte Verkauf der Herforder Brauerei. Früheren Aussagen der Warsteiner-Chefin Cama nach zu urteilen, lastet Herforder schwer auf der Unternehmens-Performance. Die Herforder Brauerei sei nicht mehr im Alleingang wirtschaftlich zu stemmen, zitierte die Neue Westfälische Zeitung die scheidende Warsteiner-Chefin.

Warsteiner war in den Neunzigerjahren Deutschlands größte Biermarke. Zu ihren Glanzzeiten brauten die Sauerländer mehr als sechs Millionen Hektoliter. Heute sind es nur noch etwas mehr als zwei Millionen Hektoliter und Krombacher ist seit Jahren der Branchenprimus. Die jüngsten veröffentlichten Umsatzzahlen stammen aus dem Jahr 2016. Seinerzeit betrug der Erlös rund 490 Millionen Euro.
Zur Gruppe zählen auch Regionalmarken wie Paderborner und Isenbeck, weitere bekannte Marken sind König Ludwig und Frankenheim-Alt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%