Wegen der Strohhalme Capri Sun: Bei Plastik-Verbot müssten wir den europäischen Markt verlassen

Plastikverbot: Capri Sun bangt um seine Existenz Quelle: imago images

Ab 2021 könnten Trinkhalme aus Plastik in der gesamten Europäischen Union verboten werden. Der Getränkehersteller Capri Sun sieht sich dadurch in seiner Existenz gefährdet. Man brauche mehr Zeit.

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Bei kaum einem Produkt ist die Verpackung so zentral für die Marke. Capri Sun – bis 2017 „Capri-Sonne“ – ist ohne den vom Unternehmensgründer Rudolf Wild 1969 selbst erfundenen „Standbodenbeutel“ aus einem Aluminiumverbundstoff kaum denkbar. Und an den Inhalt kommt man ohne den mitgelieferten angespitzten Trinkhalm nicht ran.

Dieser Trinkhalm wird für die in der Schweiz sitzende, aber in Deutschland und anderen europäischen Ländern produzierende Capri Sun AG nun zu einem nach eigenen Angaben existenzgefährdenden Problem. Denn eine von der EU-Kommission vorgeschlagene und vom EU-Parlament bereits angenommene Richtlinie zur „Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt“ zielt auch auf Trinkhalme. Die gehören zu den am häufigsten an europäischen Stränden aufgefundenen Plastik-Artikeln. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans, die treibende Kraft hinter der Richtlinie, sagte vor einigen Monaten: „Wenn Kinder wüssten, was sie mit dem Verbrauch von Einweg-Plastikhalmen anrichten, dann würden sie noch einmal nachdenken und Papierhalme nutzen – oder Strohhalme ganz weglassen.“ Das kann man als umweltpolitische Kampfansage an Capri Sun und andere Getränke mit Trinkhalm betrachten.

In den kommenden Monaten müssen sich nun die Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten im so genannten Trilog-Verfahren über den endgültigen Gesetzestext einigen. Wenn das im kommenden Jahr geschieht, beginnt danach die gesetzgeberische Umsetzung in den Mitgliedstaaten, für die eine zweijährige Frist gilt. Ab Ende 2021 dürften also Capri Sun und andere Getränkehersteller möglicherweise keine Plastik-Trinkhalme mehr mitverkaufen.

Das ist, so argumentiert Capri Sun, zeitlich nicht zu schaffen. In einer Stellungnahme heißt es: „Aufgrund der benötigten technischen Entwicklungszeiten werden wir kurzfristig nicht in der Lage sein, auf Alternativen umzusteigen. Wir arbeiten bereits intensiv an Alternativen & Lösungen, dennoch würde uns ein voreiliges Verbot – Stand heute – zwingen, den europäischen Markt zu verlassen. Dies hätte massive Auswirkungen auf eine große Zahl von Arbeitnehmern, welche damit ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Ein voreiliges Verbot könnte unser Mittelständisches Unternehmen komplett gefährden.“

Eine Trinköffnung mit Drehverschluss verbrauche, so das Unternehmen, je ca. 4-5 Gramm Kunstsoff gegenüber nur 0,31 für den Trinkhalm. Der Einsatz eines solchen Verschließsystems erfordere andere Produktionsanlagen, für die eine Investitionssumme von „mehr als 150 Millionen Euro“ notwendig sei. Das sei nicht rentabel, erklärt das Unternehmen.

Der Gegenvorschlag der Limonadenabfüller: einen „nicht entfernbaren“ Trinkhalm als „Schlüsselelement in einer endgültigen, vollständig recycelbaren und äußerst umweltfreundlichen Getränkeverpackung zu entwickeln“. Das Ergebnis werde „eines der nachhaltigsten Verpackungsformate der Welt“ sein. Aber: „Hierfür“, so heißt es bei Capri Sun, „benötigen wir allerdings ausreichend Zeit, damit auch die damit in Verbindung stehende Industrie an Entwicklung beteiligt werden kann und Kapazitäten für die Herstellung schaffen kann.“

Im Bundesumweltministerium, das in dieser Woche gerade seinen Fünf-Punkte-Plan „Nein zur Wegwerfgesellschaft“ vorgestellt hat, scheint man wenig Verständnis für diese Position zu haben. Auffällig ist, dass im Fünf-Punkte-Plan zwar von einem Dialog mit dem Handel, aber nicht mit den Herstellern die Rede ist. Auf eine Anfrage, wie man denn in Svenja Schulzes Ministerium zu den Klagen und Vorschlägen von Capri Sun stehe, antwortet ein Sprecher salomonisch, dass die Bundesregierung in den Ratsgremien den EU-Richtlinienentwurf zwar „nachdrücklich unterstützt“ aber auch „stets Wert darauf gelegt [habe], dass die vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere die Verbote, verhältnismäßig sein müssen.“ Die Kommission habe aber „ausführlich dargelegt, dass auch im Falle von Trinkhalmen zumutbare Alternativen zur Verfügung stehen“.

Auf die beiden Wörtchen „verhältnismäßig“ und „zumutbar“ werden die Lobbyisten von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, die für Capri Sun und andere Getränkehersteller den Verzögerungskampf gegen das Trinkhalm-Verbot aufgenommen haben, ihre Hoffnungen bauen müssen.

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