Weihnachtssterne Billige Blüten

Ein Mittelständler vom Niederrhein mit Zweigstelle in Äthiopien dominiert das Geschäft mit dem populären Wintergewächs.

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Sonja Dümmen, Marketingchefin bei dem Familienunternehmen Dümmen Quelle: PR

Mal feuerrot, mal weiß, mal mit Sprenkeln in Pink: Die Poinsettie – lateinisch: Euphorbia pulcherrima, besser bekannt als Weihnachtsstern – ist eine der beliebtesten blühenden Zimmerpflanzen der Deutschen. Rund 40 Millionen Weihnachtssterne werden wohl auch in diesem Jahr von Ende Oktober bis Dezember verkauft.

Damit steht der populäre Winterblütler zurzeit nicht nur in Massen bei Blumenhändlern, Gartencentern, Baumärkten und Discountern, sondern bald auch rein rechnerisch in jedem Haushalt.

Europas Marktführer in diesem schnelllebigen Geschäft ist der Jungpflanzen- und Stecklingsanbieter Dümmen aus Eversael, einem Ortsteil der niederrheinischen Kleinstadt Rheinberg. Dort züchten rund 150 Mitarbeiter die Mutterpflanzen, die anschließend in den Süden geflogen werden, etwa nach Äthiopien. Vor Ort werden daraus Millionen von Stecklingen produziert, die dann zur Bewurzelung wieder nach Europa kommen und als Jungpflanzen an Gärtnereien geliefert werden, in Chargen von 2000 bis zwei Millionen Stück. Dort werden sie eingetopft und nach sechs bis acht Wochen an den Handel geliefert.

In das Familienunternehmen hineingeboren

Chef und Hauptanteilseigner des Familienunternehmens mit Konzernstruktur – Dümmen besitzt Produktionsstandorte und Vertriebsbüros in El Salvador, Äthiopien, Costa Rica, China, Italien, Frankreich und den USA – ist der 43-jährige Gartenbauingenieur Tobias Dümmen. Gemeinsam mit seiner sechs Jahre jüngeren Frau Sonja, die sich um Marketing und Vertrieb kümmert, führt er das Unternehmen, das er Ende der Neunzigerjahre von seinen Eltern übernommen hat. Die arbeiten weiterhin im Betrieb mit, ebenso wie seine Schwester mit ihrem Mann.

Teil eines Familienunternehmens zu sein, das bekam Dümmen von Kindesbeinen an vorgelebt. Für ihn ist die Arbeit als Unternehmer eine Fortsetzung seiner Kindheits- und Jugenderfahrungen in dem kleinen Dorf auf halbem Weg zwischen Wesel und Duisburg. In der Familie drehte sich der Alltag von früh bis spät um den Betrieb. Großvater Hans-Werner und Vater Günter bauten Mitte der Sechzigerjahre in Eversael die ersten Schnittblumen an, wenige Jahre später auch Jungpflanzen.

Dass der Weihnachtsstern heute so einen wichtigen Platz bei Dümmen einnimmt, liegt nicht nur an der Beliebtheit. Er ist auch die ideale Ergänzung im Jahresplan des Gartenbaubetriebs. Denn Weihnachtssterne steuern nur rund ein Viertel des Umsatzes in Höhe von 35 Millionen Euro bei. Den Rest des Jahres dominieren Balkonpflanzen wie Geranien und Petunien die Gewächshäuser.

Internationale Plantagen

Eine der beliebtesten Zimmerpflanzen der Bundesbürger ist der Weihnachtsstern. Die Farbpalette ist breit gefächert, doch 80 Prozent der Weihnachtssterne sind nach wie vor rot. Quelle: dpa

Dümmen junior war es auch, der den Betrieb internationalisierte. 2003 gründete er eine Plantage im ostafrikanischen Äthiopien. Das Klima sei ideal für die Pflanzen, schwärmt er. Äthiopien zählt zu den größten Blumenproduzenten Afrikas, Hauptabnehmer ist die EU. Dabei ist das Land eines der ärmsten der Erde.

Der Anbau von Blumen in solchen Ländern ist umstritten. Nichtregierungsorganisationen kritisieren, er gehe zulasten von Nahrungsmitteln und schüre damit den Hunger. Mehr als 2000 der insgesamt 3000 Dümmen-Mitarbeiter arbeiten in Äthiopien, hinzu kommen Hunderte in El Salvador. Die Personalkosten in diesen Ländern seien niedrig, obwohl seine Firma „gute“ Löhne zahle, so Dümmen.

Billige Arbeitskräfte und beste klimatische Voraussetzungen für die Kultivierung der Pflanzen sind die Basis für den Erfolg: Dümmen dominiert mit einem Anteil von 35 Prozent den europäischen Markt, auf dem 2010 rund 110 Millionen Weihnachtssterne verkauft wurden.

Billiges Massenprodukt

Zu schaffen macht der Branche die Verramsche der vergangenen Jahre. „Leider ist aus dem hochwertigen Geschenkartikel ein billiges Massenprodukt geworden“, klagt Sonja Dümmen. Für den sei vor allem der Lebensmittelhandel verantwortlich: „Der Kunde muss sich im Klaren darüber sein, dass er im Gartencenter eine deutlich bessere Qualität erhält.“

Eigentlich müsse jeder Weihnachtsstern mindestens vier Euro kosten, damit es sich für alle Beteiligten lohne, wünscht sich die Marketingexpertin. Die Realität sieht anders aus: Bei Rewe kostete vergangene Woche ein Weihnachtsstern 1,99 Euro. Aldi, Penny oder Lidl hauen sie für 1,39 Euro raus. Das wird zunehmend ein Problem, vor allem für die Dümmen-Kunden, die Gärtnereien, die die Ketten beliefern. „Einige konnten zu diesen Preisen nicht mehr produzieren und mussten aufgeben“, sagt Dümmen.

Jetzt im November ist in den riesigen Gewächshäusern in Rheinberg kein Weihnachtsstern mehr zu sehen. Längst haben sich Geranien und Petunien breitgemacht, die zu Hunderttausenden vom Steckling zur Jungpflanze kultiviert werden. „Die Saison für Weihnachtssterne ist im Juli und August“, sagt Sonja Dümmen. 80 Millionen Stück haben die Dümmens in diesen zwei Monaten produziert. Dabei gilt trotz der Farbenvielfalt immer noch: 80 Prozent aller Weihnachtssterne sind rot.

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