




Es ist die Nacht der Spinnerei: Beim „Hackathon“ sitzen die Softwareentwickler der Nürnberger Conplement AG bis zum Morgengrauen an ihren Laptops. Jeder bastelt an einem Projekt, das er spannend findet, das aber noch keinen direkten Nutzen für das Unternehmen hat. Nach der „durchhackten“ Nacht präsentieren sie ihre Ergebnisse – die sich vielleicht irgendwann für das Unternehmen auszahlen. Udo Wiegärtner ist als Ressource Manager für die Entwicklung und Weiterbildung der rund 60 Mitarbeiter zuständig. „Wir haben als Beratungshaus kein Produkt im eigentlichen Sinn“, erklärt er, „unser Produkt ist vielmehr das Wissen, das wir im Kopf und manchmal im Bauch haben.“
Aus diesem Grund hat der Softwareentwickler, der im vergangenen Jahr 6,3 Millionen Euro umsetzte, ein Bündel an eher ungewöhnlichen Weiterbildungsformaten geschnürt. Beim „World Café“ bekritzeln die Mitarbeiter Papiertischdecken mit ihren Ideen. Im „Conplement Lab“ bewerben sich Teams auf Stundenkontingente, um sich etwa mit neuen Technologien vertraut zu machen.
Warum Menschen eine Weiterbildung machen
Die Industrie- und Handelskammern haben 2014 mehr als 10.000 Teilnehmer der Prüfungsjahrgänge 2008 nach ihren Motiven und Zielen für die Weiterbildung sowie den anschließenden Karriereweg gefragt.
Quelle: IHK: Aufstieg mit Weiterbildung. Umfrage-Ergebnisse 2014
3 Prozent der Teilnehmer nahmen an IHK-Prüfungen teil, weil sie arbeitssuchend waren.
11 Prozent der Teilnehmer wollten in Zukunft beruflich weniger festgelegt sein.
13 Prozent gaben an, sich ständig an neue Entwicklungen und Anforderungen anzupassen.
15 Prozent gaben an, den Arbeitsplatz sichern zu wollen. Die eigene Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen war ebenfalls für 15 Prozent der Teilnehmer ein Weiterbildungsgrund.
24 Prozent der Teilnehmer wollten etwas Neues lernen und den persönlichen Horizont erweitern.
45 Prozent rechneten sich bessere Einkommensmöglichkeiten aus.
63 Prozent der Teilnehmer wollten aufsteigen oder einen größeren Verantwortungsbereich übernehmen.
„So können wir Umsetzungskompetenz in Themen aufbauen, in denen es noch gar keine realen Projekte gibt“, preist Wiegärtner die Herangehensweise. Im Idealfall kämen die Anregungen für neue Fortbildungsthemen und -formate aus der Belegschaft: „Wir als Betrieb können nur den Rahmen dafür schaffen, dass die Leute Lust haben, sich zu engagieren.“
Trockene Vorträge in düsteren Seminarräumen mit schlechtem Automatenkaffee: Die Zeiten standardmäßig verordneter Fortbildungen haben die meisten mittelständischen Betriebe hinter sich gelassen. In vielen Betrieben wächst dagegen die Bereitschaft, mehr in die Weiterbildung zu investieren – immer öfter mit Kompetenz aus den eigenen Reihen.
Als Gründe für das steigende Interesse an Fortbildung nennen Personalverantwortliche in einer TNS-Infratest-Studie die Entwicklung von Fachkräften aus dem eigenen Haus, erhöhte Motivation und Wertschätzung der Mitarbeiter sowie den Aufbau von Wissen und Know-how.
Klare Marschrute
Aber nur wenn die Fortbildungen 100-prozentig passen, entfalten Investitionen in die Mitarbeiter ihre volle Wirkung. Dabei gibt es im Mittelstand Nachholbedarf: „Oft ist die Weiterbildung nicht strukturiert“, bemängelt Walter Niemeier, Leiter des Instituts für wissenschaftliche Weiterbildung an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld. „Die Ziele aller Seminare müssen von der Unternehmensstrategie abgeleitet werden, sonst laufen die Mitarbeiter in die falsche Richtung.“
Diese positiven Auswirkungen hat Weiterbildung auf die Karriere
Die Industrie- und Handelskammern haben 2014 mehr als 10.000 Teilnehmer der Prüfungsjahrgänge 2008 nach ihren Motiven und Zielen für die Weiterbildung sowie den anschließenden Karriereweg gefragt. Demnach gaben 62 Prozent der Befragten an, dass die Weiterbildung eine positive Auswirkung auf ihre Karriere hatte.
Gut 6 Prozent fanden nach der Weiterbildung einen Arbeitsplatz.
14 Prozent bewältigten ihrer Aufgabe besser als vor der Weiterbildung.
21 Prozent erhöhten die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes.
69 Prozent verbesserten sich finanziell.
74 Prozent derjenigen, die nach der Weiterbildung eine positive Auswirkung bemerkten, gaben an, beruflich aufgestiegen zu sein oder einen größeren Verantwortungsbereich erhalten zu haben.
Wie wichtig eine klare Marschroute ist, hat auch der Leuchtenhersteller Trilux festgestellt. Im Wandel hin zu modernen LED-Leuchten steht das Unternehmen mit zuletzt 513 Millionen Euro Umsatz unter hohem technologischem Druck. Daher sucht es nach Wegen, seine weltweit 5000 Mitarbeiter dabei besser mitzunehmen. 2011 vereinbarte der Betrieb am Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Arnsberg drei Stunden unbezahlte Mehrarbeit mehr pro Woche, dafür investierte die Geschäftsführung große Teile der so erzielten Einsparungen in Fortbildungen.
Für jeden Mitarbeiter waren ab da zwei Bildungstage an der neu gegründeten Trilux-Akademie pro Jahr bis einschließlich 2013 Pflicht. Geschäftsführer Johannes Huxol war wichtig, „dass das Bewusstsein für den Wandel in allen Bereichen ankommt“. Führungskräfte und Mitarbeiter besprechen heute gemeinsam, wo sinnvoller Nachholbedarf besteht. Am Anfang war das Angebot sehr breit und umfasste etwa auch Seminare zur Kundenzufriedenheit für Reinigungskräfte. Mittlerweile ist das Fortbildungsprogramm freiwillig und stärker auf den Technologiewandel fokussiert. Geschäftsführer Huxol denkt aber noch weiter: „Gerade auch vor der Perspektive des demografischen Wandels müssen wir unsere Mitarbeiter weiterentwickeln.“