Wenn Schulze-Cleven im altmodischen Cordsakko über den Aufstieg seines Unternehmens spricht, erzählt er zugleich ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte. 1949 gründete sein Vater einen Betrieb, um Rucksäcke für Militär und Polizei zu nähen. In den Sechzigerjahren erweiterte er auf Ohrpolster für Kopfhörer und Windschutzbezüge. Dann hatte Schulze-Cleven als ältester Sohn die simple, aber durchschlagende Idee: „Rundfunkanstalten hatten ihre Logos immer nur am Sockel des Mikrofonständers. Die sah im Fernsehen kein Mensch. Der Vorschlag, sie direkt auf den Schaumstoffüberzug zu drucken, überzeugte sie.“
Erster Abnehmer war die ARD. Dass deren Journalisten mit ihren neuen Schaumstofflogos auch im Bild blieben, wenn die Kamera näher an den Interviewten heranzoomte, machte neidisch und schaffte einen Nachfrageschub in Brakel. Das war der Trick: „Man braucht in jedem Land einen sichtbaren und großen Vorreiter, dann kommen die Aufträge von selbst“, sagt Schulze-Cleven. Vor allem die weltweit 40 Vertreter kurbeln den Absatz an. In Europa, Russland, Indien und langsam auch in den USA ist die hohe Qualität seiner Überzüge gefragt, mit der er die Mitbewerber auf Abstand halten kann. Der Umsatz lag 2013 bei rund zwei Millionen Euro.
Schulze-Cleven legt das Geschäft nun in fremde Hände: Seine drei Söhne haben ausgeschlagen, nun übernimmt ein Unternehmer aus dem Umland den Betrieb. Mehrere Kaufangebote von größeren Unternehmen hat Schulze-Cleven abgelehnt. „Natürlich könnte ich mir so schnell die Taschen füllen, aber als Familienunternehmer denkt man an Nachhaltigkeit.“
Den neuesten Trend bei Mikroüberzügen hat er schon vor sich liegen: ein eckiges Stück Schaumstoff mit dem Logo der BBC. „Das sind Überzüge für iPhones. Die BBC hat gerade 400 davon bestellt“, sagt Schulze-Cleven.
Und das ist wieder mal erst der weltweite Anfang.
3B Scientific: Knochenjob
Auf den ersten Blick erinnern die Modelle von 3B Scientific an Gunther von Hagens’ Körperwelten-Ausstellung. Im roten Fleisch der gehäuteten Körper zeichnen sich Gelenkbänder und Muskeln ab. Daneben hängt ein Gerippe, in dessen Totenschädel man in leere Augenhöhlen blickt. Mit der Lust am exhibitionistischen Grusel haben die Skelette von 3B Scientific aber nichts zu schaffen, im Gegenteil: Die anatomisch korrekten Figuren dienen der Wissenschaft und finden sich an so gut wie jeder medizinischen Universität. Die Hamburger sind mit ihren künstlichen Skeletten Weltmarktführer für anatomische Lehrmittel.
Die Wurzeln des Erfolgs liegen im Jahr 1945, als der Kriegsheimkehrer Paul Binhold nach einem Auskommen suchte. Ausgerechnet in dem wohl sinnlosesten Überbleibsel aus dem Krieg, den Pferdegasmasken, fand Binhold den Stoff, um Neues zu schaffen. Zunächst reparierte er mit dem Kunststoff Regenschirmgriffe und Spielzeug. Als er in einem Hamburger Museum den Kopf eines Ausstellungsstücks reparierte, hatte er schließlich die Geschäftsidee: Warum, fragte sich Binhold, kann man nicht gleich ein komplettes Skelett aus Kunststoff herstellen?