Weltmarktführer für Näh- und Stricknadeln Mit heißer Nadel in die Post-Covid-Zeit

Stricken Quelle: Presse

Während der Corona-Lockdowns entdeckten viele Leute das Stricken. Die Handarbeitsbranche profitierte, allen voran: Firma Prym, Weltmarktführer für Näh- und Stricknadeln. Doch nun bedrohen Inflation und Handels-Insolvenzen die Gilde.

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Der Sitz der Firma Prym in Stolberg bei Aachen strahlt Altehrwürdigkeit aus. Hier in dem roten, schlossähnlichen Backsteinbau hat Deutschlands zweitältestes Familienunternehmen seinen Sitz. Man meinte mal, das Älteste zu sein, bis die in Siegen beheimatete Coatinc Company nachweisen konnte, dass sie bereits knapp 30 Jahre früher gegründet wurde. Trotzdem beruft sich Prym mit Stolz auf fast 500 Jahre Tradition, knapp 400 davon in Stolberg, seit die protestantische Kaufmannsfamilie Prym wie viele ihrer Konfessionsgenossen aus dem katholischen Aachen vertrieben wurde.

Trotz aller Tradition hat sich das Geschäftsmodell der Firma über die Jahrhunderte immer wieder verändert. Einst begann der Familienbetrieb als Messing- und Kupferproduzent, bevor Prym im 19. Jahrhundert auf sogenannte Kurzwaren setzte, also Nähnadeln, Zwirne und anderes Handarbeitszubehör. Seitdem kamen weitere Geschäftsfelder hinzu. Heute stellt die Prym-Gruppe mit ihren 3500 Angestellten auch Druckknöpfe und BH-Verschlüsse her, sogar als Autozulieferer ist das Unternehmen tätig.

Der Corona-Sondereffekt ist vorbei

Dem Handarbeitsbedarf ist Prym aber durch die Jahrhunderte treu geblieben. Mit Produkten wie Näh- und Stricknadeln, Knöpfen und Bändern hat sich die Firma inzwischen zum Weltmarktführer entwickelt. Und das zahlte sich zuletzt aus. „Wir hatten 2020 ein wirklich gutes Jahr“, bekundet Stefan Hansen, als Chef von Prym Consumer weltweit für den Handarbeitsbereich zuständig. In seinem Bereich gab es den größten Umsatzzuwachs. Aber auch die Prym-Gesamtumsätze kletterten: von 345 Millionen Euro (2020) auf 396 Millionen Euro (2021). Denn die Coronapandemie entpuppte sich als ungeplanter Wachstumsschub: Während der Lockdowns saßen die Menschen viel zuhause, Handarbeit stand als Freizeitbeschäftigung hoch im Kurs. Zudem nähten viele Menschen ihre Masken selbst. Es waren besondere Umstände, von denen die Branche im Allgemeinen und Prym im Speziellen profitierten. Der Jahresabschluss für das vergangene Jahr sei noch nicht testiert, heißt es bei Prym. Nur so viel: Die Erlöse seien noch einmal gestiegen.

Doch die Pandemie ist vorbei und die Handarbeitsbranche muss sich nach guten Jahren einigen Herausforderungen stellen. Typisch für die aktuelle Multi-Krisen-Epoche gibt es gleich an mehreren Fronten Grund zur Besorgnis. Die allgemeine gute post-Covid-Entwicklung – die Menschen dürfen wieder vor die Türe – bedeutet für die Gilde nicht automatisch auch Gutes. „Unsere Wettbewerber sind immer schönes Wetter und Ausgehmöglichkeiten“, räumt Angela Probst-Bajak ein, Sprecherin des Branchenverbands Initiative Handarbeit. Dazu kommen Inflation und Rezessionsangst, zwei Faktoren, die die Kauflaune drücken. Die hohen Energiepreise schlagen auch auf die Textilherstellung durch.

Und dann ist da noch die Krise im Einzelhandel, die zuletzt in der Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof kulminierte. Für die Handarbeitsbranche, die nach wie vor viel auf den stationären Handel setzt, ist das bedrohlich. Folgt auf die Sonderkonjunktur nun also die große Ernüchterung?

Fast Fashion ist out, Upcycling angesagt

Nicht, wenn man dem Prym-Manager Hansen Glauben darf. Er empfängt im brandneuen Konferenzbereich der Gruppe im Stolberger Hauptquartier. Das Signal ist klar: Außen mag es traditionell aussehen, aber innen ist das Unternehmen durchaus modern. Dafür muss die Produktpalette gar nicht groß angepasst werden. „Viele aktuelle Trends spielen uns sehr in die Karten“, sagt Hansen. Das Thema Nachhaltigkeit etwa: Menschen würden zunehmend Kleidung wieder selbst ausbessern oder umändern. Fast Fashion sei out, sogenanntes Upcycling in. Mit einer auf Nachhaltigkeit getrimmten Produktlinie namens „Prym 1530“ will das Unternehmen dieser Entwicklung Rechnung tragen. Dazu kommt Marketing über Social-Media-Influencer, die das Thema Handarbeit an ein junges Publikum herantragen sollen. So veranstaltete Prym im vergangenen Sommer ein sogenanntes „Celebrate Happiness“-Event in Köln, wo unter anderem die in der Do-it-yourself-Szene populären Influencerinnen Sylvie Rasch und „ThisIsKachi“ auftraten. Sorge vor der unmittelbaren Zukunft? Hat Hansen keine: „Das Jahr 2023 hat für uns sogar besser begonnen als das Jahr 2022.“

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von Henryk Hielscher, Volker ter Haseborg

Ein Trend, der der Branche gut tut, wie auch die Initiative Handarbeit bestätigt. Anlässlich der am 31. März in Köln startenden Fachmesse „h+h“ (Handarbeit & Hobby) taxierte der Verband noch einmal die Lage der hiesigen Zunft: Nach den coronabedingt herausragenden Jahren 2020 und 2021 mit 1,3 Milliarden bzw. 1,2 Milliarden Euro Gesamtvolumen Handarbeitsbedarf, schrumpfte die Branche 2022 wieder etwa auf Normalgröße mit rund einer Milliarde Euro. Die Kölner Messe gilt als international wichtigste Leistungsschau der textilen Heimarbeitsgilde mit 280 ausstellenden Unternehmen. Mit Prognosen hält man sich dort aber noch zurück, zu viele externe Faktoren seien im Spiel.

Prym verkauft 85 Prozent über stationären Handel

Dazu zählt zweifellos die Lage im Einzelhandel. Längst kann man auch Handarbeitsprodukte online kaufen, aber der stationäre Handel hat immer noch eine überragende Bedeutung. „Wir bieten Produkte an, bei denen die haptische Erfahrung für die Käufer sehr wichtig ist“, erklärt Probst-Bajak. Stoffe, Garne und Nadeln wollen die Kunden gerne selbst in der Hand halten, bevor sie ihre Kaufentscheidung treffen. Das bestätigt auch Stefan Hansen: „Bei uns macht der stationäre Handel etwa 85 Prozent aus.“

Wenn dann Geschäfte in den Innenstädten verschwinden – ob nun kleine Fachhändler oder große Ketten – ist das ein Problem. Zumindest die Pleite der Warenhauskette Galeria, die auch stets viel Handarbeit im Angebot hatte, ist allerdings kein Genickbruch für die Branche. Zwar sei es nicht gerade hilfreich, wenn so ein bekannter und weit verbreiteter Verkaufsstandort plötzlich wegfällt, sagt Probst-Bajak. Aber gerade Fachhändler seien der noch wichtigere Kanal, „die Kunden wünschen sich weiterhin Beratung und Inspiration.“

Die Prym-Gruppe hat deshalb beschlossen, die Händler aktiv bei der Transformation zu unterstützen. Drei Ladenkonzepte habe man entwickelt, die zukunftsträchtig seien, berichtet Hansen. „Die bieten wir unseren Partnern an, inklusive Beratung und Umsetzung.“ Dabei macht Prym sich unter anderem Gedanken über Platzanordnung, Aufgeräumtheit und bestimmte Verweilgelegenheiten in den Läden. Er ist sich sicher: Die Konsumenten wollten eine umfassende Einkaufserfahrung. „Nur so kann der Handel überleben.“ Allerdings habe es bisher noch nicht viele Umsetzungen der Konzepte gegeben. Auch wegen der Coronajahre und des Ukrainekrieges, die solche Entscheidungen verschoben hätten, wie Hansen einschränkt.

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So richtig klar kann also aktuell keiner sagen, wie es mit der Handarbeitsbranche weitergeht. Aber Angela Probst-Bajak beruhigt: Selbst, wenn einige magere Jahre anstünden, drohe keine Gefahr. „Wir haben in Deutschland sehr viele mittelständisch geprägte Unternehmen, die auf gesunden Füßen stehen“, sagt sie. Akute Schieflagen drohten nicht. Auch bei Prym ist man gelassen. „Wir haben Produkte, die auf der Höhe der Zeit sind“, ist sich Hansen sicher – was auch nicht jeder nach 500 Jahren Unternehmensgeschichte behaupten kann.

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