




Kleine Jungs beneiden Lutz Petermann. Der Mann baut riesige Schaufelbagger und klettert für seine Firma FAM durch die größten Baustellen der Erde. Denn sein Unternehmen ist Weltmarktführer für diese Technik und der größte Arbeitgeber der Stadt Magdeburg. Doch als Petermann ein neues Bürohaus am Firmengelände hochziehen wollte, ließen ihn 23 verschiedene Amtsstuben der Stadt drei Jahre lang schmoren, bis er endlich alle Zustimmungen hatte. Das wäre dem schwäbischen Schraubenkönig Reinhold Würth in Künzelsau sicher nicht passiert.
Weltmarkführer, Familienunternehmen – das sind in Ostdeutschland wenig ruhmreiche Titel. Gesellschaftliche Anerkennung? Hohe Identifikation der Arbeitnehmer?
Entwicklungen in Ostdeutschland
Daten, Zahlen, Fakten zur deutschen Wiedervereinigung gibt es kiloweise. Wirklich gut aufbereitet und auch für Nicht-Wissenschaftler höchst lesenswert analysiert hat sie das HIE-RO Institut der Universität Rostock in seinem aktuellen „Atlas der Industrialisierung der neuen Bundesländer“. Die Wirtschaftswissenschaftler sammeln Daten und Geschichten um die bisherigen Entwicklungen in Ostdeutschland. Die setzen sie in den Vergleich zum gesamten Bundesgebiet und den Weltmarkt. Die Ost-Daten werden auf die einzelnen Bundesländer runtergebrochen und Entwicklungspotenziale aufgezeigt. Prädikat: spannend!
http://www.hie-ro.de/index.php/de/projekte/abgeschlossene-projekte/7-industrieatlas-de
Was im Westen für viele Familienunternehmer selbstverständlich ist, bleibt im Osten auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung die Ausnahme. Was auch daran liegt, dass der erfolgreiche Familienunternehmer an sich heute im Osten ähnlich verbreitet ist wie Unternehmergeist vor dem Mauerfall: Nur 300 der 4400 größten Familienunternehmen der Republik sitzen dort. Und wer sie besucht, merkt schnell: Dort weht noch immer ein anderer Wind.
Profitiert im Westen die ganze Region von Unternehmen, kann im Osten ein Weltmarktführer residieren, und rechts und links der schicken Hauptverwaltung verrotten Wohnhäuser und Industrieanlagen. Aus dem Westen stammende Chefs treten oft viel selbstbewusster auf als ihre Ostkollegen. Im Osten kämpfen Facharbeiter um Löhne und Tarifverträge, die für Westkollegen längst selbstverständlich sind.
Es lebt der real existierende Unterschied.
Gerhard Heimpold, Wissenschaftler am Institut für Wirtschaftsforschung Halle, begründet es so: „Das Fehlen großer Unternehmen ist größtenteils ein Nachhall von Schwächen der alten Zentralverwaltungswirtschaft. Die großen Kombinate waren beim Übergang auf die Marktwirtschaft nicht konkurrenzfähig und wurden in kleinere Unternehmen aufgespalten, um sie besser privatisieren zu können.“ Die Konsequenz daraus: „Mangels großer Unternehmen bleiben die Produktivität, Exportintensität und Forschungsaktivitäten noch heute zurück.“
25 Jahre nach der Wende zeigt sich, dass weder die Höhe von Subventionen, noch die Herkunft als Vor-Kriegs-Familienunternehmen, Kombinat oder Nach-Wende-Neugründung über den Erfolg entschieden haben. Woran krankt es dann vor allem in Ostdeutschland?

- Fehlende Familienunternehmen: Mehr als 90 Prozent aller deutschen Unternehmen gehören zum Mittelstand, meist inhabergeführt, häufig seit Generationen – das oft genannte Rückgrat der Wirtschaft. Doch im Osten verstaatlichte die DDR-Führung 1972 fast ausnahmslos die letzten mittelständischen Industriebetriebe. Davon hat sich die Unternehmenslandschaft bis heute nicht erholt.
- Mangelndes Eigenkapital: Im Westen gehört es zum Selbstverständnis vieler Unternehmer: Wir bilden seit Generationen Rücklagen und halten uns damit die Banken vom Hals. Dieses Kapital fehlt jungen Ostunternehmen. Zugleich werden die Banken hüben wie drüben immer restriktiver bei der Kreditvergabe, beklagen viele Unternehmer gesamtdeutsch.