Grafe Advanced Polymers: 20 Mio. Euro Umsatz 290 Mitarbeiter
Können vier Brüder wirklich gleichberechtigt und ohne alte Rechnungen zu begleichen ein Unternehmen leiten? „Und wie wir das können“, antwortet mit breiter Brust Matthias Grafe, Geschäftsführer des gleichnamigen Blankenhainer Farbpigmenteherstellers. „Was glauben Sie denn, wie wir uns schon als Kinder gekloppt haben? Wir sind unseren Wettbewerbern gerade deshalb überlegen, weil wir unsere unterschiedlichen Fähigkeiten schätzen, uns tief vertrauen und auch nach harten Auseinandersetzungen grummelnd wieder zusammenraufen.“ Das ist das eine. Das andere: Alle vier Westfalen wollten es 1991 ihrem Vater Clemens, einem Chemieunternehmer aus Rüthen im Kreis Soest, beweisen. Der produzierte sogenannte Kunststoff-Batches – Farbkonzentrate und Additive in Granulatform. Die Jungs wollten genauso erfolgreich wie er, ein Unternehmen managen können. Mindestens genauso erfolgreich.
1991 nutzte das Bruder-Quartett die Gunst und die Subventionen der Stunde. Sie suchten einen zentral gelegenen Standort auf den neuen Märkten in Ostdeutschland, entschieden sich auch wegen der Nähe zu Schott und Jenoptik für Jena und gründeten Grafe, das wie der Vater Kunststoff-Batches produziert. Heute gehört das Unternehmen zu den erfolgreichsten weltweit und hat sich in Blankenhain nahe Jena einen größeren Standort gegönnt.
„Wir profitierten damals von den vielen gut ausgebildeten Facharbeitern dieser Region, die nach der Wende neue Stellen suchten. Die waren technisch fit, gut in Mathe und Physik, nur beim Problemelösen durch Improvisieren haperte es“, erinnerte sich Grafe. Und zu improvisieren gab es in den ersten Jahren täglich.
Grafe profitierte aber auch von den staatlichen Subventionen. Trotzdem betrachtet sie der Chef Grafe höchst kritisch: „Ein sinnvoller Anschub, aber auf Dauer führen sie dazu, dass die Leistungsbereitschaft der Menschen sinkt.“
Heute steht das Unternehmen finanziell gut da. Für viele andere gilt das nicht. Das ist die Crux im Osten: Viele Unternehmen sind schon finanziell angeschlagen und ihre Kunden wollen deren Not für niedrige Preise nutzen. Nicht mit Grafe: „Wir setzen auf die besten Produkte, nicht die billigsten.“
Die attraktivsten Regionen für Fachkräfte
Laut des aktuellen Fachkräfte-Atlas der Jobbörse Stepstone würden 44 Prozent sofort ihre Koffer packen und nach Bayern ziehen, wenn sie dort eine geeignete Stelle finden.
Nord und süd: Jeweils 38 Prozent nannten Baden-Württemberg beziehungsweise den Stadtstaat Hamburg attraktive Regionen für Fachkräfte.
Ein Drittel möchte in Nordrhein-Westfalen arbeiten.
Berlin mag sexy sein. Als Fachkräfteregion ist die Heuptstadt jedoch nur für 28 Prozent der Befragten attraktiv.
Noch weniger, nämlich 21 Prozent, können sich vorstellen, zum Arbeiten nach Hessen zu ziehen.
20 Prozent halten Niedersachsen für eine attraktive Fachkräfte-Region.
16 Prozent wollen nach Rheinland-Pfalz.
13 Prozent zieht es nach Schleswig-Holstein.
Nur elf Prozent wollen in Bremen leben und arbeiten.
Neun Prozent könnten es sich vorstellen, für einen Job nach Sachsen zu ziehen.
Jeweils sieben Prozent nannten Brandenburg beziehungsweise Mecklenburg-Vorpommern eine attraktive Fachkräfte-Region.
Sechs Prozent würden nach Thüringen ziehen.
Ins Saarland wollen fünf Prozent.
Vier Prozent könnten sihc vorstellen, nach Sachsen-Anhalt zu ziehen.
Einem Streit mit Kunden oder auch den kommunalen Politikern geht der kantige Westfale nicht aus dem Weg. Schließlich habe Grafe bewiesen, dass man auch in Ostdeutschland ein Unternehmen bei null gründen und seit mehr als 20 Jahren erfolgreich sein könne. Deshalb ärgert sich Grafe seit Neustem im Osten: „Ich verspüre einen Rückschritt in der Gesellschaft. Viele rufen immer häufiger nach dem Staat, fordern mehr Leitplanken für ihr Handeln. Die rot-rot-grüne Politik in Thüringen wird prompt gegenüber uns Unternehmern restriktiver.“ Warum gibt es denn aus seiner Sicht nur so wenig Unternehmer in Ostdeutschland? Für Grafe keine Frage: „40 Jahre wurde das Unternehmertum bekämpft. Wir brauchen mehr Leute mit dem festen Willen erfolgreich zu sein; mit Eigenverantwortung und auch Studenten mit mehr Antrieb.“
Harte Worte. Aber ausgesprochen von jemandem, der mit seinen Brüdern bewiesen hat, dass sich all diese Mühen lohnen.