„Weltneuheit“ von Vorwerk Was kommt nach dem Thermomix?

Der Hype um den Thermomix ist abgekühlt. Vorwerk braucht nun einen neuen Kassenschlager. Der wird mit einem Enthüllungs-Countdown zelebriert.

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Vorwerk: Was kommt nach dem Thermomix? Quelle: dpa

Düsseldorf „Weltneuheit von Vorwerk - Enthüllung am 16. Mai“. Seit einigen Tagen poppt auf der Homepage des Thermomix-Herstellers ein grünes Fenster auf, das die Neugier bei zahlungskräftigen Kunden wecken soll. „Gemacht, um Zeit für mich zu finden“, heißt es da geheimnistuerisch. Bis zum Produktstart streut Vorwerk häppchenweise Hinweise. Die Innovation soll irgendetwas mit Dampf, Vernetzung und Farben zu tun haben. Nur eines wird vorab klargestellt: „Es ist kein neuer Thermomix.“

Die angebliche „Weltneuheit“ wirkt zunächst ganz unspektakulär. Der Umriss sieht aus wie eine Feldflasche. „Eine Wärmflasche, in der man Suppe kochen kann“, mutmaßt denn auch eine Nutzerin auf der Rezeptwelt von Thermomix. Die wilden Spekulationen im Netz reichen vom Dampf-Konvektomaten über eine smarte Kapselmaschine für Tee oder Kaffee bis zum Dampfroboter, der die Fliesen in der Dusche hochklettert.

„Die Aktion bedient den Jäger- und Sammlertrieb des Menschen“, meint Marketingexperte Jon Christoph Berndt von der Managementberatung Brandamazing in München. Für ihn ist das wie „modernes Pilzesammeln“: Jeder will etwas finden, das er gut findet. Bestimmt auch etwas Großes, hoffe der User, denn da genieße Vorwerk nach Kobold und Thermomix viel Vorschussvertrauen.

Die „Weltneuheit“ kommt für Vorwerk zur rechten Zeit: Das Wuppertaler Familienunternehmen braucht dringend einen neuen Kassenschlager. Denn der Hype um die digitale Küchenmaschine, die 2014 auf den Markt kam und seitdem mehr als drei Millionen Mal verkauft wurde, ist zuletzt deutlich abgekühlt.

In Wuppertal rechnet man für 2017 „bei einem beträchtlichen Absatzrückgang mit einer deutlichen Abschwächung im Umsatz um etwa 7,8 Prozent“. Genaue Zahlen gibt es erst am Tag der Produktenthüllung. Der Rückgang schmerzt Vorwerk. Schließlich erwirtschaftete der Thermomix zuletzt mehr als 40 Prozent der Gesamterlöse der Gruppe von 3,1 Milliarden Euro.

Wenn es um Produkteinführungen geht, gibt sich das Wuppertaler Familienunternehmen genauso selbstbewusst wie Apple. Der Akkuwerkzeugkoffer Twercs wurde vor drei Jahren ebenfalls als „Weltneuheit“ angepriesen. Er wartet jedoch immer noch auf den Durchbruch. Dabei hatte sich Vorwerk viel erhofft von der Do-it-Yourself-Welle gerade bei Frauen.

Mystery Marketing, das Rätsel zu neuen Produkten aufgibt, ist nicht neu. Apple hat dies seit Steve Jobs zur Perfektion getrieben. Die globale Tech-Gemeinde fiebert mit, was „the next big thing“ sein mag. Elon Musk pflegt seine Neuheiten auf Twitter anzukündigen. Der Aktienkurs von Tesla steigt regelmäßig nach Musks kryptischen Andeutungen – egal ob sich die Neuheit als Elektroauto, Rakete oder Solardachpfanne entpuppt.

Nach einer Untersuchung der Iowa State University erhöht Spannung in einer Werbekampagne die Neugier und Aufmerksamkeit der potenziellen Kunden. Marke und Produkt bleiben länger haften als gewöhnlich.

Solche Mystery-Kampagnen können aber auch danebengehen. Zuletzt hatte die Metro mit einer anonymen Guerilla-Kampagne in Berlin Schiffbruch erlitten. #TakeTheExit wurde provokativ auf Gehsteige vor diverse Start-ups gesprüht. Das sollte begehrte Software-Entwickler von hippen, aber schlecht zahlenden Jungfirmen zum Handelskonzern locken. Doch noch vor der Enthüllung war Metro als Urheber aufgeflogen und wurde in den Sozialen Medien als „start-up-feindlich“ gescholten.

„Zu achten ist auf absolute Glaubwürdigkeit“, rät Markenspezialist Berndt bei solchen Aktionen. Vorwerk etwa dürfe nicht mit hippen Leuten und crazy Fotos loslegen, nur um das Medium Online pseudocool zu bedienen. „Das würde diesem Hersteller keiner abnehmen.“

Bei aller künstlichen Geheimniskrämerei: Vorwerks angebliche „Weltneuheit“ hat vermutlich wieder irgendetwas mit Küche zu tun. Denn das Portal DasKochrezept.de durfte vorab einen Blick auf den Prototypen werfen. Das geheimnisvolle Produkt wird als „IT-Piece für die Küche“ beschrieben, das sich mit allen Sinnen erleben lasse.

Die Idee zur Neuheit kam demnach den beiden Geschäftsführern der neuen Vorwerk-Sparte vor mehr als sechs Jahren bei einem Planspiel. Das Inhouse-Start-up mit zunächst zwei Mann ist mittlerweile auf ein 30-köpfiges Team gewachsen.

Das Fazit von DasKochrezept.de: Sogar Thermomix-Gegner und Verfechter der traditionellen Küche sollten bei der Neuheit von Vorwerk auf ihre Kosten kommen. Geschmacklich verstehe sich. Preislich soll „the next big thing“ aus Wuppertal um einiges erschwinglicher sein als der High-Tech-Multikocher. Der kostet stolze 1199 Euro.

Ob die „Weltneuheit“ einschlägt wie einst der Thermomix, bleibt abzuwarten. Vorwerk-Chef Reiner Strecker hatte im Interview mit dem Handelsblatt einmal betont: „Im Gegensatz zu Kochrezepten gibt es für Geschäftsmodelle leider noch keine Gelinggarantie. Nicht mal bei uns.“

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