Werner Abelshauser Warum der deutsche Mittelstand seit 1000 Jahren erfolgreich ist

Seite 2/2

Mittelständische Wirtschaftskultur

Warum? Geld brauchten die Kaufleute doch trotzdem, um Aufträge vorzufinanzieren oder Maschinen zu kaufen.
Früher mussten kleine und mittlere Unternehmen die Finanzierung aus dem Strom der Einkünfte aufbringen. Heute gehört es gerade zum Geschäftsmodell vieler Familienunternahmen, aus dem cash flow zu schöpfen, um nicht in die Abhängigkeit von Banken zu geraten.

Ist diese mittelständische Wirtschaftskultur nur in Deutschland zu Hause?
Nein, sie gilt überall im „Rheinischen Kapitalismus“  – also im europäischen Kerngebiet von Skandinavien bis Norditalien und von der Seine bis an die Oder. Dort sind solche Denk- und Handlungsweisen weit verbreitet, weil sie sich im historischen Verlauf erfolgreich erwiesen.

Sind die Zentren wirtschaftlichen Erfolgs heute noch die gleichen wie damals?  
Noch heute verteilen sich die Zentren des weltmarktorientierten Mittelstandes in der Bundesrepublik auf elf regionale Verbundwirtschaften. Manche haben den gleichen Zuschnitts seit dem 18. Jahrhundert, wie Nord-Württemberg. Andere schienen zwischenzeitlich von der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert überrollt und abgehängt zu sein und sind doch zwischen wieder neu aufgeblüht. Ein gutes Beispiel dafür ist Ostwestfalen-Lippe mit der Hansestadt Herford, deren Leinenhändler Blüte und Niedergang erlebten, das als Region aber auf  anderen Märkten wieder aufgestiegen ist und heute in der Spitzengruppe deutscher Kammerbezirke liegt.

Die innovativsten deutschen Mittelständler

Im 19. Jahrhundert wurden auch die ersten Sparkassen ‚Zur Vorbeugung der Armut‘ gegründet. Später die Genossenschaftsbanken. Was war deren Konzept?
Aus sozialpolitischen Anfängen entwickelte sich rasch gezielte Wirtschaftsförderung. In England vergaben meist Großbanken in den Städten Kredite, die deutschen Länder organisierten die Finanzmärkte wieder einmal anders. Die Kassen wurden zum Beispiel in Preußen und Bayern Mittel einer klassischen Entwicklungsstrategie, um vor allem das Gewerbe auf dem Land zu fördern. Sie machten die Kaufleute und Handwerker unabhängiger von großstädtischen Agglomerationen.  Die Erfolg der regional fest verankerten Sparkassen ist dafür typisch.

Die 20 ältesten Weltmarktführer Deutschlands

Stimmt, noch heute schlagen die Sparkassen die Großbanken beim Marktanteil um Längen. Wie wichtig war denn die Religion für die Entwicklung des Mittelstands? 
Heute treten religiöse Bindungen immer weiter zurück. Es ist aber schon auffällig, wie sehr über Jahrhunderte die Religionszugehörigkeit ein wichtiger Standortfaktor war. So waren handfeste Protestanten oft wirtschaftlich erfolgreicher als Katholiken. Dahinter steckt die calvinistische Grundhaltung vom hohen Wert der Arbeit und die Vorgabe, Geld zu investieren statt auszugeben.

Was von all dem war der entscheidende Erfolgsfaktor?  
Erst alle Faktoren zusammen haben den Mittelstand so widerstandsfähig und erfolgreich gemacht. Für Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg sind diese kleinen und mittleren Betriebe, die 75 Prozent der deutschen Unternehmen  ausmachen, am Ende sehr viel wichtiger als die Dax-Konzerne.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%