Von Melanie Bergermann, Yvonne Esterházy, Martin Seiwert, Andreas Wildhagen und Florian Willershausen.
Lars Windhorst hängt in seinem Stuhl. Die Arme über die Lehne geklemmt, die obere Hälfte der Krawatte hängt auf der linken Seite seiner Brust, die untere auf der rechten. Die Beine sind ausgestreckt. Routiniert rattert der 37-Jährige herunter, was er über die Rohstoffmärkte denkt, ob Kohle, Öl oder Gas. Cool und lässig, als wäre er schon ewig im Geschäft. Nach 15 Minuten schaut er das erste Mal auf die Uhr. Der Mann hat keine Zeit.
Windhorst will etwas Großes aufbauen. Seine Unternehmen sollen in ihren Branchen irgendwann zu den Top-Spielern gehören. Die Sapinda Holding wächst in etwa in dem Tempo, in dem Windhorst redet: 2011 betrug das Eigenkapital noch 18.000 Euro, im kommenden Quartal sollen es 210 Millionen Euro sein. Der Marktwert der Beteiligungen liegt laut Windhorst bei 962 Millionen Euro und soll bis Ende des Jahres auf 1,4 Milliarden Euro steigen.
Für 2014 will er an sich und die anderen Sapinda-Teilhaber erstmals eine Dividende ausschütten – dabei arbeiten die meisten seiner Investments bislang noch nicht profitabel. Das rasante Wachstum erstaunt andere Finanzinvestoren, lässt sie aber auch fürchten, ob das wirklich gut gehen kann.
Der Name Windhorst steht für ein erstaunliches Comeback oder zumindest den Versuch eines solchen. Nach zwei Pleiten will das einstige Wunderkind der deutschen Wirtschaft, das als 19-jähriger Jungunternehmer mit dem damaligen Kanzler Helmut Kohl auf Reisen ging, jetzt mit Sapinda und einem prominenten Netzwerk eigene Unternehmen hochziehen. Dafür hat er zum Beispiel den früheren ThyssenKrupp-Vorstand Edwin Eichler engagiert.
Vom Zocker zum Unternehmer
Eines ist er jedoch geblieben: Windhorst ist ein Hochrisikospieler. Seine drei Hauptunternehmen sind in der Aufbauphase. Ob sie je erfolgreich sein werden, ist nicht absehbar. Er leiht Unternehmen Geld, die wohl anderswo keinen Cent bekommen würden. Solche Kredite sind – wenn sie zurückgezahlt werden – einträglich. Sapinda verlangt Zinsen von bis zu zehn Prozent pro Jahr.
Die Aktien seiner Beteiligungen haben hohes Potenzial. Deshalb findet er auch – zwei Pleiten zum Trotz – Co-Investoren. „Wer zu Windhorst geht, will keine Bundesanleihe kaufen“, sagt ein Frankfurter Banker. Seine Strategie, auf Investments mit hohem Chance-Risiko-Verhältnis zu setzen, ist damit auf den ersten Blick logisch. Aber genauso groß ist die Gefahr, dass Windhorst im Drama seines Lebens ein weiteres Mal scheitert.
Erster Akt: Windhorst ist 16 Jahre alt, als er vom Elternhaus im ostwestfälischen Rahden aus ein Unternehmen für Computerzubehör aus Fernost aufbaut. Wohlhabende Gönner wie Klinikbetreiber Ulrich Marseille leihen ihm Millionen. 2004 geht die Windhorst AG pleite, das Landgericht Berlin verurteilt ihn wegen Untreue. Er leistet einen Offenbarungseid. Marseille nennt ihn nun einen Betrüger.
Zweiter Akt: Windhorst nimmt einen neuen Anlauf mit der Investmentfirma Vatas. Nachdem er bei der Nord/LB verschiedene Aktienpakete geordert, aber nicht abgenommen hat und die Bank ihn verklagt, meldet er 2009 erneut Insolvenz an. Viele der Investoren hätten ihm das nicht persönlich übel genommen, sagt Windhorst, da es in der Finanzkrise viele Investoren unerwartet erwischt habe. Viele würden heute wieder Geschäfte mit ihm machen.
Windhorst unter Kontrolle
Nun der dritte Akt mit der Vatas-Muttergesellschaft Sapinda, die nicht von der Pleite betroffen war. Während Vatas auf Schwankungen an der Börse spekulierte, soll Sapinda langfristig investieren und hat bislang 405 Millionen Euro eingesetzt. Mehr als die Hälfte steckt in drei Branchen: Kohle, Öl und Gas, Agrar. Der Rest wanderte in eine Vielzahl von Beteiligungen, die Spanne reicht von Immobilien und Medien bis hin zu elektronischen Fußfesseln.
Oft organisiert Windhorst dafür sogenannte Club Deals: Er hat nach eigener Aussage einen Stamm von 100 Investoren, die in Unternehmen einsteigen, in die auch Sapinda investiert. Darunter sind Größen wie die Fondsgesellschaft Fidelity.
In diese Unternehmen steckt Windhorst Geld
Die Sapinda-Muttergesellschaft sitzt im niederländischen Schiphol. Eigentümer sind sechs Privatpersonen. Windhorsts Anteil am Kapital liegt bei knapp über 50 Prozent. Wie er nach zwei Pleiten und Offenbarungseid so schnell wieder zu Geld gekommen ist, ist sein Geheimnis.
Der Rest verteilt sich auf den Banker Seok Ki Kim, Berater Roland Berger und Silvio Scaglia, einen reichen Italiener, zu dessen Imperium das Dessous-Label La Perla gehört. Hinzu kommt ein Unternehmer-Ehepaar, das anonym bleiben möchte.
„Ich habe Herrn Windhorst anfangs sehr skeptisch gesehen“, sagt Berger. „Er hatte bei mir keinerlei Vertrauensvorschuss.“ Überzeugt habe ihn schließlich, dass Windhorst seine Fehler erkannt und daraus Konsequenzen gezogen habe. Dazu gehöre etwa, dass Sapinda anders als Vatas keine One-Man-Show mehr sei.
So gehören dem Verwaltungsrat neben Eichler zwei weitere Mitglieder an, die das Tagesgeschäft führen. Bei den einzelnen Beteiligungen sind weitere erfahrene Manager tätig. Ex-Müller-Milch-Manager Carl Heinrich Bruhn etwa führt die Agrarsparte.
Regiert wird von London aus
Windhorst beschäftigt sich vor allem damit, potenzielle Ziele auszumachen und Co-Investoren zu gewinnen. Er sitzt neben Ex-Continental-Chef Hubertus von Grünberg und dem Anwalt und Deutsche-Bank-Aufsichtsrat Georg Thoma „nur“ als nicht-operatives Mitglied im Verwaltungsrat.
Daneben gibt es einen Beirat, der bei Personal- und Investitionsentscheidungen mitredet. Auf dem Papier hat das Gremium nur beratende Funktion. In der Praxis gehe allerdings nichts ohne den Beirat, sagt Mitglied Berger: „Ich hätte das Amt nicht übernommen, wenn ich keine Entscheidungsrechte hätte.“ Sapinda könne nicht riskieren, dass ein Beirat ausscheide, weil er sich nicht ernst genommen fühle, „das wäre nicht förderlich für das Ansehen“.
Der größte Standort von Sapinda ist London. Dort sitzen knapp 60 Mitarbeiter im Nobelviertel Mayfair, der Hochburg der europäischen Hedgefondsszene. Das repräsentative Gebäude mit Glasfassade und Atrium hat exklusive Herrenausstatter als Nachbarn und wird flankiert von Ausstellungsräumen der Edelgalerie Hauser&Wirth. Kunstliebhaber Windhorst hat es also nicht weit, wenn er sich inspirieren lassen will. „London ist in Europa alternativlos“, sagt Windhorst. Die britische Hauptstadt ist Drehscheibe und Treffpunkt für Investoren aus Russland, China, Afrika oder dem Nahen Osten. Daher kontrolliert Eichler von hier aus seit Jahresbeginn die Gruppe.
Wohin die Gelder fließen:
1. Kohle
Vor knapp zweieinhalb Jahren gründet Windhorst Ichor Coal mit Hauptsitz in Berlin, registriert in den Niederlanden und notiert an der Berliner Börse. Als erste Akquisition kauft Ichor die Aktienmehrheit an dem Berliner Kohlehändler HMS Bergbau. Dessen Gründer Heinz Schernikau wird Ichor-Chef. Der Kohlehandel soll um eigene Minen in Asien, Südafrika und Polen ergänzt werden. So steht es im Ichor-Geschäftsbericht 2012.
Nicht mal ein Jahr später folgt die Rolle rückwärts. HMS wird aus Ichor herausgelöst. Schernikau geht. Windhorst will nun doch lieber nur Minen in Südafrika und nicht weltweit kaufen. „So haben wir das Profil der Ichor geschärft. Das kommt bei den Anlegern und an der Börse besser an“, sagt er. Schernikau hielt es für wichtiger, zu diversifizieren.
Windhorst ist immer noch mehr der Typ Finanzinvestor mit Börsenblick, der schnelle Erfolge will. „Geduldiger ist er in den vergangenen Jahren nicht geworden“, sagen Freunde wie Kritiker.
Ichor besteht nun aus einer Mehrheitsbeteiligung an einer südafrikanischen Mine und einer Minderheitsbeteiligung an einer Holding, die Anteile an weiteren Minen hält. 2013 lag der Verlust nach Steuern bei 10,3 Millionen Euro, was für die Aufbauphase nicht weiter dramatisch ist.
Zu schaffen machen dürfte dem Unternehmen die hohe Zinslast. 2012 hat Ichor eine Anleihe über 80 Millionen Euro begeben zu einem Zins von acht Prozent. 6,4 Millionen Euro jährliche Zinszahlungen müssen erst mal verdient sein. 2013 kamen weitere Anleihen im Umfang von 35 Millionen Euro zu 6,5 Prozent Zinsen dazu.
Wachstum im Agrar-Bereich
Die Co-Finanzierung über Anleihen findet sich bei vielen Windhorst-Firmen. Für Sapinda hat sie den Vorteil, dass Kapital in die Beteiligungen fließt, ohne dass Sapindas Anteil an den Unternehmen verwässert wird. Zeichnet Sapinda selbst einen Teil der Anleihen, fließt zudem über die Zinsen zügig Geld an Sapinda zurück. Hinzu kommt, dass diese Struktur Börsengänge erleichtert: Je geringer das Eigenkapital, desto höher fällt die Eigenkapitalrendite aus – eine wichtige Größe für Investoren.
Andererseits sorgt viel Fremdkapital dafür, dass die Unternehmen schon in der Aufbauphase mit hohen Zinskosten belastet werden.
Kohlepreis steht unter Druck
Ichor ist nicht chancenlos. Experten der Internationalen Energieagentur gehen davon aus, dass Kohle Öl schon in drei Jahren als wichtigsten Energielieferanten ablösen wird, weil die Nachfrage aus Schwellenländern steigen dürfte. Dadurch steigt der Preis aber noch nicht. Seit 2012 ist der Kohlepreis unter Druck, weil infolge des Schiefergasbooms Gas extrem billig geworden ist und die USA daher ihre geförderte Kohle auf den Weltmarkt geworfen haben. Allerdings lässt der Schiefergas-Boom bereits nach. Institutionelle Investoren fuhren ihre Investitionen in Schiefergas in den vergangenen Monaten wieder zurück, weil sich ihre Rendite-Erwartungen vielfach nicht erfüllt hatten. Dadurch könnte der Gaspreis wieder steigen, was auch dem Kohlepreis wieder Auftrieb verleihen könnte. Das dürfte sich dann auch positiv auf den Wert der Ichor-Aktie auswirken, was das Papier für Privatanleger interessant macht. Im vergangenen Jahr hat die Aktie eine Berg- und Talfahrt hingelegt. Vor einem Jahr stand der Kurs noch bei 4,10 Euro, stieg Ende Januar um 34 Prozent auf 5,50 Euro. Aktuell ist das Papier mit 4,60 Euro wieder recht günstig.
2. Agrar
Es braucht einigen Mut, um in Afrika zu investieren – den haben deutsche Unternehmen selten. Korruption, miserable Infrastruktur und komplexe Stammesstrukturen sind Gründe, weshalb sie dort kaum eine Rolle spielen. Wohl auch deshalb geht Windhorst rein. Er hält 51 Prozent der Aktien an Amatheon Agri mit 300 Mitarbeitern und Hauptsitz in Berlin.
Das Unternehmen hat unter anderem 30.000 Hektar Land im politisch relativ stabilen Sambia für mehrere Jahrzehnte gepachtet, um Soja, Mais und Weizen anzubauen. Hinzu kommen Rinderherden. Das Land soll mithilfe einheimischer Farmer beackert werden. Die Ernte soll in Afrika bleiben: Amatheon setzt auf Wirtschaftswachstum und damit auf eine wachsende Käuferschicht für ihre Waren in Sambia und den Nachbarstaaten.
30 Millionen Euro hat das Unternehmen investiert in Land, Straßen und Bewässerungssysteme. Vor einem Jahr wurde die erste Ernte eingefahren. In den kommenden fünf Jahren will Amatheon-Chef Bruhn rund eine halbe Milliarde Euro in weitere Projekte stecken. „Wir bauen nicht nur Weizen an, sondern wollen es in eigenen Mühlen auch zu Mehl verarbeiten“, sagt Bruhn. Das Geld soll über eine Kapitalerhöhung von 200 Millionen Euro und Anleihen über 300 Millionen Euro ins Unternehmen kommen, die zum Teil von Sapinda gezeichnet werden sollen.
Rasantes Wachstum
Aktuell hat sich Amatheon über Anleihen mehr als 100 Millionen Euro bei Investoren zu Zinssätzen zwischen 8,5 und 10,0 Prozent geliehen. Die hohen Zinsen belasten auch hier die Bilanz.
Amatheon kann sich anders aber kaum refinanzieren. Private Banken geben wegen des Risikos ungern Kredite für Afrika-Investments. Die bürokratischen Hürden für Kredite von Entwicklungsbanken sind hoch und mehr als zweistellige Millionenbeträge in der Regel nicht zu bekommen. In der Tat bleibt Afrika als Investitionsstandort riskant. Kriege und Krisen haben abgenommen, sind aber Teil der Realität. Eigentumsverhältnisse von Land sind oft umstritten oder können es rasch werden.
Amatheon ist an der Börse Euronext in Paris notiert. Der Kurs hat sich binnen eines Jahres auf 2,10 Euro mehr als verdreifacht. Für Privatanleger eignet sich die Aktie dennoch nicht. Lediglich zehn Prozent der Aktien sind frei verfügbar, der Rest befindet sich in der Hand von Großaktionären wie Sapinda. Die Aktie wird kaum gehandelt, weshalb auch der Aktienkurs nicht wirklich aussagekräftig ist. Hinzu kommt, dass bislang kein Geschäftsbericht veröffentlicht wurde. Auf der Homepage finden sich ebenfalls nur rudimentär Informationen darüber, wie die Gesellschaft das Geld der Aktionäre konkret investiert. Angaben dazu wie die Geschäfte laufen gibt es keine. Private Anleger sollten deshalb zunächst abwarten.
Öl und Gas aus Kasachstan
3. Öl und Gas
Sequa Petroleum ist in den Niederlanden registriert und hat seinen Hauptsitz an der Londoner Sapinda-Adresse. Windhorst hat das Unternehmen mit dem heutigen Sequa-Chef Jacob Broekhuijsen gegründet, der vom britischen Energiekonzern BG kam. Sapinda hält 54 Prozent der Anteile, weitere 30 Prozent gehören einer Privatfirma von Windhorst.
Vor Kurzem hat Sequa die Förderrechte für ein Öl- und Gasfeld in Kasachstan übernommen. Dieses umschließt das Karachaganak-Ölfeld, eines der größten Ölfelder der Welt. Studien nähren die Hoffnung der Sequa-Manager, dass hohe Mengen an Öl und Gas auch in den umliegenden Gebieten zu finden sind. Spätestens im Sommer soll die erste Bohrung erfolgen. Die erforderlichen Genehmigungen liegen vor.
Kasachstan bietet für einen autoritären Staat ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Öl und Gas sind die wichtigsten Wirtschaftsgüter. Viele Vorkommen sind noch nicht erschlossen und ausländische Investoren willkommen. Korruption ist allerdings weit verbreitet: Kasachstan landet im Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 140 von 177 und liegt damit sogar hinter Bangladesch.
Sequa hat hier bislang gut 100 Millionen Euro investiert, die von Sapinda in Form von Eigenkapital und Krediten kamen. Sequa Petroleum soll noch in diesem Jahr an die Börse gehen.
4. Finanzen
Sapinda hält knapp zehn Prozent an dem in Luxemburg registrierten Finanzdienstleister Anoa Capital. Weitere 25 Prozent gehören dem Sapinda-Verwaltungsrat Peter Wiesing.
Die Verbindung zwischen Sapinda und Anoa ist eng. Sapinda darf selbst keine Kapitalmarktprodukte platzieren und braucht hierfür einen Partner, der von einer Finanzmarktaufsicht kontrolliert wird. Früher hat diese Aufgabe häufig die deutsche Quirin Bank übernommen und etwa die Kapitalerhöhung von Ichor platziert. Heute laufen solche Geschäfte in der Regel über Anoa. Umgekehrt hilft Windhorst gegen Gebühr beim Vertrieb, wenn Anoa eine Kapitalerhöhung oder Anleihe eines anderen Unternehmens platziert.
5. Sicherheit
Secure Alert aus Salt Lake City im US-Staat Utah verkauft elektronische Fußfesseln für den Strafvollzug. Bis 2010 firmierte das Unternehmen unter RemoteMDx. Es waren unter anderem Geschäfte mit deren hoch volatilen Aktien, die Vatas 2009 in die Insolvenz trieben.
Doch Windhorst kann die Finger nicht von der Firma lassen. Sapinda ist mit 46 Prozent der größte Aktionär. Etwa, weil die Firma so erfolgreich ist? „Das globale Unternehmen“, so heißt es in einer SecureAlert-Pressemitteilung von Anfang Januar „setzt seine erfolgreiche Gesundung fort“. Doch der vermeintliche Global Player hat noch nicht einmal 100 Mitarbeiter. Rätselhaft ist auch, wo die Verfasser der Presseerklärung eine „erfolgreiche Gesundung“ zu erkennen vermögen. Das Unternehmen könnte kränker kaum sein. Seit der Gründung vor 17 Jahren ist es defizitär und hat Verluste von 266 Millionen Euro aufgehäuft. Jahr für Jahr verbucht SecureAlert zweistellige Millionenverluste, seit drei Jahren zudem mit steigender Tendenz. 2013 stand ein Nettoverlust von 18 Millionen Dollar in den Büchern, bei gerade mal 16 Millionen Dollar Umsatz. „Wir haben eine Geschichte von wiederkehrenden Nettoverlusten“, räumt die Firma in ihrem Jahresabschlussbericht 2013 denn auch selbst ein. Es hätten seitens der Buchprüfer „substanzielle Zweifel“ an der Überlebensfähigkeit der Firma bestanden. Im März garnierte SecureAlert die Übernahme einer kleinen israelischen Firma mit der Aussage, dass damit der „Expansionskurs fortgesetzt wird“.
Radikaler Schrumpfkurs
Der „Expansionskurs“ von SecureAlert war in den vergangenen Jahren faktisch ein radikaler Schrumpfkurs. Firmenanteile wurden verkauft und die Belegschaft allein seit 2011 von 215 auf 98 Mitarbeiter zusammengestrichen. „Trotzdem haben wir uns entschieden, vor allem durch Umstrukturierungen und auch weitere Investitionen Secure Alert doch noch voranzubringen“, sagt Windhorst. Mittlerweile erwirtschafte das Unternehmen operativ einen Gewinn. Privatanleger sollten dennoch vorsichtig sein. In den vergangenen Jahren haben die Manager von Secure Alert stets viel versprochen, konnten allerdings kaum geschäftliche Erfolge vorweisen. Konservative Anleger sollten abwarten, ob der Vorstand diesmal tatsächlich Wort hält und der Sprung in die Gewinnzone gelingt. Das Papier eignet sich allenfalls für Zocker, die auf kurzfristige Kursschwankungen setzen wollen, da der Aktienkurs zumindest in den vergangenen Jahren äußerst volatil war.
Neuer Ärger für Windhorst
In den vergangenen zwei Jahren überschüttete Windhorst das latent insolvenzgefährdete Unternehmen mit Millionenkrediten zu einem Zinssatz von acht Prozent. Bedingung war allerdings, dass Sapinda das Management neu besetzen durfte. So ist seit Februar 2013 der Schweizer Guy Dubois Chef von Vorstand und Verwaltungsrat. Er kommt vom Schweizer Caterer Gategroup, den er 2011 verließ, nachdem dort Millionenbetrügereien einer Mitarbeiterin aufgeflogen waren. Die Züricher Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Dubois wegen möglicher Beteiligung. Vorübergehend saß er in Untersuchungshaft.
Verwaltungsratsmitglied René Klinkhammer arbeitete früher für Sapinda und ist gegenwärtig Chef für Kreditvergabe bei der Sapinda-Beteiligung Anoa Capital.
Die Windhorst-Clique bewog Secure-Alert-Verwaltungsrat Larry Schafran 2013 zum Rückzug. „Sapinda ist im Begriff, die Kontrolle zu übernehmen“, schrieb er am 31. Januar in einem Brief an den damaligen Verwaltungsratschef. Das sei bedenklich, denn: „Die Schwierigkeiten in den vergangenen Jahren wurden vor allem dadurch verursacht, dass Sapinda seine finanziellen Zusagen nicht rechtzeitig einlöste.“
Die Kreditverträge seien einseitig zum Vorteil von Sapinda und unrechtmäßig zustande gekommen, weil sie mit den Stimmen von Sapinda-Vertretern im Verwaltungsrat beschlossen worden seien. Klinkhammer und Dubois hätten sich bei den Abstimmungen enthalten müssen. „Ich habe mit einer Mehrheit des angeblich unabhängigen Verwaltungsrates Meinungsverschiedenheiten über Corporate Governance, Transparenz und Insidergeschäfte“, schreibt Schafran. Windhorst wollte hierzu keine Stellungnahme abgeben.
Eine Secure-Alert-Aktionärin, die als klagefreudig bekannt ist, wirft Windhorst zudem vor, mit Aktiengeschäften Gewinne von 6,4 Millionen Euro gemacht zu haben, die ihm nicht zustünden. Sie beruft sich auf eine Vorschrift im US-Aktienrecht, wonach Großaktionäre Gewinne mit Aktien ihres Unternehmens nicht für sich behalten dürfen, wenn Käufe und Verkäufe binnen eines halben Jahres stattfanden. Die Aktionärin hat Klage am Bezirksgericht des US-Staates New York eingereicht. Windhorst hält die Klage für unbegründet, da sie auf falschen Behauptungen beruhe, will sich wegen des laufenden Verfahrens aber nicht im Detail äußern.
6. Medien
Sapinda ist mit 22 Prozent an RNTS Media beteiligt, das unter anderem Spiele für Smartphones anbietet. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin existiert seit zwei Jahren und ist komplett abhängig von Windhorsts Geldspritzen. Ende 2012 schuldete RNTS Windhorst 2,3 Millionen Euro. Sapinda war selbst nur mit Überbrückungskrediten zwischen 120.000 und 350.000 Euro dabei, die mit bis zu zwölf Prozent happig verzinst waren. Zudem garantiert Sapinda für Verbindlichkeiten von RNTS. Die lagen Ende 2012 bei 6,2 Millionen Euro. Dem standen Vermögenswerte in Höhe von nur 6,9 Millionen gegenüber.
Das erste Geschäftsjahr verlief nicht gerade nach Plan: RNTS hatte die Lizenz an einem Rollenspiel gekauft, es aber nach einem halben Jahr mangels Erfolg wieder vom Markt genommen. Zudem verzögert sich der Aufbau eines eigenen App-Stores.
Der Verlust lag 2012 bei 2,6 Millionen Euro. Trotz mangelnden Erfolgs ging das Unternehmen Anfang 2013 an die Luxemburger Börse. Im August wurde der Handel ausgesetzt, weil RNTS bis dahin keinen testierten Jahresabschluss publiziert hatte.
Die Aktie ist nur für risikobereite Anleger interessant. RNTS ist ein Startup und hat bislang noch keine geschäftlichen Erfolge vorzuweisen. Die Aktie wird phasenweise so gut wie gar nicht gehandelt. Der Kurs ist äußerst volatil. Andererseits liegt er mit 2,65 Euro aktuell unter dem Kurs von drei Euro zum Börsenstart im Januar 2013. Das Unternehmen ist noch in der Aufbauphase und wird in den kommenden Monaten vermutlich noch einige Zukäufe tätigen, was zu einem steigenden Aktienkurs führen könnte.
Mit Truthähnen zum Geld
Ein weiteres Sapinda-Investment im Medienbereich ist die Senator Entertainment AG. Um ihrem Schicksal als Thanksgiving-Festbraten zu enden, zu entgehen, reisen die beiden Truthähne Jake und Reggie mit einer eierförmigen Zeitmaschine ins 17. Jahrhundert, wo gerade das allererste Thanksgiving gefeiert werden soll. Sie wollen verhindern, dass das Fest überhaupt eingeführt wird und so Millionen von Truthahn-Leben retten. Bevor die Mission erfüllt werden kann, ist allerdings so manche Hürde zu nehmen: Reggie verliebt sich etwa in eine heiße Truthenne und bekommt Ärger mit dem Schwiegergockel in spe. Die Geschichte klingt zu bekloppt, um auch nur einen einzigen Menschen ins Kino zu locken? Von wegen. 500.000 Kinobesucher in Deutschland und Österreich sahen den Film „Free Birds“ seit Februar. Das hat selbst Helge Sasse, Vorstandschef der Senator Entertainment AG, die den Film an die Kinos verleiht, überrascht. „Was beim Zuschauer ankommt, ist kaum vorhersehbar.“ Im ersten Halbjahr 2012 machte sein Unternehmen 27,4 Millionen Euro Umsatz – vor allem dank der französischen Komödie „Ziemlich beste Freunde“, der neun Millionen Zuschauer ins Kino lockte. Das Jahr 2012 endete mit einem Gewinn von 4,6 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2013 fiel ein Verlust von 83.000 Euro an. Senator verdient sein Geld hauptsächlich mit dem Verleih von Kino-Filmen und TV-Lizenzen. Das Geschäft ist volatil und Senator zu klein. Ein einziger Erfolg oder Misserfolg wirkt sich gleich deutlich auf das Ergebnis aus. Dementsprechend riskant sind solche Engagements für Anleger.
Investoren für die Filmbranche zu kriegen ist fast unmöglich
Sapinda hält sieben Prozent der Senator Aktien und hat 2011 eine Anleihe in Höhe von zehn Millionen Euro gezeichnet. Zudem hat Sapinda für eventuelle Verbindlichkeiten von Senator eine Garantie in Höhe von 20 Millionen Euro gegenüber einem amerikanischen Geschäftspartner abgegeben, der Senator die Lizenzen für eine Vielzahl an Filmen sichert. „Ohne die Garantie von Sapinda hätte unser Geschäftspartner den Vertrag nicht mit uns gemacht“, sagt Sasse. In Deutschland Investoren für die Filmbranche zu begeistern, sei fast unmöglich, sagt er. „Sapinda mit seinem weltweiten Netzwerk verleiht uns einen Hauch an Internationalität.“ Das erleichtere es, Investoren zu finden.
Mittelfristig soll Senator neu aufgestellt werden. „Eine Möglichkeit wäre, Kapital einzusammeln, um zum Beispiel das Unternehmen durch Zukäufe zu vergrößern oder mehr und größere Filme selbst herzustellen", sagt Sasse. "Eine andere wäre, das Unternehmen schlanker aufzustellen und privat weiter zu führen - es also von der Börse zu nehmen." Das heißt: Die Zukunft von Senator ist ungewiss. Für Privatanleger eignet sich die Aktie deshalb aktuell nicht.
7. Spiele
Azubu Europe sitzt in Berlin, an derselben Adresse wie Sapindas Deutschland-Tochter. Das Unternehmen wurde Ende 2011 gegründet und überträgt Computerspiel-Wettbewerbe im Internet. Bei azubu.tv sieht man Jugendliche, die gegeneinander zocken. Die Werbeindustrie scheint es gut zu finden: Autohersteller Kia schaltet Spots, genauso wie der Versicherungskonzern Axa.
Azubu-Chef Ian Sharpe verspricht einen rasanten Wachstumskurs: „Es wird viele aufregende neue Kanäle und Veränderungen geben.“ Finanziert wird das über eine Kapitalerhöhung von 34,5 Millionen Euro, die vor allem von Sapinda gezeichnet wird. Dem Finanzinvestor werden dann knapp 50 Prozent an dem Unternehmen gehören.
8. Immobilien
Grand City Properties ist in Luxemburg registriert und an der Frankfurter Börse gelistet. Das Unternehmen kauft nach eigener Darstellung „Immobilien mit hohem Optimierungspotenzial in Deutschland“ – im Klartext: heruntergekommene Buden, aus denen viele Mieter geflüchtet sind. Man wolle die Häuser herrichten, um so wieder Mieter anzulocken.
Grand City bekommt die Immobilien zum Schnäppchenpreis. Weil sofort und stetig Mieten hereinkommen, lassen sich zunächst ansehnliche Renditen erwirtschaften.
Sparsamkeit mit Grand City
Das Unternehmen hat auch dank Sapinda jede Menge Geld in der Kasse. Allein 2013 gab es zwei Kapitalerhöhungen im Umfang von 211 Millionen Euro. Zudem platzierte Grand City Anleihen über 200 Millionen Euro zu einem Zins von 6,25 Prozent und in diesem Jahr noch mal eine Wandelanleihe über 150 Millionen Euro. Grand City will die Mittel nutzen um weitere Immobilien zu kaufen, was die Aktie für Privatanleger zumindest kurzfristig interessant macht. Zum einen dürften die Mieteinnahmen durch weitere Zukäufe noch einmal deutlich steigen. Zum anderen hält Grand City die Investitionen gering, was eine hohe Marge zur Folge haben dürfte.
Grand City gab 2013 für Instandhaltungsmaßnahmen lediglich 5,50 Euro pro Quadratmeter aus. Die Ausgaben für Instandhaltung und Modernisierung der Immobilien lag insgesamt bei 13,70 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Der Wettbewerber Deutsche Annington gab für beides knapp 20 Euro pro Quadratmeter aus. Für die Aktionäre ist die Sparsamkeit von Grand City gut – allerdings nur auf den ersten Blick und nur für jene die kurzfristig orientiert sind. Denn eine Investitionsquote in der Größenordnung reiche in der Regel nicht aus, um den Wert der Immobilien zu erhalten, sagt Stefan Kofner, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Zittau. Üblicherweise seien mindestens zwölf Euro pro Quadratmeter nötig. Langfristig könnte also die Qualität der Immobilien wegen der geringen Investitionen zum Problem werden. Das sollten Investoren bedenken.
Ebenfalls beruht ein bedeutender Teil des Jahresergebnisses in Höhe von 266 Millionen Euro in 2013 nicht auf nachhaltigen Umsätzen sondern wird dadurch bestimmt, dass das Unternehmen den Buchwert seiner Immobilien erhöht– eine rein bilanzielle Maßnahme. Wenn Grand City das Wachstum irgendwann drosselt – also weniger Immobilien als heute kauft, deren Bilanzwert hoch geschrieben werden kann – dürften auch die Gewinne aus Neubewertung zurück gehen.
Konservativ finanziert
Hinzu kommt, dass das Unternehmen erst noch beweisen muss, dass es tatsächlich wesentlich mehr aus den Immobilien rausholen kann, als die Vorbesitzer. Zwar haben sich die Mieteinnahmen mit 99,6 Millionen Euro in 2013 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt, allerdings ist dies zum Großteil auf Mieteinnahmen zurückzuführen, die aus neu erworbenen Immobilien stammen. Die Mieteinnahmen aus den Immobilien, die bereits 2012 zur Gruppe gehörten, konnten nur um acht Prozent gesteigert werden.
Für die Aktie des Unternehmens spricht dagegen, dass es konservativ finanziert ist. Das Verhältnis von Krediten und Anleihen zum Wert der Immobilien beträgt 35,7 Prozent. Der Großteil der Immobilien ist damit schuldenfrei.
Mit all diesen Projekten will Windhorst der Welt beweisen, dass er ein erfolgreicher Unternehmer ist und seinen Ruf als Pleitier loswerden. Das dürfte allerdings noch einige Zeit dauern. Bei der Deutschen Bank und der Commerzbank steht sein Name immer noch auf der Liste derjenigen, mit denen man keine Geschäfte macht – auch wenn beide Institute dies offiziell nicht bestätigen. „Wir würden angesichts des Rufes, der ihm vorauseilt, sehr vorsichtig sein, mit ihm Geschäfte zu machen, und uns vorher von der Compliance-Abteilung beraten lassen“, sagt auch ein Londoner Mitarbeiter einer großen Investmentbank.
„Er wird behandelt, als hätte er einer Omi ihre Rente geklaut“, sagt ein Finanzinvestor aus Frankfurt. „Aber das hat er ja gerade nicht.“ Seine Investoren hätten genau gewusst, was sie taten. Natürlich mache er Geschäfte mit „dem Lars“. Aber seinen Namen in der Zeitung lesen will er nicht – eine typische Reaktion.
Windhorst selbst vermittelt den Eindruck, als kratze ihn das nicht sonderlich. In seinem Umfeld dagegen heißt es, dass er darunter leide, ihn die Ablehnung aber auch antreibe. „Ich mache mir täglich Notizen in meinem Kalender“, sagt Windhorst. „Ein Plus-Zeichen setze ich hinter einen positiven Tag, einen Tag, an dem ich überwiegend Glücksgefühle hatte, die Arbeit Spaß gemacht hat. War es dagegen eine schlechtere Performance, gab es mehr enttäuschende Erlebnisse, mache ich ein Minus.“ Seit sein Arbeitspensum stetig zugenommen habe, „ist auch die Zahl der Plus-Zeichen enorm gestiegen“.