Zwei Jahre Betriebsrat bei Würth Angst vorm Klassenkampf in Künzelsau

Quelle: imago images

Vor zwei Jahren erzwang ein AfD-naher Mitarbeiter die Gründung eines Betriebsrats beim Schraubenkonzern Würth. Die Schockwellen sind bis heute spürbar und zeigen das angespannte Verhältnis zwischen Familienbetrieb und Belegschaft.

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Es ist weniger als zwei Jahre her, da entwickelte sich in Künzelsau ein historischer Vorgang. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte bekam die Würth GmbH einen Betriebsrat. Es war nicht der erste seiner Art in der gesamten Unternehmensgruppe. Andere Würth-Gesellschaften hatten durchaus schon Erfahrung mit Arbeitnehmervertretungen. Aber für die große und mächtige Zentrale in Künzelsau war die Existenz eines Betriebsrats Neuland – und von Anfang an eine Konfliktzone. 

Denn die Initiative für die Gründung des Gremiums ging von einem Mitarbeiter aus, der offenbar der Partei AfD nahestand. „Wir haben uns nicht eingemischt“, sagt Bettina Würth. Aber ihre „Sorge“ schwinge bis heute mit. Der Betriebsrat habe fast 40 Leute und eine „Bandbreite“ an Interessen, sagt sie – aber der ein oder andere habe dann eben doch möglicherweise „ein bisschen Spaß“ an der Provokation, an unfairer „Polemik am Kapitalismus“ und an künstlich aufgebauschten Konflikten „zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“. 

Bettina Würth, die Tochter von Unternehmer Reinhold Würth, der die mittelständische Firma Würth zu einem weltweiten Dübel- und Schraubenimperium aufgebaut hat, ist heute Vorsitzende des Beirats – und wacht über den Konzern. „Klassenkampf in Künzelsau“, so könnte man das Würth-Kapitel betiteln, sagt Würth im WirtschaftsWoche-Podcast „Chefgespräch“ – ein bisschen scherzhaft, ein bisschen ernst. Die aufgestaute Stimmung von damals habe sich gelegt. Aber so ganz scheint sie dem Betriebsfrieden nicht zu trauen. Ihre Sorge: Mitarbeiter könnten den Betriebsrat nutzen, um „ein bisschen zu spalten“.

Sie lenken gemeinsam den Würth-Konzern: Im Podcast erzählt Bettina Würth, warum sie ihren Kollegen zunächst „geschleckt“ fand – und Robert Friedmann, wie man als Außenstehender unter dem Unternehmens-Übervater arbeitet.
von Beat Balzli

Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist oft konfliktreich – ganz besonders in Familienunternehmen. Die Mittelständler sehen sich oft in sozialer Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern - und verhalten sich auch so. Aber mit der Installation einer formalen Arbeitnehmervertretung hadern viele. Am liebsten würden sie darauf verzichten oder allenfalls Vertrauensräte oder Personalräte einsetzen, die weniger formale Rechte für Arbeitnehmer haben. So war das bei Würth 37 Jahre lang der Fall. 

Das Fehlen eines Betriebsrates bis 2019 hatte der Würth-Belegschaft in Deutschland bis dahin nicht geschadet. Die Bezahlung war eher überdurchschnittlich, das Betriebsklima intakt. „Es gab keine größeren Probleme“, sagte der langjährige Würth-Vertriebler und Belegschaftssprecher Jürgen Daffner vor gut zwei Jahren. „Viele Dinge sind hier gut gelaufen. Wir werden anständig bezahlt, die Arbeitskultur ist herausragend, das muss man auch mal sagen.“

Doch das neue Gremium in Künzelsau hat offensichtlich einiges in Bewegung gebracht. Man müsse schauen, dass der Betriebsrat „einen Modus findet“, der im Sinne der bisherigen Unternehmenskultur auf Kooperation setze, sagt Unternehmerin Würth. Schade wäre es, sagt sie im Podcast-Gespräch mit WiWo-Chefredakteur Beat Balzli, wenn eine Kultur einziehen würde, die dazu führe, dass „der Betriebsrat sich so bockig verhält, dass die Geschäftsleitung auch bockig würde“. Dann wäre das jahrelang aufgebaute Miteinander in Gefahr. Sie sei aber guter Dinge, „dass es sich einschleift.“ 

Reinhold Würth ist einer der reichsten Menschen Deutschlands. Der Milliardär verdient mit Schrauben ein Vermögen. Den Bezug zur Realität verliere er dennoch nicht, sagt er, weil er sparsam sei.
von Sina Osterholt

Das Verhältnis von familiengeführten Weltmarktführern und Arbeitnehmern ist seit Jahren ein besonderes. Der Verband „Die Familienunternehmer“ hat sich explizit mit der Thematik beschäftigt. Zuletzt habe es 2014 dazu eine Umfrage unter den Mitgliedern des Verbandes gegeben. Nur 27 Prozent der befragten Familienunternehmen verfügten über einen Betriebsrat. Von denen bewerteten drei von vier Unternehmern, dass das Verhältnis zu den Betriebsräten „gut“ bis „sehr gut“ sei. Ein Viertel bewertete es als „mittelmäßig“ oder „sehr schlecht“. 

René Bohn, Leiter Arbeitsmarktpolitik und soziale Sicherung des Verbandes, ordnet die Zahlen ein und sieht die Zahlen als Beleg für das gute Verhältnis der Arbeitgeber zu ihren Arbeitnehmern. Im Schnitt beschäftigten die Familienunternehmer des Verbandes 30 bis 35 Mitarbeiter. Die Gründung eines Betriebsrates sei vor allem in größeren Unternehmen ausgeprägt. Und meist werde ein Betriebsrat gegründet, „wenn etwas im Argen liegt“. In guten Zeiten sei auch der Wunsch innerhalb der Belegschaft oft nicht sehr ausgeprägt.  

Dennoch blickt die Organisation skeptisch auf die Versuche, die Rechte der Arbeitnehmer zu erweitern. Zuletzt gab es Initiativen der Grünen und Linken, die Bildung von Betriebsräten in Unternehmen zu erleichtern und die Wahlen zu vereinfachen. Der Verband lehnte kategorisch ab, weil die Initiativen ein äußerst negatives Unternehmerbild unterstellt und „ein einzig positives wie undifferenziertes Bild der Zusammenarbeit von Unternehmern mit ihren Betriebsräten“ gezeichnet hätten, hieß es damals in einer Stellungnahme.

Auch die jüngsten Versuche von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), ein Recht auf Homeoffice einzuführen, kommt bei den Familienunternehmern nicht gut an. „Damit hätten zahlreiche Mitglieder „Bauchschmerzen“, sagt Bohn. „Die Unternehmer sind nicht gegen mobiles Arbeiten und Homeoffice, aber ein Recht auf Homeoffice geht vielen zu weit. Das empfinden viele als einen Eingriff in ihre unternehmerische Autonomie.“  

„Die Familienunternehmer“ fordern ihrerseits Reformen des Betriebsverfassungsgesetzes, die den Einfluss der Arbeitnehmer begrenzen würden. Ihre Punkte: Ob ein Betriebsrat gegründet werden soll, darüber sollten „mindestens 50 Prozent der Belegschaft“ abstimmen, heißt es in einem Positionspapier. Die Amtszeit von Betriebsräten sollte außerdem „auf zwei begrenzt werden“. Und: Der Belegschaft solle „ein Recht auf konstruktives Misstrauensvotum eingeräumt werden“, um den Betriebsrat unter bestimmten Voraussetzungen „absetzen“ zu können. Die Initiative für ein solches Misstrauensvotum könnte „ebenfalls vom Arbeitgeber“ ausgehen. 

Bei Würth hat man sich indes inzwischen an die neue Faktenlage gewöhnt. Bis zur Gründung des Betriebsrates Ende 2019 hatte es fast 40 Jahre lang einen Vertrauensrat gegeben. Der habe „das getan, was ein ein guter Betriebsrat tut“, sagte Würth-Chef Robert Friedmann im WiWo-Podcast „Chefgespräch“. Die Mitarbeiter seien besser behandelt worden als anderswo. „Das sieht man an der geringen Fluktuation“, so Friedmann. Daher sei er optimistisch: Wenn das Unternehmen die Mitarbeiter „am Erfolg partizipieren lässt“, und so sei das bei Würth der Fall, dann „gibt es den Klassenkampf nicht“. 

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Eine gewisse Skepsis kann aber auch Friedmann nicht verbergen. Es gebe einige Dinge, die seien „formaler“ geworden, das sei vorher informell abgelaufen, sagt der Würth-Chef. Ansonsten „läuft es genauso gut wie mit dem Vertrauensrat“ – zumindest „jenseits der Befürchtung, die mit dem Mindset zu tun hat“. 

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