Mittelstands-Finanzierung Die Rechnung ohne die Bank gemacht

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Optikhändler Matthias Knoche Quelle: Christoph Busse für WirtschaftsWoche

Auch eine aktuelle Studie der Commerzbank bestätigt die Probleme: 45 Prozent aller Mittelständler mit einem Umsatz zwischen 2,5 und 12,5 Millionen Euro gaben an, dass der Zugang zu Krediten für sie schwieriger geworden sei. Nur 16 Prozent spüren eine Erleichterung. Von den Kreditproblemen betroffen fühlen sich insbesondere Einzelhändler und Maschinenbauer. Befragt wurden zwischen Mai und Juli dieses Jahres 4000 Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen.

Tatsächlich ist das Kreditvergabevolumen der Banken an Unternehmen und Privatleute seit Mitte 2009 deutlich gesunken. Laut der Deutschen Bundesbank bewegten sich die Rückgänge seit Mitte 2009 im zweistelligen Prozentbereich. Erst im zweiten Quartal dieses Jahres waren die Geldinstitute etwas freigiebiger – seitdem ist der Rückgang im Vergleich nur noch einstellig. Für das vierte Quartal erwartet die Kreditanstalt für Wiederaufbau, dass die Zahl neuer Unternehmenskredite erstmals seit Ende 2008 wieder zunimmt.

Die böse Erfahrung, von ihren Hausbanken alleingelassen worden zu sein, sitzt bei vielen Mittelständlern tief. Immer öfter schauen sich deren Chefs darum nach Alternativen zur klassischen Finanzierung um. Zumal die Kreditbeschaffung per Internet nicht die einzige Methode ist, mit der Unternehmen sich unabhängiger von den Banken machen können. Einige Firmen lassen sich Einkäufe von speziellen Finanzdienstleistern vorfinanzieren, ohne ihre Kreditlinie damit zu belasten. Andere setzen auf Kunden als stille Teilhaber – wie etwa der Biomöbel-Unternehmer Johannes Genske. Oder sie wenden sich – etwa zur Finanzierung von Immobilien – an Versicherer. Die sind bei der Kreditvergabe zwar nicht weniger knauserig als Banken, gewähren aber eine längere Zinsbindung, was die Kreditkonditionen besser kalkulierbar macht.

Matthias Knoche, Inhaber zweier Augenoptik- und Hörgerätegeschäfte in Magdeburg, hat die Probe aufs Exempel gemacht: Eine halb gewerblich, halb privat genutzte Immobilie mit Ladenlokalen, Privatwohnungen und Büroräumen finanzierte er über eine Lebensversicherung. Die Methode ist für kleine Unternehmen eher ungewöhnlich, obwohl die Konditionen mit zehn Jahren Laufzeit und 4,4 Prozent Zinsen gar nicht schlecht sind: Das teuerste Bankangebot liegt 0,9 Prozentpunkte höher, der Durchschnitt aller Offerten, die der Optik- und Akustikspezialist von Banken bekommen hat, immer noch einen halben Prozentpunkt darüber. „Das fällt ins Gewicht“, sagt Knoche.

Finanzierungsprobleme sind vor allem eine Folge der schärferen Eigenkapitalvorschriften der Banken

„Über einen Versicherer zu finanzieren ist interessant für Kreditnehmer, die eine längerfristige Zinsbindung suchen“, sagt Manfred Hölscher, Leiter der Enderlein Baufinanzierung in Bielefeld. Laufzeiten von 15 bis 20 Jahre seien hier deutlich einfacher zu bekommen als bei Banken.

Die Finanzierungsprobleme des Mittelstands haben nicht erst mit der Lehman-Pleite im Herbst 2008 begonnen – sie sind vor allem eine Folge der schärferen Eigenkapitalvorschriften der Banken. Schon seit 2003 müssen die Finanzinstitute höhere Kreditrisiken mit mehr Eigenkapital ab-sichern. Die aktuell beschlossenen Änderungen, im Fachjargon „Basel III“, dürften die Situation nochmals verschärfen: Rücklagen müssen nun noch höher angesetzt werden.

Die Folge: Den Finanzinstituten steht weniger Geld für Ausleihungen zur Verfügung. „Schon heute müssen die Banken Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen mit mehr Eigenkapital unterlegen als zum Beispiel für den Kauf griechischer Schrottanleihen“, schimpft Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft.

Um ihre Finanzstruktur zu verbessern, haben Mittelständler schon in den vergangenen Jahren viel getan: Sie haben ihre Lager kräftig abgespeckt und damit die Kapitalbindung verringert und den Cash-Flow verbessert. Sie setzen stärker auf eigenkapitalschonende Finanzierungsalternativen wie Leasing für Maschinen und Gebäude. Auch Factoring wird häufiger genutzt: Dabei werden offene Forderungen an die eigenen Kunden an die Factoringgesellschaft abgetreten, die dafür – gegen Gebühr – die Rechnung sofort begleicht.

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