
Bluejeans, weiße Turnschuhe, schwarzer Rollkragenpullover – Steve Jobs steht im typischen Outfit auf der Bühne des Yerba-Buena-Kunstzentrums in San Francisco neben einem bequemen Ledersessel und einem Plexiglastisch.
Hager wirkt der Chef des amerikanischen Computer- und Unterhaltungselektronik-Konzerns – und etwas angespannt. Doch dann versprüht er doch wieder den gewohnten Spirit. „Die Leute werden schier verrückt danach sein“, tönt er und hält seine neueste Schöpfung, über die monatelang spekuliert wurde, in die Menge: das iPad, ein 500 Dollar teures Unterhaltungskraftpaket in Buchformat, das Internet, E-Mail, Spiele, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Musik, Videos und Filme in ein 1,3 Zentimeter dünnes Aluminum-Glas-Gehäuse zwängt, mit nur einer Taste auskommt, also weitgehend durch Berührung des Bildschirms mit dem Finger seine digitalen Schätze preisgibt.
Apple ist der Konkurrenz wieder einen Schritt voraus
Jobs feiert das neue Gerät, das die Lücke zwischen Apples Edelhandy iPhone und den Powerbook-Laptops schließen soll, als wäre es eine Art Höhepunkt seiner Laufbahn. 2010 wird das Unternehmen, das die Neunzigerjahre fast nicht überlebte, höchstwahrscheinlich mindestens 50 Milliarden Dollar umsetzen und zu den profitabelsten Konzernen der Welt gehören. „Wow, 50 Milliarden Dollar, ich mag es kaum glauben“, sagt der gesundheitlich angeschlagene Jobs und schiebt stolz nach: „Wir sind der weltweit größte Hersteller mobiler Geräte.“
Erst der iPod, dann das iPhone, jetzt das iPad – mit der Präsentation des neuen Computer-Flachmanns ist Jobs nicht nur ein weiteres Mal der Konkurrenz technologisch einen Schritt voraus.
Neue Epoche für den Konzern aus Cupertino
Der Charismatiker aus dem kalifornischen Cupertino läutet zugleich eine neue Epoche in der IT- und Kommunikationsbranche ein, die einer zweiten Revolution im Internet gleichkommt. Das iPad ist kein simpler Nachfolger des Personalcomputers, der, statt unterm Schreibtisch zu harren oder in der schwarzen Umhängetasche zu stecken, nun unablässig unterwegs seinen Dienst tut. Das künftige mobile Internet, das dadurch zur Jedermannsware für Otto-Normal-Nutzer avanciert, wird mehr sein als Online-Einkauf und Zeitvertreib im sozialen Netz, nur jetzt eben im Äther.
Was technisch im iPad wie ein neues Anklicksystem für Internet-Inhalte daherkommt, bringt in Wirklichkeit ein völlig neues Web mit bisher erst ansatzweise erkennbaren Anwendungen und Milliardengeschäften. Ob wir künftig unsere Bücher auf Rechentabletts lesen, den Gesundheitscheck per Handy durchführen oder ortsbezogene Dienste im mobilen Web nutzen – all dies wird unseren Alltag und unser Arbeitsleben verändern. Und es eröffnet eine der aufregendsten Schlachten, die die globale Wirtschaft in den zurückliegenden Jahren erlebt hat. Es geht um nicht mehr oder weniger als um zwei fundamentale Fragen: Wer herrscht künftig über die neue digitale Zweitwelt, und wer scheffelt die meisten Milliarden in einem Geschäft mit aber- und abertausendfachen Diensten und Programmen, Lebenshilfen und Schnickschnack-Angeboten, das in den kommenden Jahren explodieren dürfte?