Mode Valentino umweht ein Hauch von Historie

Ein Hauch von Historie ist spürbar, wann immer das italienische Design-Genie Valentino Clemente Ludovico Garavani vor die Öffentlichkeit tritt. Offiziell hat er seine Karriere beendet, wobei man ein Comeback des auch mit 76 Lebensjahren noch ungeheuer energischen Modeschöpfers nie ausschließen sollte.

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Valentino Garavani Quelle: rtr

Doch auch ohne aktuelle Kollektion betten nicht nur Mode-Aficionados jenen Mann in grenzenlose Bewunderung, der mit seinen Roben Ikonen von Jackie Kennedy bis Julia Roberts ihre denkwürdigsten Auftritte erst ermöglichte. Nur Valentino selbst lässt Festivitäten zu seinen Ehren mit Routine über sich ergehen. Es läuft bestens bei der Abschiedstour des neben Karl Lagerfeld fraglos letzten der großen, traditionsgeschulten Modeschöpfer. Möchte man meinen. Denn als Valentino zum Beispiel nach der Auszeichnung zum Ritter der französischen Ehrenlegion mit seinem langjährigen Partner Giancarlo Giammetti im Auto sitzt, will er es genau wissen. „Wie war ich?“, fragt der Maestro, ohne den Kopf zu wenden. „Sehr gut“, kommt etwas zögerlich die Antwort. „Nein, wirklich?“, setzt Valentino nach. „Nun ja“, erwidert Giammetti genüsslich, „findest du nicht, dass du ein bisschen zu braun für den Anlass warst?“ Der Schock in Valentinos (farblich tatsächlich undefinierbarem) Gesicht ist nur einer der vergnüglichen wie überraschenden Höhepunkte der Dokumentation „Valentino – The Last Emperor“, die beim Filmfestival in Venedig Weltpremiere feierte und hoffentlich bald auch in deutsche Kinos kommt. Vom US-Journalisten Matt Tyrnauer inszeniert, widmet sich der Film anfangs dem Jahrmarkt der Eitelkeiten in der Modebranche und Valentinos langer Karriere. Doch so kurzweilig es sein mag, der Kamera hinter die Kulissen von Modeschauen oder zu Partys mit einschüchternder Prominentendichte zu folgen – richtig stark wird Tyrnauers Regiedebüt erst, wenn er unter die glamouröse Oberfläche geht und eine bewegende Geschichte findet.

Zwei Storys, um genau zu sein. Da ist zum einen die Übernahmeschlacht um das Haus Valentino durch den Investor Permira, die Tyrnauer wie einen Thriller inszeniert, in dem kalt kalkulierende Manager als Bösewichte den heldenhaften Künstler Valentino attackieren, bis dieser sein Label entnervt dem Mammon überlässt. Und dann ist da das private Verhältnis von Valentino und Giammetti. Seit 45 Jahren sind sie zusammen, waren in dieser Zeit als Geschäftspartner und Lover „insgesamt keine zwei Wochen getrennt“ (Giammetti). Tyrnauers Kamera ist dabei, wenn die beiden in Erinnerungen schwelgen oder sich streiten, wenn sie in letzter Minute Entwürfe korrigieren. Und obwohl sich vor allem Valentino meist schwer damit tut, Gefühle zu zeigen und artikulieren, könnte kein Drehbuch eine emotionalere Partnerschaft erfinden. Einen wahrhaftigeren Film über die Liebe zwischen zwei Männern hat es seit „Brokeback Mountain“ nicht gegeben. Erstaunlich ist die Intimität von „The Last Emperor“ zudem, weil der schillernde Valentino stets penibel über die Privatsphäre wachte. Und so ist es kaum übertrieben, wenn er die Einblicke in sein Leben am Tag nach der Premierenfeier in einem Palazzo am Canale Grande mit dem Fall der Berliner Mauer vergleicht. fivetonine nutzte die Gelegenheit zu einer raren Audienz mit dem letzten Mode-Kaiser. Und weil hinter jedem berühmten Mann auch mal ein starker Mann stecken kann, muss unbedingt auch Giancarlo Giammetti zu Wort kommen, der elegante Mann im Hintergrund, der Valentino womöglich besser kennt als dieser sich selbst:

Fivetonine: Valentino, was ist das Geheimnis Ihrer endlosen Energie?

Valentino: Ich bin nur gut zu mir selbst, und das ist gar nicht so schwer – es genügt schon, sorgsam auf seine Ernährung zu achten und Sport zu treiben, dann sprudeln die Hormone von ganz allein. Viele Menschen vergessen, sich selbst zu lieben und gefährden sich mit Alkohol und Zigaretten. Ich rühre davon nichts an und lebe wie ein Priester. Ein sehr glücklicher Priester!

Wie fühlten Sie sich dabei, über Monate von einer Kamera begleitet zu werden?

Valentino: Ich kannte den Regisseur durch eine Reportage, die er für „Vanity Fair“ über mich geschrieben hatte. Mir gefiel die Idee, im Film Dinge zu zeigen, die kein Artikel erfassen kann – etwa die harte Arbeit meiner Schneiderinnen oder die Entstehung eines Abendkleides von der ersten Zeichnung bis zur Premiere auf dem Laufsteg. Weniger schön: Wie ich im Stress die Geduld verliere und auch mal schreien muss. Aber das Publikum scheint auch diese Aspekte des Films zu lieben.

Haben Sie dabei etwas über sich selbst gelernt?

Valentino: Nein. Obwohl: Mir fiel auf, dass ich die schlechte Angewohnheit habe, mir ständig die Haare glatt zu streichen. Das muss aufhören.

Mr. Giammetti, wie fanden Sie den Film?

Giammetti: Ich sah furchtbar aus (lacht). Nein, ich musste den Film zwar erst sechsmal sehen, um zu begreifen, dass er das Ende einer Ära zeichnet und in diesem Rahmen auch unsere persönliche Beziehung ausgeleuchtet wird.

Wie lange haben Sie gebraucht, um den Charakter Valentinos zu verstehen?

Giammetti: 45 Jahre? Aber lassen Sie mich ehrlich sein: Ich begriff ihn als Mann sofort, als ich ihn damals traf. Er ist ja nicht immer so eingespannt wie in „The Last Emperor“, wo der Regisseur aus 250 Stunden Material die aufregendsten 90 Minuten wählte. Doch Matt begriff unsere Essenz, und dass Valentino und ich von Beginn an in jeder Minute bereit waren, einander alles zu geben, was wir zu bieten haben. Denn wir ergänzen uns trotz verschiedenartiger Wesenszüge ganz einzigartig. Wir haben Gemeinsamkeiten wie unseren Sinn für Humor. Aber es gibt auch Gegensätze: So besitze ich einen modernen Geschmack, während Valentinos Interesse an Kunst nur bis zu dem Tag reicht, als Picasso starb.

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