M&A-Deals Kompromisslose Käufer auf dem Vormarsch

Der Markt für Fusionen und Übernahmen ist ein Multi-Billionen-Dollar-Geschäft. 2017 hat gezeigt: Investoren zahlen immer höhere Preise – und agieren immer aggressiver. Das dürfte sich auch im neuen Jahr nicht ändern.

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Mit der Rekord-Übernahme von Qualcomm will Broadcom zum weltweit drittgrößten Chiphersteller aufsteigen. Quelle: Reuters

Düsseldorf 3,2 Billionen Dollar: So viel haben Investoren im vergangenen Jahr weltweit für Firmenkäufe ausgegeben, wie Daten des Analysehauses Dealogic zeigen. Damit liegt der Wert von Fusionen und Übernahmen (M&A) knapp unter dem Niveau von 2016.

„Zum Jahresanfang waren noch die Auswirkungen von politischer Unsicherheit nach Brexit und der Wahl von US-Präsident Donald Trump spürbar“, sagt Leif Zierz, globaler Leiter des Transaktions- und Restrukturierungsgeschäfts bei KPMG. Dass die Branche dennoch auf ein starkes Jahr zurückblickt, habe fundamentale Gründe: „Das liegt zum einen an dem nach wie vor historisch niedrigen Zinsniveau und der massiv vorhandenen Liquidität“, sagt Zierz. Hinzu kämen die starken Bilanzen der Unternehmen. „Doch der wichtigste Punkt ist die Notwendigkeit der Veränderung von Geschäftsmodellen.“ Im großen Stil investieren Industrieunternehmen in Start-ups, die digitale Geschäftsmodelle vorantreiben. Das treibt den M&A-Markt.

Zudem zeichnet sich ein weiterer Trend ab: Immer mehr Konzerne lassen sich bei Übernahmen nicht davon stören, dass sie als ungebetene Gäste wahrgenommen werden – und gehen dabei immer aggressiver vor. In beinahe 80 Prozent der erfolgreichen Fusionen weltweit sei die Initiative vom Käufer ausgegangen, schätzt Michael Carr, der das Geschäft mit Firmenzusammenschlüssen bei der führenden Investmentbank Goldman Sachs mitverantwortet. „Vor allem wenn Käufer das Gefühl haben, dass sie keine Konkurrenz fürchten müssen, setzen sie ihre Übernahmeobjekte hinter verschlossenen Türen unter Druck – mit der impliziten Drohung, dass sie sich sonst direkt an ihre Aktionäre wenden.“ Konzerne müssen also verstärkt feindliche Übernahmeversuche fürchten.

Die Übersicht der wichtigsten Deals des Jahres zeigt: Selten waren die Firmenkäufer so kompromisslos.

Broadcom kauft Qualcomm

Es wäre der größte Deal aller Zeiten in der Technologie-Branche: Mehr als 100 Milliarden Dollar bietet der Chiphersteller Broadcom für den Konkurrenten Qualcomm. Inklusive Schulden summiert sich die feindliche Übernahme auf einen Wert von 130 Milliarden Dollar. Auch wenn sich die Führungsriege von Qualcomm mit aller Macht gegen die Übernahme wehrt: Broadcom-CEO Hock Tan ist fest entschlossen, den Deal durchzudrücken und damit den weltweit drittgrößten Chiphersteller nach Intel und Samsung zu formen. Broadcom wäre dann der einzige Lieferant für wichtige Bauteile in mehr als einer Milliarde verkaufter Smartphones pro Jahr. Sorgen vor einem übermächtigen Zulieferer versuchte Tan zu zerstreuen: „Wir würden dieses Angebot nicht unterbreiten, wenn wir nicht zuversichtlich wären, dass unsere gemeinsamen Kunden weltweit die Fusion annehmen würden.“

Die Bieterschlacht in der Chipbranche steht damit stellvertretend für einen wichtigen Trend auf dem M&A-Markt: Die Preise, die bei Firmenübernahmen aufgerufen werden, erreichen immer neue Höhen. „Bei Firmenübernahmen wird derzeit im globalen Durchschnitt das 13,6-fache des Gewinns vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) gezahlt“, sagt KPMG-Experte Zierz. „Die Bewertungen übertreffen damit den dauerhaften Durchschnitt, der beim 12-fachen des Ebitda liegt.“

Disney schluckt Fox

Auch in Hollywood sorgt eine Mega-Fusion seit Mitte Dezember für Furore. Bob Iger, Chef des Unterhaltungskonzerns Disney kündigte an, das Studio 21st Century Fox für 52,4 Milliarden Dollar kaufen zu wollen. Neben den Filmstudios sichert sich Disney auch Sportsender des Medienimperiums von Rupert Murdoch sowie die Fox-Anteile am Streamingdienst Hulu. Die Konsolidierungswelle in der Filmbranche geht vor allem auf die wachsende Konkurrenz von Streaming-Anbietern wie Netflix oder Amazon zurück. Die digitalen Angreifer produzieren längst eigene Filme und Serien und sorgen damit für sinkende Erlöse an den Kinokassen.

Es ist ein Trend, vor der keine Branche gefeit ist – von der Industrie über die Finanzbranche bis zum Handel: Die Digitalisierung schafft neue Geschäftsmodelle und stellt alte auf die Probe. Die etablierten Konzerne reagieren darauf mit althergebrachten Mitteln: „Die Digitalisierung zwingt die Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle radikaler zu ändern als sie das organisch tun könnten“, sagt Fusionsexperte Zierz. Daher seien sie auf Zukäufe angewiesen.


Positiver Ausblick für 2018

Die Bieterschlacht um Abertis

Bis vor Kurzem dürfte der Name Abertis allenfalls Brancheninsidern und Spanien-Urlaubern ein Begriff gewesen sein. Doch der Bieterwettstreit, den sich der deutsche Baukonzern Hochtief und der italienische Mautstraßenbetreiber Atlantia um den Infrastrukturkonzern aus Barcelona liefern, hat Abertis im Herbst 2017 schlagartig bekannt gemacht. Hochtief bietet, angetrieben durch die spanische Konzernmutter ACS, 17,1 Milliarden Euro in Cash und Aktien für Abertis. Berücksichtigt man auch die Schulden von Abertis, die sich Hochtief für den Deal aufbürdet, hat die Fusion den Analysten von Dealogic zufolge einen Wert von 35 Milliarden Euro. Mitbieter Atlantia hatte zuletzt 15,7 Milliarden Euro geboten, inklusive Schulden summiert sich die Offerte auf 28 Milliarden.

Der Zweikampf um Abertis ist der mit Abstand größte Deal im Infrastrukturbereich – aber längst nicht der einzige. Infrastruktur- und Immobilienunternehmen seien 2017 ein wichtiger Treiber für den M&A-Markt gewesen, sagt Zierz.

Fortum greift nach Uniper

Es war ein Schachzug, mit dem Eon-Chef Teyssen die Altlasten des Energieversorger auf einen Schlag loswerden wollte: Er lagerte das Geschäft mit konventionellen Kraftwerken aus und brachte es unter dem Namen Uniper an die Börse. Doch knapp die Hälfte der Uniper-Anteile blieben bei Eon – und zumindest Uniper-Chef Klaus Schäfer ging davon aus, dass das auf absehbare Zeit auch so bleibt. Doch mit dem Börsenerfolg von Uniper wurden Investoren auf den Kraftwerksbetreiber aufmerksam – und Eon bot sich die Gelegenheit, das Altgeschäft mit Gewinn loszuschlagen. Seit September verhandelt der finnische Energieversorger Fortum mit Eon über einen Kauf der verbliebenen Uniper-Anteile für rund 3,8 Milliarden Euro.

Zusammen mit den Verbindlichkeiten von Uniper summiert sich der Deal den Zahlen von Dealogic zufolge auf 11,7 Milliarden Euro und ist damit die größte Übernahme im vergangenen Jahr in Deutschland. Auch wenn Uniper-Chef Schäfer sich mit aller Macht gegen die Übernahme wehrt und dem Eon-Chef Wortbruch vorwirft: Auf das Schicksal seines Konzerns hat er nur begrenzt Einfluss – es entscheidet sich voraussichtlich Mitte Januar, wenn die Bieterfrist abläuft.

Siemens und Alstom formen Zug-Giganten

ICE und TGV – die beiden Hochgeschwindigkeitszüge sind nicht nur Transportmittel für Millionen Reisende. Sie sind auch Symbole der Industrienationen Deutschland und Frankreich. Umso größer waren die Vorbehalte, die Siemens-Chef Joe Kaeser und Alstom-CEO Henri Poupart-Lafarge ausräumen mussten, als sie im September die Zusammenlegung der Zugsparten beider Konzerne bekannt gaben. Den Zahlen von Dealogic zufolge hat der Deal einen Gesamtwert von 8,7 Milliarden Euro.

Offiziell sprachen Kaeser und Poupart-Lafarge von einer „Fusion unter Gleichen“. Doch wird Siemens mit etwas mehr als 50 Prozent die Mehrheit halten. „Man kann auch von einer Übernahme sprechen“, sagte ein Insider damals dem Handelsblatt. Mit der Fusion reagieren die Industriekonzerne auf die wachsende Konkurrenz aus China. Dort wurde mit CRRC aus mehreren Fusionen ein neuer Weltmarktführer geformt, der deutlich mehr umsetzt als Siemens und Alstom zusammen. Das Ziel der Fusion fasst Kaeser so zusammen: „Wir setzen die europäische Idee in die Tat um und schaffen gemeinsam mit unseren Freunden bei Alstom auf lange Sicht einen neuen europäischen Champion der Eisenbahnindustrie.“

Marktführer formen, Konkurrenten ausstechen, Geschäftsmodelle umwälzen: An den Motiven für Firmenübernahmen dürfte sich im neuen Jahr kaum etwas ändern. Und auch der Wert der Deals dürfte 2018 auf hohem Niveau bleiben, erwartet M&A-Experte Zierz. „Mittelfristige rechne ich damit, dass sowohl das niedrige Zinsniveau, die soliden Unternehmensbilanzen und die Notwendigkeit, Geschäftsmodelle zu verändern, den Markt weiter antreiben werden. Das ergibt einen sehr positiven Ausblick für das Jahr 2018.“

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